@Helge-Rainer Decke: Sie schreiben: “...dass viele Protestanten den Antisemitismus übernahmen und der staatlichen Judenverfolgung zustimmten oder nicht widerstanden.” - Nun, sie sollten nicht unterschlagen, dass auch die katholische Mehrheit damals den Antisemitismus übernahm!!
‘Wer verächtlich von Luthertralala redet, dem ist nicht mehr bewusst, „dass mit Luther das moderne Deutschland und Europas Moderne beginnen“.’ Da verschlägt es mir doch etwas die Sprache. Mit Luther also, nicht etwa mit der Renaissance und den vielen Denkern, die damals den mittelalterlichen Geist aufmischten und bei denen sich Luther bedient hat, soweit es seine damaligen Sponsoren und sein durchaus beschränkter Geist zuließen ? Leider fallen Sie auf den Trick der evangelischen Amtskirche herein, die ihren Luther zum Freiheitshelden stilisiert und die schwierige Entwicklung zu bürgerlichen Freiheiten und Demokratie in Deutschland damit für sich usurpiert, um damit die fatale und total entgegengesetzte Rolle vergessen zu machen, die sie in dieser spezifischen deutschen Entwicklung gespielt hat und auch heute wieder spielt. Der wirkliche Luther hat auf eine bei heutiger Lektüre unerträgliche und sophistische Weise den im wahrsten Sinne des Wortes Kadavergehorsam allen wirtschaftlichen und politischen Obrigkeiten gegenüber theologisch gerechtfertigt: „Sollte die große Menge auf eine bessere Weise zu regieren sein, so würde Gott auch eine andere Ordnung über sie gesetzt haben als das Schwert und die Tyrannen. Das Schwert zeigt deutlich an, was für Kinder es unter sich hat: Nämlich lauter heillose Bösewichte.“ „Durch sie bricht Gott unseren Willen, im Brechen unseres Willens aber geschieht Gottes Wille…Wenn Dich also jemand zum Narren machen will, dann sollst Du nicht widerstreben, sondern ja dazu sagen.“ „Wenn ich einen wüsste, der Kinder hätte, die er nicht arbeiten ließe, ich würde den Bürgermeister bitten, ihn ins Gefängnis zu werfen und Hungers sterben zu lassen.“ usw. und so fort. Er hat damit maßgeblich zur Entwicklung der spezifisch deutschen Form des Obrigkeitsstaates (und damit letztlich auch der spezifisch deutschen Form des Antisemitismus) beigetragen ? Er hat folgerichtig diese Obrigkeiten mit bluttriefenden Formulierungen dazu aufgefordert, die sehr zu Recht aufständischen Bauern abzuschlachten: „Es steche, erschlage, erwürge sie, wer kann“ und damit als ‚Schreibtischtäter‘ ein beispielloses Gemetzel am Volk und in der Folge ein Jahrhunderte andauerndes Rollback des Feudalismus in Deutschland mitbewirkt. (Wie anders wäre die deutsche Geschichte bei einer damals möglichen eidgenossenschaftlichen Entwicklung in Süddeutschland verlaufen ?) Er hat für diese theologischen ‚Verdienste‘ von den dankbaren Obrigkeiten seinen durchaus materiellen und opulenten Judaslohn erhalten ? Man sollte ihm den nicht auch noch posthum vergeistigen. Oder empfinden die heutigen Obrigkeiten und ihre Medienszene diese Seiten Luthers vielleicht gar nicht (mehr) als skandalös ? Teilen sie doch Luthers Missachtung breiter Teile des Volkes als ‚Pöbel‘ und lassen sich das, was sie ihm gerade antun, mal wieder als gottgefällig bescheinigen. In den siebziger Jahren wurde auf vielen Bühnen Deutschlands ein Stück von Dieter Forte aufgeführt, das Luthers Verstrickungen auf angemessen sarkastische Weise halbdokumentarisch und sehr eindrucksvoll vorführte. Angesichts der wiedergewonnenen Deutungs- und Kulturhoheit bigotter Instanzen traut sich hierzulande scheinbar nur noch ein kleines Wandertheater an eine aktuelle Neuaufführung heran. Für den ‚Pöbel‘ gibt es ja den von der evangelischen Kirche mitfinanzierten Lutherfilm.
Danke ,Frau Lengsfeld für diesen Artikel! Als Nachkomme von ML und KvB (14.Gen.) habe ich dazu ein besondere Stellung. Man kann ML , auch und besonders jetzt, nicht hoch genug bewahren und es auf unsere Zeit umsetzen. Nicht nur das er eune geinsame deutsche Sprache auf den Weg brachte, seine unbedingte Beziehung zur Freiheit sollten wir uns heute immer wieder vor Augen führen. Nicht Herr und nicht Knecht sein, sonder frei! Seine Standhaftigkeit ist beispielgebend, ” Ich kann nicht anders, hier stehe ich… ” Bei schlimmsten Androhungen blieb er standhaft ! Ach wie “klein” wirken unsere heutigen Kirchenfürsten, wenn sie das Kreuz verstecken !! Seine Stellung zu den Juden waren nie ethnisch geprägt, sonder rein theologisch, denn bis zum heutigen Tage erkennen die Juden Jesus Christus als unserem Erlöser nicht an. Dazu hat ML 20 Jahre mit Josel v. Rosheim ,Oberrabiner , heftigen Schriftwechsel geführt. Nun darf man gespannt sein, was das Jahr 2017 noch bringt!? Auf alle Fälle sollte auch KvB in der Gesellschaft noch höhere Wertschätzung erfahren! Die Stadt Torgau vergibt ja seit Jahren an verdienstvolle Frauen den “Katharinapreis”. Ich wünschte mir mehrere Lutherstädte mit solchen Aktivitäten! Mit lutherischen Glück Auf! Joachim Zacher
Beim Lesen dieses Traktats komme ich aus dem Hüsteln nicht heraus. Gibt es vielleicht irgendwo einen modernen Luther, der bisher übersehen wurde? Wahrscheinlich kein Demokrat oder?
Die Polarität und der Konflikt zwischen Links und Rechts sind dem zwischen Globalismus und Regionalismus gewichen. So erklärt sich auch die Unterschiedlosigbeit der Parteien und die allseitige Koalitionsbereitschaft. Die Position des Regionalismus ist im politischen Deuschland derzeit vakant, während das Bedürfnis seiner Repräsentation in der Bevölkerung immens ist und täglich steigt. Diese Diskrepanz ist langfristig nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln zu unterdrücken, es steht zu befürchten, dass eher auf Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, Demokratie und Frieden verzichtet wird, als vom uneingeschränkten Globalismus abzurücken.
Luthers Freiheitsbegriff bleibt aber schwer in ein klares Verständnis zu passen. Wie wohl Luthers Traktat „Von der Freiheit eines Christenmenschen” sicher in die Zeit einschlug wie eine Bombe und natürlich auch zu den Bauernaufständen führte, So sehr widersprach dem Luther auch. Im Besonderen mit seiner berühmten Schrift „De servo arbitrio“ – die 1526 auch auf Deutsch erschien: „Dass der freie Wille nichts sei.“ - widerspricht Luther gerade jener Bedeutung, die den Menschen ermächtigt, seine Geschicke in die Hand zu nehmen und selbst die Verantwortung zu tragen. Vielleicht hilft da nur eine dialektische Auffassung. Aber Luther als unbedingten Kämpfer für die Freiheit anzusehen ist für mich eine Verkürzung.
Das wird wohl auch ein Grund dafür sein, warum Luther in Dresden mit Bussen zugeparkt wird. Reine Kunst, versteht sich. Es kann einem Himmelangst und Bange werden um eine seelen- und lieblose 500Jahr-Feier, die wir würdig und froh begehen wollten.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Handschriften Eliten vorbehalten waren. Die eigentliche Revolution in der damaligen Zeit war die Erfindung des Buchdrucks.
Luther gehört zu Deutschland. Wohl wahr. Leider auch besonders Luthers Hass auf die Juden. Ich darf zitieren. “Das Thema „Martin Luther und die Juden“ umfasst das theologische und praktische Verhältnis des Reformators (1483–1546) zu Juden, zum Judentum und dessen Wirkungsgeschichte. Luther übernahm den gesamtmittelalterlichen Antijudaismus und versuchte, diesen durch seine christologische Bibelexegese zu untermauern. 1523 verlangte er als erster maßgebender christlicher Theologe eine gewaltfreie Judenmissionund gesellschaftliche Integration der Juden. Unter dem Eindruck fehlender Missionserfolge und Gefährdung der Reformation rückte er seit 1525 zunehmend davon ab. 1543 forderte er die evangelischen Fürsten zur Versklavung oder Vertreibung der Juden auf und erneuerte dazu die judenfeindlichen Stereotype, die er 20 Jahre zuvor verworfen hatte. Damit überlieferte er diese in die Neuzeit. Luthers Schrift von 1523 galt im deutschen Protestantismus meist als maßgebend. Seine späteren „Judenschriften“ wurden einige Male für lokale Aktionen gegen Juden benutzt. Antisemiten benutzten sie ab 1879 zur Ausgrenzung von Juden. In der Zeit des Nationalsozialismus legitimierten die NS-Propaganda und die Deutschen Christen (DC) damit die staatliche Judenverfolgung, besonders die Novemberpogrome 1938. Große Teile der DEK stimmten dieser Verfolgung zu oder schwiegen dazu. Seit 1911, besonders seit dem Holocaust, werden die Ursachen und Folgen von Luthers Judenhass wissenschaftlich untersucht. Nach heutigem Forschungskonsens war dieser nicht rassistisch, sondern von seiner antijudaistischen Theologie bestimmt. Diese trug jedoch erheblich dazu bei, dass viele Protestanten den Antisemitismus übernahmen und der staatlichen Judenverfolgung zustimmten oder nicht widerstanden. Seit den 1960er Jahren distanzieren sich viele evangelische Kirchen öffentlich von Luthers judenfeindlichen Aussagen. Ob und wie weit auch seine Theologie zu revidieren ist, wird diskutiert.” Insoweit hielte ich es für notwendig, dies im Zusammenhang mit der Rezession über das Buch von Herrn Mai zu problematisieren. Es sei denn, Herr Mai hat dies in seiner Veröffentlichung getan.
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