Claudio Casula / 22.11.2023 / 10:30 / Foto: T.-D. Frey / 55 / Seite ausdrucken

Geisel-Deal mit üblem Beigeschmack

Die bevorstehende Freilassung von 50 Geiseln im Rahmen eines Deals mit der Hamas muss mit gemischten Gefühlen gesehen werden – sowohl im Hinblick auf das Schicksal der verbliebenen Verschleppten als auch auf den Krieg Israels gegen die Terrororganisation. 

Mit 35 zu 3 Stimmen hat das israelische Kabinett in der Nacht einer Vereinbarung zugestimmt, die die Freilassung von Geiseln in der Gewalt der Hamas im Tausch gegen – erst einmal 150 – palästinensische Häftlinge und eine mehrtätige Feuerpause im Gazastreifen vorsieht. Die Regierung in Jerusalem stand bei dieser schwierigen Entscheidung, gegen die nur die drei Minister von Itamar Ben-Gvirs Otzma Yehudit votierten, unter mehrfachem Druck – von außen ebenso wie von innen.

Zu dem von außen: Es war von Anfang an zu erwarten, dass die vielfachen Bekundungen der Solidarität nach den Massakern vom 7. Oktober umso eher den Rufen nach einer Deeskalation und Waffenstillstand weichen würden, je länger die militärischen Operationen der israelischen Armee andauern. Auf die westlichen Staaten, also vor allem die USA, die derzeit unter den Demokraten eher ein Verbündeter mit beschränkter Haftung sind, und die Europäer, die eine zweistellige Millionenanzahl an muslimischen Einwanderern in ihren Ländern beherbergen und angesichts äußerst aggressiver Demonstrationen und zunehmender antisemitischer Vorfälle innere Unruhen fürchten müssen, kann Israel im Ernstfall nicht wirklich zählen.

Aber selbst wenn die Regierung Netanyahu dem Druck derjenigen Staaten, die Israels Recht auf Selbstverteidigung bestätigen, aber kalte Füße bekommen, sobald es dieses Recht robust in die Tat umsetzt, widersteht, ist da immer noch der Druck von innen. In Israel gilt jedes Menschenleben als kostbar. Für den Soldaten Gilad Shalit, der mehr als fünf Jahre in der Gewalt der Hamas verbrachte, und um den das ganze Land bangte, wurden 2011 sage und schreibe 1.027 palästinensische Häftlinge freigelassen, darunter einige wegen mehrfachen Mordes verurteilte Terroristen. Nun geht es sogar um etwa 240 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, sogar Kleinkinder und ein zehn Monate altes Baby, die teils schwer verletzt in den Gazastreifen verschleppt wurden und die sich hauptsächlich in der Gewalt der Hamas, aber auch des Islamischen Dschihad und einiger „Zivilisten“ befinden, die mit den Terroristen in Israel einfielen. Nicht nur die Angehörigen der Geiseln übten verständlicherweise Druck auf die Regierung aus; in Israel ist jeder Familie klar, dass es auch sie selbst hätte treffen können, und die Empathie mit den Angehörigen ist groß. Für Bibi Netanyahu stand von Anfang an fest, dass in diesem Dilemma die Befreiung der Geiseln Priorität hat.

Das zweite Ziel, die Hamas zu zerschlagen und dafür zu sorgen, dass künftig keine Gefahr mehr vom Terrornest Gaza ausgehen kann, muss da aufgeschoben werden. Die Feuerpause wird erst einmal den Terroristen nützen, die diese Zeit wohl nutzen werden, um sich zu sammeln oder über ihr Tunnelsystem in den Süden abzusetzen. Nicht umsonst soll Israel auch die Überwachung des südlichen Gazastreifens durch Drohnenflüge einstellen und im Norden auf die Zeit von 10.00 bis 16.00 Uhr begrenzen. Solche Sachzwänge und der Umstand, dass Häuserkämpfe und das Vordringen in mit Sprengfallen gespickte Tunnel immer mehr junge Soldaten das Leben kosten (bisher sind 69 gefallen), machen es den Streitkräften nicht eben einfacher, mit der Hamas endgültig abzurechnen. Und es ist nicht abzusehen, wie lange es der Hamas gelingt, durch tröpfchenweise Freilassung von Geiseln Zeit zu gewinnen – vielleicht Monate, vielleicht Jahre. Man möchte nicht in Bibis Haut stecken. Allerdings noch weniger in der der Verschleppten, die unvorstellbaren Horror durchmachten und wohl immer noch durchmachen. Eyn breyra, wie man in Israel sagt: Wir haben keine Wahl.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten

Foto: T.D.Frey

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

S. Marek / 22.11.2023

Schaut unbedingt und schnellstens auf YouTube “MUST WATCH: HAMAS HOSTAGE DEAL- Jonathan Pollard and Rabbi David Bar-Hayim ”  von Israels Intelligent und sehr bekannten Menschen über diesen furchtbaren “Deal” der idiotischen verlogenen “War Cabinet” die den Krieg gegen diese bestialischen Barbaren vergeigt haben !

W. Renner / 22.11.2023

Mit solch menschenverachtenden Terroristen verhandelt man nicht. Punkt! Ende mit Schrecken, oder Schrecken ohne Ende. Bibi verkennt, dass er hier politisch nicht mehr gewinnen, sondern nur noch militärisch.

Gabriele Klein / 22.11.2023

@Frau Grimm: Keine Sorge:  Die letzte Kontrolle liegt sowieso ganz woanders. Der Mensch hat letztlich keine. Es kann jeden jederzeit erwischen. Mit und ohne Arzt. Die meisten Menschen, u. das sind i.d. Regel die einfachen Leute, wissen genau was Sache ist und können zwischen Hamas u. Israel schon unterscheiden.  Auch wären mir keine Migrantenströme gen Gazastreifen bekannt.  Ins winzige Israel zieht es sie jedoch komischerweise alle hin. Ferner frage ich mich, warum nicht, längst das ARD Studio sich in einem Gaza Tunnel einquartiert hat..  Man wäre doch da viel näher am Geschehen….. Was um alles in der Welt hält die ARD zurück in Gaza aus Gaza zu berichten?  Warum sitzen sie in Tel Aviv und lassen sich von jüdischen Soldaten schützen?

Hans Benzell / 22.11.2023

So negativ sehe ich das nicht. Israel kann sich nicht aus dem Norden Gazas zurückziehen, solange die Hamas noch eine Geisel hat. Und das wissen alle.

Johannes S. Herbst / 22.11.2023

Es wird berichtet, dass die freizulassenden Pälästinenser großteils Minderjährige sind, die wegen Steinwürfen und Sachbeschädigung festgenommen wurden.

Ralf Pöhling / 22.11.2023

Eine Fehlentscheidung. Da wird auf Druck des Westens immer wieder der selbe Fehler begangen, weshalb das Problem auch nicht enden will. Die Hamas wird das bereits als Sieg verbuchen, deshalb daraus gestärkt hervorgehen und wieder losschlagen. Auf den 7. Oktober wäre die richtige Antwort eine andere gewesen: Den Feind derart massiv unter Feuer und Zerstörung zu setzen, dass die einzige Schlussfolgerung für die Hamas und ihr Umfeld daraus gewesen wäre, “das ist blanker Selbstmord und deshalb machen wir das nie wieder”. Der radikale Islam bzw. sein dummdreistes Proletariat testet wie ein Haufen kleiner unerzogener Bengel immer wieder die Grenzen aus. Und so lange die Konsequenzen auf diese Grenzbrüche nicht so massiv ausfällt, dass die Angst um ihre gesamte Existenz bekommen, wird das nicht aufhören. Hier im Westen und besonders in Deutschland läuft das genauso schief: Anstatt kriminelle und terroristische Aktivitäten aus dem islamischen Dunstkreis sofort und unverzüglich mit brachialer Wucht im Keim zu ersticken, gibt es zunächst eine banale “Gefährderansprache” und dann die Einladung zum “Mitmachen” wenn er sich benimmt, die der Feind überhaupt nicht als Warnung, sondern als Schwäche wahrnimmt und deswegen erst recht loslegt. Genau das gibt dann den klassischen Wiederholungstäter. Das funktioniert bei radikalen Muselmanen nicht. Mit denen redet man nicht, man hält sie direkt auf. Genau aus dem Grund gibt es im Koran das Abhacken von Körperteilen, denn das wird sofort beim ersten Mal verstanden. Natürlich können wir hier im Westen und in Israel nicht damit anfangen, denen die Körperteile abzuhacken. Aber wir können sie im Härtefall selbst zügig neutralisieren, sie jahrzehntelang einbuchten und ihr komplettes Betätigungsfeld bis auf die Knochen wegrasieren, damit da nie wieder auch nur ein einziger Haar wächst. Die werden nur dann mit der Gewalt aufhören, wenn die wirklich verinnerlichen, dass ihre gesamte Welt untergehen wird, wenn sie so weitermachen. Might is right.

Peter Müller / 22.11.2023

Mit Terroristen verhandelt man nicht! Und nur 50 Geiseln werden frei gelassen und gegen 150 Hamas-Verbrecher ausgetauscht? Unfassbar! Welch ein schlechter Deal!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Claudio Casula / 31.12.2024 / 06:25 / 103

Chronik des Irrsinns – der Dezember 2024

Der zwölfte Monat des Jahres 2024 geht zu Ende, also das letzte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der Chronist…/ mehr

Claudio Casula / 02.12.2024 / 06:15 / 75

Chronik des Irrsinns – der November 2024

Der elfte Monat des Jahres 2024 ist zu Ende gegangen, also das elfte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der…/ mehr

Claudio Casula / 31.10.2024 / 06:15 / 65

Chronik des Irrsinns – der Oktober 2024

Der zehnte Monat des Jahres 2024 geht zu Ende, also das zehnte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der Chronist…/ mehr

Claudio Casula / 30.09.2024 / 06:25 / 69

Chronik des Irrsinns – der September 2024

Der neunte Monat des Jahres 2024 geht zu Ende, also das neunte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der Chronist…/ mehr

Claudio Casula / 31.08.2024 / 06:00 / 74

Chronik des Irrsinns – der August 2024

Der achte Monat des Jahres 2024 geht zu Ende, also das achte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der Chronist…/ mehr

Claudio Casula / 01.08.2024 / 06:00 / 77

Chronik des Irrsinns – der Juli 2024

Der siebte Monat des Jahres 2024 ist zu Ende gegangen, also das siebte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der…/ mehr

Claudio Casula / 01.07.2024 / 06:00 / 105

Chronik des Irrsinns – der Juni 2024

Der sechste Monat des Jahres 2024 ist zu Ende gegangen, also das sechste Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der Chronist kommt kaum hinterher. Lesen Sie, staunen…/ mehr

Claudio Casula / 01.06.2024 / 06:00 / 73

Chronik des Irrsinns – der Mai 2024

Der fünfte Monat des Jahres 2024 ist zu Ende gegangen, also das fünfte Zwölftel eines Irrsinns. Die mit dem Klammerbeutel Gepuderten erhöhen die Schlagzahl, der…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com