Volker Seitz / 27.05.2020 / 13:00 / Foto: Seitz / 8 / Seite ausdrucken

Gelten Reisebeschränkungen auch für afrikanische Politiker?

Am 21. März 2017 schrieb ich für die Achse das Stück „Warum afrikanische Präsidenten im Ausland sterben“. Ich schrieb, dass es überall an einer grundlegenden Gesundheitsversorgung fehlt – nicht, weil die Mittel nicht da sind, sondern weil die Regierenden, ihre Angehörigen und ihre hohen Beamten nicht im eigenen Land behandelt werden. Genolier Swiss Medical Network (GSMN) in der Schweiz ist seit 1970 für einen sehr diskreten medizinischen Tourismus afrikanischer Machthaber bekannt. Ich wies ferner darauf hin, dass deshalb auch so viele afrikanische Staatschefs im Ausland verstorben sind:

  • Guineas Diktator Sekou Touré, 1984 nach einer Herzoperation in Cleveland/Ohio.
     
  • Der autokratisch regierende Präsident von Togo, Gnassingbé Eyadéma, 2005 auf dem Flug zur Behandlung in Israel.
     
  • Präsident von Sambia, Levy Mwanawasa, 2008 in Paris.
     
  • Präsident von Gabun, Omar Bongo, 2009 während einer Behandlung in Barcelona.
     
  • Premierminister Meles Zenawi von Äthiopien 2012 in einem Brüsseler Krankenhaus.
     
  • Staatspräsident Malam Bacai Sanha von Guinea Bissau 2012 in dem französischen Militärkrankenhaus Val-de-Grace bei Paris.
     
  • Der sambische Präsident Michael Sata 2014 im King Edward VII Hospital in London.
     
  • Robert Mugabe, der erste Präsident des unabhängigen Simbabwe und langjährige Machthaber, ist am 6. September 2019 gestorben. Seit April 2019 war er in einem Singapurer Krankenhaus.
     
  • Jacques Joachim Yhombi Opango, der frühere Präsident der Republik Kongo starb an COVID-19 am 30. März 2020 in Frankreich.

Der 78-jährige Präsident von Nigeria, Muhammadu Buhari, ist gesundheitlich angeschlagen. Seit Januar 2017 war er mehrmals bis zu zwei Monate aus nicht näher bekannten medizinischen Gründen in London. Er verschwindet häufig aus der Öffentlichkeit.

Der 87-jährige Präsident von Kamerun, Paul Biya, verbringt sehr viel Zeit in der Schweiz. Manche Jahre ist Biya ein Drittel des Jahres nicht in Kamerun.

„Wir müssen uns schämen“

Mit der Coranavirus-Pandemie haben fast alle afrikanische Staaten drastische Reisebeschränkungen verhängt. Seit Jahren werden führende Politiker von Algerien bis zum Kap im Ausland medizinisch versorgt. Nach wie vor machen die Gesundheitsausgaben in den meisten afrikanischen Staaten nur rund 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Das ist etwa die Hälfte des weltweiten Durchschnitts.

Nach Medienberichten sind mehrere Minister in Burkina Faso infiziert sowie ein enger Berater des nigerianischen Präsidenten.

Viele Afrikaner fragen sich nun, ob die Reisebeschränkungen auch für den medizinischen Tourismus ihrer alternden Führungskräfte, die sich jederzeit einen Privatjet leisten können, gelten. Vielleicht ist die Krise aber auch ein Weckruf, und die Regierungen erhöhen endlich ihre Gesundheitsausgaben. Der Innenminister und frühere Gesundheitsminister von Südafrika, Aaron Pakishe Motsoaledi, hat zumindest das Problem erkannt, wenn er schimpft, dass „wir der einzige Kontinent sind, dessen Führer medizinische Dienstleistungen außerhalb des Kontinents, außerhalb unseres Territoriums suchen. Wir müssen uns schämen.“

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Seitz

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Leserpost

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Jürgen Probst / 27.05.2020

Ja ja, das hat alles mit dem Kolonialismus zu tun und mit der bösen Ausbeutung durch Europa usw.  usw., bla bla… Das es im Grunde - pardon - Charakterschweine sind, die sowas auf Kosten der eigenen Landsleute machen, sich bereichern, wird vor allem von Linken übersehen.

Detlef Dechant / 27.05.2020

Lieber Herr Seitz, während des strengen Shutdowns in Bayern hatte der Bayerische Hof in München geöffnet. Aber nicht für Handwerker und Handlungsreisende, die sich dieses Hotel nicht leisten können. Unter der Hand war zu erfahren, dass die Gäste vorherrschend Medizintouristen aus dem arabischen Raum sein sollten.

H.Milde / 27.05.2020

Ich denke, daß das Covid19 ein eher unbedeutnder Keim ist für die Afrikanische Bevölkerung -> sa Ebola etc., und die Rolle der WHO. - va. in Anbetracht der von Herrn Seitz vielfach benannten, durch die sog. zivilisierte/1.Welt mitverursachte Korruption qua “Entwicklungshilfe” und deren Folgen..

Sebastian Weber / 27.05.2020

Ich hoffe doch sehr, dass diese ehrenwerten Drecksäcke in den europäischen Destinationen nach ihren Ankunft im Privatjet vor der medizinischen Versorgung erst mal 14 Tage - wie alle anderen Einreisenden auch- in Quarantäne kommen. In einigen Fällen erübrigt sich dann vielleicht eine weitere medizinische Versorgung ...

Gereon Stupp / 27.05.2020

Europäische Kleptokraten sind doch nicht anders. Sie schicken ihre Kinder auf Privatschulen, während sie das öffentliche Bildungssystem vor die Hunde gehen lassen. Sie genehmigen sich reinen Impfstoff, während sie dem Pack gestreckten Dreck verabreichen lassen. Sie predigen Wasser und saufen Wein, und eher wird Europa wie Afrika als umgekehrt. Die Frage ist, ob wenigstens einige Völker Europas irgendwann den Kaffee auf haben und dieses verkommene Establishment in seinem eigenen Blut ertränken werden, oder ob der Niedergang unaufhaltsam ist. Häßliche Bilder garantiert beides.

Christian Sporer / 27.05.2020

“der frühere Gesundheitsminister von Südafrika : Wir müssen uns schämen” Scham ist ein Fremdwort für die meisten afrikanischen Politiker.

Joerg Haerter / 27.05.2020

Wasser predigen und Wein trinken, für mich ist der Kontinent verloren. Was man in 200 Jahren nicht schafft, schafft man auch nicht in 300 oder 500 Jahren, sehen wir das doch endlich ein.

Gudrun Meyer / 27.05.2020

Selbst angenommen, dass die afrikanischen Regierungen die staatlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen erhöhen, wird ja doch fast alles Geld in der Verwaltung “versickern”. Es gibt aufsteigende, afrikanische Länder wie Botswana und besonders Ruanda, wo es vielleicht anders ist. Dieses Vielleicht gilt auch für das stabile Namibia und Mauritius. In den meisten Ländern des Kontinents wäre dagegen schon mehr als nur ein Wunder nötig, um ein gut funktionierendes Gesundheitswesen zu errichten. Solange die Eliteangehörigen sich woanders behandeln lassen können, gibt es keinen wirklichen Druck auf Veränderung.

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