Viel eher als neue Schulden braucht Deutschland eine mentale Neubesinnung auf Leistung und Anstrengung. Die dafür notwendigen Mentalitäten fallen nicht vom Himmel, sie sind vielmehr ein Produkt des gesellschaftlichen Klimas.
Als der scheidende Bundestag am 18. März die Reform der Schuldenbremse beschloss und damit zusätzliche Schulden von 1,5 Billionen Euro ermöglichte, war viel von staatlicher „Vorsorge“ die Rede. Sicherlich, eine leistungsfähige Landesverteidigung und eine moderne funktionsfähige Infrastruktur sind elementare Elemente staatlicher Daseinsvorsorge, aber müssen sie deshalb auf Kredit finanziert werden? Der gesamte Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und die Aufrüstung der Bundeswehr zu einer Präsenzarmee mit 500.000 Soldaten und 5.000 Panzern erfolgten schließlich bis 1970 aus laufenden Steuermitteln - ohne eine nennenswerte Staatsverschuldung.
Leider hat der deutsche Staat in den letzten 50 Jahren großflächig von der Daseinsvorsorge zum Sozialkonsum umgeschichtet. Der amtlich ermittelte Anteil der Sozialleistungen am Sozialprodukt, die sogenannte Sozialleistungsquote, stieg seit 1960 von 18 Prozent auf 30 Prozent. Sozialleistungen verdrängten Schienen, Brücken, Panzer und Soldaten. Weil das geburtenarme Deutschland fortlaufend älter wird, war das ein Stück weit unvermeidlich, aber vorsorgend war es nicht. Das Unvermeidliche wurde zudem noch durch ideologische motivierte Modewellen und allerlei Willkür unnötig verteuert. Gleichzeitig aber gehen die Probleme viel tiefer als Geld und sind deshalb mit Geld allein, schuldenfinanziert oder nicht, nur begrenzt heilbar.
Für viele ist es aber auch bequem, sich in falsche Kausalitäten zu flüchten.- so als ob Geld ein Universalpflaster sei, mit dem man strukturelle Mängel heilen könne. Dazu ein Beispiel: Zu meiner Zeit als Berliner Finanzsenator mussten alle kräftig sparen, auch die Bezirke, die im Bundesland Berlin die kommunalen Aufgaben wahrnehmen. Während das Personal der Schulen vom Land bezahlt wird und neue Schulgebäude vom Land finanziert werden, obliegt der Unterhalt der Schulgebäude als kommunale Aufgabe den Bezirken: Der grün regierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hielt auch in der Haushaltskrise an utopischen Projekten fest und vernachlässigte deshalb den Bauunterhalt. Dortige Schulen waren besonders marode.
Im Nachbarbezirk Neukölln gab der Bezirksbürgermeister Hainz Buschkowsky dem Bauunterhalt den Vorrang. Die dortigen Schulgebäude waren durchweg in einem guten Zustand. Das war erfreulich, änderte aber nichts daran, dass die Bildungsleistung der Schüler in Neukölln genauso katastrophal war wie in Friedrichshain-Kreuzberg. Diese hängt nämlich nicht vom Zustand der Schulgebäude, sondern von der Herkunft und Zusammensetzung der Schüler, den Lehrplänen, der Qualität der Schulaufsicht und der Qualifikation der Lehrer ab.
Mehr Geld bedeutet nicht bessere Bildung
Mehr Geld für Schulgebäude bedeutet also nicht automatisch eine bessere Bildung. Bis Mitte des vierten Schuljahrs hatte ich in einem 70 Jahre alten schlecht gehaltenen Schulgebäude umschichtig Nachmittagsunterricht, wegen der Kriegszerstörungen war das Gebäude nämlich doppelt belegt. Das tat der Lernleistung offenbar keinen Abbruch, wie meine damaligen Schulhefte zeigen. Sicherheit in Rechtschreibung und schriftlicher Division war offenbar weitgehend unabhängig vom Gebäudezustand, und das ist heute nicht anders.
Viel eher als neue Schulden braucht Deutschland eine mentale Neubesinnung auf Leistung und Anstrengung, wenn der weitere Abstieg gebremst werden soll. Bezogen auf die Bildung bedeutet das: Sanierte Schulgebäude müssen ergänzt werden durch ehrgeizige Lehrpläne, leistungsorientierte Lehrkräfte, eine Kultur der Anstrengung und Disziplin.
Die dafür notwendigen Mentalitäten fallen nicht vom Himmel, sie sind vielmehr ein Produkt des gesellschaftlichen Klimas. Vorsorgende Politik prägt das gesellschaftliche Klima und drückt ihm seinen Stempel auf, anstatt sich ihm opportunistisch treiben zu lassen. Dazu gehört eine Abgaben- und Sozialpolitik, die Anstrengung belohnt und Faulheit bestraft. Dazu gehört eine Einwanderungspolitik, die die Tüchtigsten gewinnt und die Flucht in den Sozialstaat unattraktiv macht. Mehr Geld allein ist gut, aber es reicht nicht. Wenn unter einem künftigen Bundeskanzler Merz kein Mentalitätswechsel stattfindet, wird auch seine Regierung den Niedergang weiterverwalten. Die SPD und die beharrenden Kräfte in der CDU werden ihn auf ein „Weiter so“ verpflichten wollen. Wenn hier seine Widerstandskraft unzureichend ist, wird er scheitern.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche
Dr. Thilo Sarrazin, geb.1945 in Gera, aufgewachsen in Recklinghausen. Er studierte Volkswirtschaftslehre in Bonn. Er bekleidete zahlreiche politische Ämter und war unter anderem von 2002 bis 2009 Senator für Finanzen im Land Berlin. Sein im August 2010 erschienenes Buch „Deutschland schafft sich ab“ löste eine anhaltende Diskussion aus und wurde zum meistverkauften deutschen Sachbuch seit 1945.

Am Rande: “RHEINMETALL 1.252,50 +6,9 %”
Ich fürchte, Deutschland braucht einzig noch einen preisgünstigen Bestatter, welcher auch Sondervermögen akzeptiert.
@sybille eden: Genauso ist es. –––––– Zum Artikel: “Der gesamte Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und die Aufrüstung der Bundeswehr zu einer Präsenzarmee mit 500.000 Soldaten und 5.000 Panzern erfolgten schließlich bis 1970 aus laufenden Steuermitteln - ohne eine nennenswerte Staatsverschuldung.” Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass mit der Bundestagswahl am 28. September 1969 sich die politischen Machtverhältnisse ändern. Willy Brandt wird erster SPD-Kanzler der Bundesrepublik.
Die Probleme liessen sich zügig lösen, wenn man 20-30 Millionen illegale Einwanderer und antiwestliche Siedlergruppen samt ihrem Nachwuchs deportiert. Was eher nicht so zügig gehen dürfte. Alternativ könnten sich Länder mit entsprechenden Schulhofpluralitäten, NRW BW HE BY Stadtstaaten, aus dem Bund verabschieden und zukünftig aus Ankara, Doha usw verwaltet werden. Die Türken lernen dann schon mal arabisch, die Restdeutschen werden ausgediedelt. In den verbliebenen deutschen Ländern braucht es dann noch eine westliche Reconquista um den deutschen Wirrköpfen von Ballermann bis Palituch-Bursch*innenschaft wieder etwas Zivilisation beizubringen.
Sie gehen von völlig falschen Voraussetzungen aus, Herr Sarrazin. Scheinbar glauben Sie, die Subjekte in Berlin und Brüssel wüßten es nicht besser und könnten belehrt werden? Im Internet gibt es keine zwei gleichen Meinungen. Selbst die Autoren auf diesem Blog bringen ständig völlig unabgestimmte Traktate heraus. Noch viel weniger die tausenden Blogs. Und die kritischen Kultur-Brüche werden konsequent ignoriert, weil die scheinbar zu heiße Eisen sind. Oder weil man meint, das sei nicht so wichtig. Deshalb geht die Reise seit 35 Jahren nirgendwohin.
@ Thomin Weller. “Deutschland hat mit Abstand den weltweiten Rahmen der Bildung nach unten verlassen. ... ” Eine gute naturwissenschaftliche oder technische Bildung ist für eine Industrienation lebenswichtig. Bildung darf aber auf keinen Fall eine zwingende Voraussetzung für Erfolg sein. Auch der (ungebildete) Handwerker, Selfmademan, Unternehmer muss ebenfalls gute Chancen haben. Eine gute MINT-Ausbildung sollte die Chancen erhöhen, aber nur die Chancen. Was wirklich zählen sollte, ist der Erfolg im Beruf, und nicht irgendwelche akademischen Pappendeckel. Während meiner Tätigkeit bei einem großen Konzern habe ich eine ganze Menge Praktiker kennen gelernt, die reale Probleme gemeistert haben, und die intelligenter waren als viele Akademiker, wobei ich mich keineswegs selbst ausschließe (Dr. rer. nat.). ++ Bildung ist genauso ein volkswirtschaftliches Produkt wie alle anderen auch. Und wer das will, der soll dafür zahlen. Wie in USA sollte das Studium kostendeckend bezahlt werden. Auch die Schulen sollten zum Teil privatisiert werden (in Schweden ist das bereits teilweise realisiert). Dann überlegt sich jeder gut, ob er ewig lang ein unsinniges Studium absolviert (Orchideenfach, Sozialwissenschaften, ... ), und hinterher arbeitslos ist. ++ Leistungsgesellschaft bedeutet Chancengleichheit, NICHT Ergebnisgleichheit. Besser eine sozial ungleiche kapitalistische Gesellschaft, die gut funktioniert und in Mittel einen hohen Wohlstand erzeugt, als eine scheinbar(!) gleiche sozialistische Gesellschaft, die beschissen funktioniert und Armut und Repression erzeugt. Die 50 gescheiterten sozialistischen Experimente sollten eigentlich reichen. ++ Ich finde es übrigens eine Unverschämtheit, wenn Lehrlinge, Arbeiter, Handwerker, ... mit ihren extrem hohen Steuern die leistungsschwachen deutschen Beamten-Unis finanzieren müssen, damit eine scheinbare soziale Gleichheit hergestellt wird.
@Irene Luh - Na, Frau Luh, Sie hauen ja drauf. Mit Ihnen möchte ich aber auch nicht näher zusammenkommen. beste Grüße /// sicher geht es auch eine Nummer kleiner