Ich denke, der Begriff “Religion” (oder im politischen Kontext meist Ideologie) ist nur ein anderer Begriff für die von Ihnen geschilderte “Gemeinschaftsseele”. Darin liegt in der Regel einfach der Verzicht auf eigene Prüfung von Behauptungen/Tatsachen sowie einer eigenen Entscheidungsfindung. Das alles wird an die Führer der Masse delegiert, die sich insbesondere durch Ansprache der Gefühlseben, der Stimmungen etablieren; später durch Bildung von Netzwerken. Daher sind moderne Demokratien auf Teilung der Macht angelegt - und damit auch auf Teilung der Menge. Sie beruht darauf, die Menschen gemäß ihren (Eigen-) Interessen anzusprechen und zu organisieren. Auch staatliche Macht wird aufgeteilt und nicht zentralisiert. Die Stigmatisierung von (stets berechtigten) Eigeninteresse ist ein Kennzeichen aller autokratischen Systeme. Die Teilung der Macht, das Ausbalancieren der Interessen entfällt, wenn das gelingt. Warum verzichten Menschen auf das (auch für die Gesamtheit) gesunde Eigeninteresse (, das jedoch nicht im Interesse der herrschenden Gruppe ist)? Die einen aus Mangel an Urteilskraft: Ihnen gefällt die Idee, Teil an etwas Besonderem zu sein, was (in ihrer Vorstellung) die Zeit überdauert. Es hat auch etwas Narzisstisches. Wer ist nicht gerne Vorreiter? Es fällt so leicht, von anderen Lob anzunehmen; das schmeichelt. Nicht jeder findet das verdächtig oder gar unangenehm. Die anderen aus Mutlosigkeit oder Trägheit für die eigenen Interessen zu kämpfen. Zudem tun sich Individualisten, die so dringlich als Gegenkraft gebraucht werden, schwer mit Bündnissen. Irgendetwas gefällt ja immer nicht an der Opposition. Sie ist nie makellos genug. Damit spielt die herrschende Gruppe natürlich auch nur zu gerne.
Ich neige auch zu solchen ” Grabungen “ und hoffe darauf, Einsichten bergen zu können, die mir bisher verborgen geblieben sind. Allerdings an anderer Stelle, so zum Beispiel bei Siegfried Kracauers ” Angestellten ” von 1930 !
Der Artikel hatte für mich mal wieder eine Wow-Effekt. Das Entscheidungen zu >80% aus unbewusstem triebgesteuerten Antrieb erfolgen ist mir bekannt. Dann werden nur noch rationale Gründe für die Entscheidung gesucht. Daß dieses dann natürlich gerade in der Masse zu den beschriebenen Effekten führt ist logisch. Wenn man nun zwei Massen mit gegenteilige unterbewußtem Hauptziel, nämlich Bewahrung der geschaffenen Lebensumgebung und Eroberung derselben zusammenführt, dann führt das zum berühmten Clash. Das können Vernunftsgründe auf Dauer wohl nicht vermeiden. Schön sichtbar wird das aus der Ursachenunabhängigen Solidrisierung von Migrantengruppen gegen Vertreter von Staatsorganen.
“Haft in einem Käfig voller Narren” - das trifft auch meine Emotion sehr gut. Tja, die Masse. Doch jede Masse setzt sich doch aus Individuen zusammen. Die sind nicht alle doof. Die treffen ihre Entscheidungen schon rational. Auch die Deutschen sind im Prinzip relativ gut gebildet. Man ist oft sogar echter Experte in seinem Teilbereich. In dem Horrorfilm “The Cube” wird ein Ingenieur von einer Maschine umgebracht, von der er Teile mit gebaut hat, ohne zu wissen, was er da eigentlich baut. Eine gute Metapher. Doch warum lässt “die Masse” das alles mit sich machen? Warum ist “die Masse” bis zum Ende Hitler gefolgt oder Mao oder Stalin, obwohl diese Leute und ihr System der Masse massiv geschadet haben? Vielleicht gerade, WEIL sie aus egoistischen Individuen besteht, die alle an sich denken und eben nicht an das Große Ganze. Es wird der individuell bequemste Weg im jeweiligen System gewählt. Nicht aufzumucken, ist wesentlich einfacher und energieschonender, auch wenn das System, das man so stützt, gegen die Wand fährt. Es wird ja die Masse treffen, wenn der Knall kommt. Man selbst konnte sich und seinen Leuten wenigstens was zurücklegen, indem man sich dem System bis zuletzt andiente oder zumindest nicht aufmuckte. Das großartige und tiefe Werk “Der Archipel Gulag”, das ich gerade lese, liefert überaschend viele, überraschend aktuelle Antworten.
LENIN über das Proletariat: “...es ist aus eigener Kraft unfähig mehr zu entwickeln als gewerkschaftliche Interessen.” Gemeint ist, das Proletariat brauche eine politische Partei, die es lenkt. Er meinte natürlich den Lenin an der Spitze der Bolschewiken. Die sich so bezeichneten, jedoch nie die politische Mehrheit waren. Die revolutionäre Situation kam aus der Verelendung unter enormen Verlusten im 1.Weltkrieg. Sowie dem Verlust des “gottgewollten” Zarentums und seines Nimbus. Nebst dem der orthodoxen Kirche. Man soll dabei wissen, Russland erlitt als armes Gebilde von Staat 7.500 Kriegstote….pro Tag , seit 1914. Selbst ein Umdenken hat später lediglich zum Bürgerkrieg geführt, der 6 weitere Jahre viele Leben fraß. Und ab 1924 kam STALIN, der große Schlächter. Was für ein Drama, ohne Ende bis heute, ohne den Gewinn einer humanen Ordnung.
Die Gedanken der Autorin Heinisch decken sich mit meinen. Ich habe als Unterstützer von Bernd Lucke (erst AfD, jetzt LKR) gesehen, wie vollständig wirkungslos seine vernünftigen Argumente gegen die emotions- und ressentimentsbasierten Anwürfe seiner Gegner waren. Linke (etwa Jakob Augstein) wie Rechte (etwa Frauke Petry) fegten ihn einfach weg. In meinem Bekanntenkreis (akademisches Bürgertum) ist es nicht anders. Dort dominieren links-grüne Sehnsüchte/Träume und starke links-grüne Ressentiments. Die Vernunft (jedenfalls so, wie ich sie vertrete) ist da chancenlos. Ich bin ein überzeugter Demokrat, aber dies lässt mich an der Demokratie, jedenfalls an der, die jetzt praktiziert wird, (ver)zweifeln.
Herr PUTIN hat vor 40 Jahren beim KGB seine Magisterarbeit über das allgemeine Thema “Eröl als Waffe” angefertigt. Ich erinnere mich an einen FAZ-Artikel. v. Eine Doku über Putins Wirken in Dresden brachte einen KGB-Kollegen zur Aussage: “...Putin hat sich mit Zersetzungsmaßnahmen des Westen beschäftigt”. Eine Quelle spricht von der Unterwanderung von Staat, Medien und Einzelpersönlichkeiten im Westen. Jüngere Beispiele sind erfolgreiche Cyberangriffe aus Russland, China und sonstwoher. Ohne interne Helfer so kaum möglich. Mit der verborgenen Erkenntnis, dass man die Hard- und Software der Bundestags-verwaltung “austauschen” musste. Hier stellt sich spätestens die Frage: Sind das Kriegsvorbereitungen oder nur Fingerübungen des Militäts - oder was ? Ohne Panik, Frau HEINISCH: Gehen im Westen Dinge voran, von denen die Völker konkretes nichts wissen, die die Politiker längst ratlos machen? Sodass sie Gegenmaßnahmen bereits aufgegeben haben ? Die Verdummung des Feindes gehört unmittelbar zur militärischen Strategie. Ist die Demokratie (zu) hilflos?
Die “Verantwortungslosigkeit des Kollektivs” und “Massen sind für Logik unempfänglich”, sind das die Halbsätze, die diesen ganzen Irrsinn erklären? Ich habe meine Großeltern als Zeitzeugen gefragt, wie es passieren konnte, dass sich ein Hitler Deutschland aneignete und sogar die Massen begeisterte. Meine Großeltern versuchten es zu erklären, ich habe es ehrlich gesagt, damals (vor 30 Jahren) nicht verstanden. Heute verstehe ich es. Wer beim Juden gekauft hat, war ein Judenfreund und wurde ausgegrenzt. Die Anti-Juden-Hetze war auf allen Kanälen omnipräsent und die allermeisten schritten nicht dagegen ein. Kommt mir inzwischen (mit anderen Vorzeichen) bekannt vor. Ähnlichkeiten gab es im Mittelalter bei den Hexenjagden. Wer dagegen einschritt, ja sogar wer nicht den größten religiösen Eifer zeigte, machte sich selbst verdächtig und wer wollte schon gefoltert und anschließend verbrannt werden? Ich erklärte mir das mit der vermeintlichen Unwissenheit in dieser Zeit. Inzwischen weiß ich, die Massen sind heute nicht schlauer, als im Mittelalter oder 1933 oder während der chinesischen Kulturrevolution oder unter den Roten Khmer. Wir müssen wirklich aufpassen, dass Bürgerrechte nicht verloren gehen, dass gleiches Recht für alle gilt und nicht nach Regierungskonformität gewichtet wird. Wir sollten aufpassen, dass Menschen nicht ausgegrenzt werden, nur weil sie nicht dem gerade herrschenden Zeitgeist hinterherlaufen. Das Motto “Wir sind mehr (und moralisch besser) und dürfen deshalb alles und ihr (Andersdenkenden) seid alle Nazis”, ersetzt gerade wieder den demokratischen Meinungsstreit mit Argumenten, den die vermeintlich Besseren offensichtlich fürchten. Ich halte das für gefährlich.
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