Was meiner Meinung nach in Deutschland schief gelaufen ist, ist die Aufarbeitung der Nazizeit lediglich in Form von ständiger Konfrontation mit den Schreckenstaten (als Mahnung) und die ewige Schuldfrage. Anstatt die Psychologie und die Mechanismen zu behandeln, mit denen Menschen manipuliert und instrumentalisiert werden, um überhaupt erst die totalitären Systeme zu ermöglichen. Und die Bevölkerung in den Sog dieser Systeme ziehen, bis es kein Zurück mehr gibt. Der deutsche Schuldkult suggeriert, alle Deutschen der damaligen Zeit wären Unmenschen gewesen und hätten die Nazis mit überwiegender Zustimmung gewähren lassen. Er suggeriert auch (wie in “Die Welle” thematisiert), faschistoide Entwicklungen begännen mit autoritärer Erziehung zu Disziplin und Folgsamkeit und zeigten sich in straff organisierten Gemeinschaften. Das ist nach wie vor der Fokus, und der zeigt immer nach Rechts. Was fehlt, ist der offene Blick auf Manipulation der Massen als Solche und ihre vielfältigen Ausprägungen, z.B. auf der moralischen Ebene, die schließlich zu moralischer Erpressung und Alternativlosigkeit führt. Tatsächlich haben totalitär denkende, radikale “Eliten” ihre Netze harmlos und plausibel beginnend gesponnen und immer weiter ausgedehnt, bis keine Kritik und kein Widerstand mehr möglich war. Ungefähr so ähnlich verläuft es heute auch wieder, nur mit anderen Narrativen; aber mit derselben Vehemenz, die eigenen Narrative als alleingültig durchzusetzen. Man kann hier auch von einer “Selbstradikalisierung” sprechen, wie man sie den vermeintlich Rechten (Kritikern) vorwirft. Hört man heute Vertretern der sichtlich gestressten Volksparteien zu, dann werden sie verbal immer aggressiver und feindseliger gegenüber Meinungsgegnern und politischen Gegnern. Der Widerspruch wird zum Tabu, der Widersprechende vom Gegner zum Feind erklärt. Dass diese Tatsache und ihr faschistoider Charakter der Bevölkerung nicht auffällt, weil das Feinbild akzeptabel ist, ist der eigentliche Fehler im System.
“Er beschäftigt sich nicht mit dem tatsächlichen Grund für die Probleme in diesem Land: Deutschlands gequälter Seele.” Geschätzte geistreiche Orit Arfa, das kann man so direkt nicht sagen, wie ich finde; aber da Sie es nun mal gesagt haben, - ok, - in Gottes Namen - und damit sogar ein wenig in Habermas’ “postsäkularen” Namen - - - cf. “Auch eine Geschichte der Philosophie”, September 2019 über die Co-Evolution von Christentum und Philosophie seit der römischen Kaiserzeit auf siebzehnhundert Seiten). Heheh. (Kennen Sie Sieferles “Finis Germania”?)
Jaja, die gequälte deutsche Seele… Liebe Frau Arfa, bewegen Sie sich einfach mal aus ihrer (Berliner) Intellektuellen-Blase heraus und Sie werden feststellen, den meisten Deutschen ist das alles herzlich egal, ebenso wie das, was ein Claus Strunz so von sich gibt. Die haben genug damit zu tun ihre Kinder großzuziehen, ihre Miete zu bezahlen und ihr Leben zu leben. Oder glauben Sie ernsthaft, dass sich die Krankenschwester nach 8 bis 10 Stunden Schichtarbeit, Haushalt führen, Essen für die Kinder auf den Tisch bringen, usw. sich abends hinsetzt, über den Holocaust sinniert und wann sie das nächste Mal ein KZ besuchen könnte? Der größte Teil der Menschen in diesem Land ist nun mal nicht Journalist oder Schriftsteller und hat gar keine Zeit für solch hehre Gedanken. Und Nachforschungen zur Familiengeschichte in der Schule, bei dem Migrantenkinder “helfen”? Damit jedes Schulkind sein persönliches Schuldrucksäckchen mit sich herumtragen darf für Taten, die vielleicht von den Urgroßeltern begangen wurden? Dann klappt auch der “Nazi, Nazi”- und “Rassismus”-Vorwurf viel besser und es führt sicher nicht zu einer Stigmatisierung. Hilft der “gequälten deutschen Seele” bestimmt ganz dolle. Im Sinne der vielbeschworenen Vielfalt überprüfen wir dann bei türkischen Schülern ob die Vorfahren Armenier in die Wüste getrieben oder Wien belagert haben, bei Kindern russischer Abstammung forschen wir nach ob eine entfernter Ahne Aufseher in einem Gulag Stalins war, Spanier werden darauf abgeklopft ob es Anhänger Francos in der Familie gab oder jemand mit Hernán Cortés über den Atlantik gesegelt ist. Genau das sind die Probleme, die das Schulsystem lösen muss, sonst haben wir ja keine.
Viel zu nett. Deutschland ist seit der missglückten demokratischen Revolution von 1848 der Geisterfahrer in der europäischen Geschichte und lässt sich nicht einmal von mehreren Totalschäden davon abbringen. Im typisch knechtischen, aus 1000 Jahren Absolutismus übernommenen Schwanken zwischen Feigheit und übertriebenem Eifer bis zur Grausamkeit, wenn man die Obrigkeit hinter sich weiß und ihr gefallen möchte, haben sie nie verstanden, was Demokratie wirklich bedeutet: Dass sie die Chefs im eigenen Haus sind und die Politiker, vor denen sie kuschen und die sich wie früher die Feudalherren aufführen, nichts als Handlanger sind, die man jederzeit feuern kann. Ein einziger Lichtblick in dieser Serie von 150 Jahren lemminghaftem Kollektivdrängel in den nächstmöglichen neu aufgetauchten Abgrund war die erfolgreiche Revolution in der DDR 1989, als sich zum ersten Mal in der Geschichte ein Teil des volles Volkes Freiheit und Demokratie erkämpfte . Es ist der Hass des Feiglings auf den Tapferen, weshalb der Osten gerade heute so massiv verleumdet wird, weil die Menschen dort den Wert der Freiheit kennen und nicht bereit sind, schon wieder alles für die nächste Dämlackideologie (Deutschland 1940:eine Horde Nozis, umgeben von Feindstaaten- Deutschland 2019: eine Horde edler Retter, umgeben von Nozistaaten, wie zB der Schweiz aus der ich schreibe), zu vernichten. Denn im Westen geht die Geisterfahrt rasant weiter und es sieht sehr danach aus, als ob es, Kenntnisse über exponentielles Bevölkerungswachstum vorausgesetzt, dieses Mal die letzte war. Und immer war und ist die maximal bornierte Überzeugung an Bord, dabei was Besseres zu sein als andere, kraft Geschichtsbeweis nachweislich klügere Völker.
Wir Deutsche neigen eben in Allem zum Extremen. Bis 1968 haben wir die anderen Nationen gehasst und seit 1968 hassen wir die eigene Nation (nicht alle Deutsche, aber viel zu viele). Seit 2015 hat sich da etwas verschoben. Jetzt lieben wir die Moslems und hassen alle Länder, die von konservativen Kräften regiert werden. Warum können wir nicht einfach unser Land lieben und andere Länder und Völker mit Respekt behandeln und für deren Eigenheiten beachten? Was ich auch schrecklich finde ist, dass unsere deutschen Medien (zumindest seit 2015) ständig ausländische konservative Regierungen kritisieren. Ich lese regelmäßig auch deutschsprachige ausländische Medien. Das ist dort völlig unbekannt.
Das Problem geht über Deutschland hinaus und betrifft den ganzen Westen, also auch Schweden und die USA. Überall sieht man sich einer Pflicht zum Multikulturalismus unterworfen, die sich in einer zwanghaften Befürwortung von kulturferner Massenmigration äußert. Manche denken, das hätte etwas mit früheren Verbrechen, der Sklaverei oder mit dem Kolonialismus zu tun. Sowas trifft vielleicht auf Deutschland, Frankreich, GB oder die USA zu, aber was ist mit Schweden oder anderen skandinavischen Ländern? Diese hatten keine Kolonien, keine Sklaven und hatten keine Weltkriege und Genozide zu verantworten. Trotzdem sind sie diesem Zwang genauso ausgeliefert. In Schweden ist die Situation noch schlimmer als in Deutschland. Die neu hinzugekommenen Länder der westlichen Hemissphäre, die ehemaligen kommunistischen Staaten Mittelost-Europas (Polen, Tschechien etc.) haben diese mentalen Probleme nicht. Es muss also im Westen zwischen 1946 und 1989 irgendetwas passiert sein, was diese unheilvolle Multi-Kulti-Dynamik freigesetzt hat. Ich meine, es hat etwas mit einem unrealistischen Menschenbild zu tun, auch mit Humanismus, Menschenrechten, diversen Bürgerbewegungen und auch mit dem Protestantismus. Man müsste diese Sache mal genauer analysieren. Der Westen wirkt auch mich zunehmend seelisch gestört.
Ihre Idee von der Nachforschung der Familiengeschichte erinnert mich an die Idee der Sippenhaft oder an die Formulierung “bis ins siebte Glied” des AT. Die heutigen Schüler sind die Urenkel von Menschen, die in dieser Zeit “Schlimmes” getan haben KÖNNTEN”. Und die mit Migrationshintergrund können sich dann gegenüber den “Biodeutschen” überhelblich führen, weil deren Vorfahren ja nicht am Holocaust beteiligt waren (speziell Türken). Gerade mit diesem “Makel” wurde ja die Willkommenskultur begründet. Und dann noch eine Frage: Sollen Asylbewerber nur dann Asyl bekommen, wenn sie unsere “Werte” anerkennen auch wenn sie tatsächlich in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden? Dasselbe gilt für Kriegsflüchtlinge.
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