Von Thomas Eppinger.
„Was können wir tun, damit Frieden ist? Was können wir Euch anbieten?“, fragte ich. „Gar nichts. Geht zurück ins Meer. Oder sucht euch ein anderes Land“, antwortete sie. Von diesem Dialog erzählte mir die Fragestellerin, eine jüdische Bekannte. Die Antwort gab eine junge, westlich gekleidete Dame am Rande einer pro-palästinensischen Demonstration gegen eine Militäroperation Israels in Gaza. Die junge Palästinenserin hatte nichts Persönliches gegen die Wiener Jüdin. Sie wollte nur, dass die Juden aus Israel zurück ins Meer getrieben werden.
„Sie wohnen in Wien? Dagegen haben wir nichts“, meinte sie im Laufe des Gesprächs. Fast schon großzügig, in gewisser Weise, schließlich war das in dieser Stadt nicht immer so. Meine Bekannte war fassungslos über den bedingungslosen Hass, der nur mit Vernichtung oder Vertreibung zu stillen ist. Sie hatte irgendwelche maximalen politischen Forderungen erwartet, aber nicht „zurück ins Meer“. Sie fragte mich, ob ich wüsste, wie man damit umgehen könne. Aber wer weiß das schon?
Im Schatten zweier Weltkriege kennen wir keine Feinde mehr, nur Interessenskonflikte, die man in Verhandlungen löst, indem man Kompromisse schließt. Und weil wir unsere eigenen zivilisatorischen Normen und Moralvorstellungen auf andere projizieren, scheitern wir im Umgang mit Despoten, Diktatoren und gewalttätigen Rassisten. In einem denkwürdigen SPIEGEL-Interview von 2014 mit Margot Käßmann wird das offensichtlich.
„Spiegel: Frau Käßmann, war es ein gerechter Krieg, als die Alliierten Deutschland von der Herrschaft der Nazis befreiten?
Käßmann: Es war sicherlich ein Krieg mit einer guten Intention und am Ende die Befreiung vom Naziterror. Aber mir fällt es schwer, Kriege zu rechtfertigen. Es gibt nur einen gerechten Frieden. Wenn es zu einem Krieg kommt, ist das immer ein Versagen, weil es nicht schon viel früher Versuche gegeben hat, Waffengewalt zu verhindern.
Spiegel: Sie meinen, man hätte Adolf Hitler nur gut zureden müssen, dann wäre er schon friedlich geblieben und hätte keinen Krieg angezettelt.
Käßmann: So naiv bin ich nun auch nicht. Aber es gab frühe Warnungen, und auch die Alliierten sind nicht ohne jede Schuld geblieben, wenn Städte voller Flüchtlinge bombardiert und Frauen vergewaltigt wurden. Können Sie mir nur einen Krieg in den letzten 60 Jahren nennen, den man mit vernünftigen Gründen rechtfertigen kann?
Spiegel: Uns fallen vor allem Beispiele dafür ein, dass die Völkergemeinschaft durch ihr Wegsehen Massenmord zugelassen hat. 1994 zum Beispiel, als die Hutu in Ruanda mindestens 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu töteten. Oder 1995 in Srebrenica, als die Serben eine Uno-Schutzzone überrannten und ein Massaker unter den bosnischen Muslimen anrichteten.
Käßmann: Es ist interessant, dass Sie immer vom Ende her denken, wenn es keine gewaltfreie Lösung mehr zu geben scheint. Heute existieren viele Friedensforschungsinstitute, die Strategien entwickelt haben, um Konflikte zu vermeiden oder zu schlichten. Man muss es eben nur wollen. Aber am Willen hapert es. Das sehen Sie schon daran, dass Deutschland pro Jahr über 30 Milliarden Euro für Militär ausgibt, aber nur 29 Millionen für den Friedensdienst. Das ist eine schlimme Diskrepanz.“
Hier der ganze Text über die fatalen Folgen der sogenannten Friedenspolitik.