In Heidelberg wurde im Rahmen eines Projekts, getragen vom Verein „Impf-Dich“, dem Gesundheitsamt sowie weiteren Partnern wie der der Stadt Heidelberg ein Unterricht für Siebtklässler durchgeführt, der die Impfquote der Kinder steigern sollte. Der Inhalt soll geheim bleiben. Wovor haben die Verantwortlichen Angst?
Der Titel des Projekts lautete: „Evaluation einer Impfaufklärung zur Erreichung einer höheren HPV-Impfquote bei Schulkindern“. Das Konzept: zwei Doppelstunden im Abstand von sechs Monaten. Ziel war es, das Impfverhalten der Jugendlichen zu erfassen und gezielt zu beeinflussen. Dazu wurden auch Impfpässe kontrolliert und der Impfstatus der Schüler dokumentiert und nach einem halben Jahr erneut überprüft – um festzustellen, ob der Unterricht die Impfquote tatsächlich erhöhen konnte (IDA berichtete hier und hier)
Die Unterrichtseinheiten hielten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes oder Medizinstudenten, die sich ehrenamtlich im Verein „Impf-Dich“ engagieren. Im Gewand einer Aufklärungsveranstaltung wurde eine Studie durchgeführt, deren erklärtes Ziel nicht in erster Linie neutrale Information der Kinder, sondern die Steigerung ihrer Impfbereitschaft war.
Entworfen wurde das Projekt unter Federführung des Vereins „Impf-Dich“. Der Vorsitzende des Vereins, Simon Hennes, erklärte in einem Interview mit der Ärztezeitung, dass „wir eben an Schulen gehen und eben junge Menschen ansprechen wollen, da wir sehen, dass da die Meinungen zum Thema Impfungen noch nicht so verfestigt sind, dass sie uns aktiv kritisieren würden oder Impfungen aktiv kritisieren“. Auch Steffen Künzel, einer der Gründer des Vereins, formulierte sein Ziel deutlich: „Impfen ist eine soziale Verantwortung – junge Leute sollten sich dieser sozialen Verantwortung bewusst werden.“
Antrag auf Transparenz abgelehnt
Der Verein „Impf-Dich“ propagiert eine weitgehend unkritische Haltung gegenüber allen Impfungen – obwohl es unter Medizinern und Wissenschaftlern durchaus sehr unterschiedliche und differenzierte Einschätzungen zu Nutzen und Risiken verschiedener Impfstoffe gibt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Unterrichtsprogramm des Vereins die Komplexität des Themas angemessen abbildet, ob den Schülern unterschiedliche Perspektiven vermittelt werden und ob die sensible Umgebung einer Schule – mit den Gefahren von Gruppendruck oder Ausgrenzung, die bei derartigen Projekten entstehen können – ausreichend berücksichtigt wurde.
Wir von der Initiative und Aufklärung (IDA) haben deshalb das Gesundheitsamt, den Verein „Impf-Dich“ und alle beteiligten Institutionen nach den Unterrichtsinhalten und der genauen Durchführung befragt – ohne Erfolg. Das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises in Heidelberg lehnte einen inhaltlichen Austausch mit der Begründung ab, man gehe davon aus, dass IDA nicht an einem „konstruktiven und wissenschaftlich orientierten Diskurs“ interessiert sei, da wir uns bereits kritisch zu dem Projekt geäußert hätten.
Daraufhin stellten wir einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz und forderten die Behörde auf, sämtliche schriftlichen Unterrichtsmaterialien offenzulegen, die im Rahmen der Impfaufklärung an Schulen verwendet werden. Schließlich handelt es sich um amtliche Informationen, deren Veröffentlichung im öffentlichen Interesse liegt – nicht zuletzt, weil das Projekt an öffentlichen Schulen durchgeführt und mit öffentlichen Mitteln finanziert wird.
Auf unseren Antrag reagierte das Gesundheitsamt zunächst überhaupt nicht. Erst nach mehreren Monaten teilte man uns schließlich mit, dass unser Antrag auf Einsicht in die Unterrichtsmaterialien abgelehnt worden sei – ein klarer Verstoß gegen die vorgeschriebenen Fristen.
Nur Schüler sollen das Material sehen dürfen
Dafür sandte man uns Unterlagen zu, die nicht die geforderten Informationen enthielten. Statt uns Einblick in Unterrichtsinhalte, Vortragsfolien oder eingesetzte Fragebögen zu gewähren, erhielten wir lediglich nichtssagende oder bereits öffentlich zugängliche Dokumente – inklusive Impfwerbung –, die keinerlei Rückschlüsse auf Art und Inhalte des Impfunterrichts zulassen.
Die geforderten Unterrichtsmaterialien könne man uns nicht zeigen, so die Begründung des Gesundheitsamts: Es gehe um den Schutz geistigen Eigentums. Die Unterrichtsfolien und Fragebögen seien von Dritten erstellt und „in einer spezifischen Weise“ gestaltet worden – daher könne man sie nicht herausgeben, ohne das Urheberrecht zu verletzen.
Genau diese „spezifische Weise“ ist der Kern unserer Anfrage. Wir wollten uns ja nicht über Impfungen informieren, sondern wissen, was unseren Kindern an einer öffentlichen Schule während der Unterrichtszeit vermittelt wird.
Man erklärt uns also, dass Unterrichtsmaterial, das an öffentlichen Schulen Schülern der siebten Klasse gezeigt wird, vor Erwachsenen geheimgehalten werden soll. Die Impfbereitschaft von 12-Jährigen soll gesteigert werden – und die dafür eingesetzten Unterrichtsinhalte, Vortragsfolien und Fragebögen dürfen Erwachsene nicht einsehen, weil sie angeblich geistiges Eigentum von Dritten seien?
Das Informationsfreiheitsgesetz wird missachtet
Was hat das Gesundheitsamt, was hat der Verein „Impf-Dich“ und die beteiligten Kooperationspartner zu verbergen? Wenn es um die Vermittlung immunologischer Kenntnisse geht, die Schüler in die Lage versetzen sollen, eigenständige Entscheidungen über Impfungen zu treffen, gibt es keinen Grund für Geheimhaltung.
Eine Erklärung für die Ablehnung unserer Anfragen könnte sein, dass man Angst vor unserer Kritik hat. Die Projektverantwortlichen wissen, dass wir in der Lage sind, die eingesetzten Materialien darauf zu prüfen, ob sie sachlich korrekt, altersgerecht und nach wissenschaftlichen Standards aufbereitet sind.
Die Begründungen des Gesundheitsamts für die Ablehnung sind nicht nur vorgeschoben, sie hebeln den Sinn des Informationsfreiheitsgesetzes vollständig aus. Ziel des Gesetzes war es, den Bürgerinnen und Bürgern Einblick in amtliche Informationen zu gewähren und staatliches Handeln nachvollziehbar zu machen. Wenn der angebliche Schutz geistigen Eigentums Vorrang vor dem Recht von Eltern und Bürgern bekommt, Einsicht in die Arbeit an öffentlichen Schulen zu erhalten, droht die Schule zu einer Stätte staatlicher – und staatlich geförderter – Indoktrination zu werden.
Wenn Vereine oder Gruppierungen die Schule nutzen dürfen, um geheime Inhalte, Projekte oder Experimente mit den Kindern durchzuführen, ist die Schule kein geschützter Raum mehr. Für Kinder und Eltern ist es entscheidend, dass das Vertrauen in Schulen nicht missbraucht und durch solche Projekte dauerhaft geschädigt wird.
Verzögerung und Blockade
Auch das Vertrauen in Behörden nimmt durch derartige Vorgänge erheblichen Schaden. Natürlich legten wir gegen die Ablehnung unseres Antrags beim Gesundheitsamt Widerspruch ein – und wieder geschah zunächst nichts. Erst nach drei weiteren Monaten – zufälligerweise genau 24 Stunden bevor ein kritischer Kommentar von uns zum Thema im Heidelberger Stadtblatt erscheinen sollte – erhielten wir erstmals eine E-Mail vom Gesundheitsamt. Offenbar erinnerte man sich nun daran, dass wir auch per E-Mail erreichbar sind. Darin teilte man uns lediglich mit, dass über unseren Widerspruch „bald“ entschieden werden solle. Im September wurde erwartungsgemäß auch unser Widerspruch abgelehnt.
Die vom Gesundheitsamt verursachten Verzögerungen hatten zur Folge, dass unsere Anfragen und Widersprüche während der gesamten Dauer des Schulprojekts unbeantwortet blieben. So konnten das Gesundheitsamt und der Verein „Impf-Dich“ ihr über ein halbes Jahr angelegtes Projekt an Heidelberger Schulen vollständig durchführen, ohne dass wir Einblick in die Inhalte oder die Art der Durchführung hatten.
Dennoch ist es wichtig, auch im Nachhinein offen zu legen, was an Heidelberger Schulen im Impfunterricht tatsächlich geschah. Je mehr versucht wird, ein Geheimnis daraus zu machen, desto wichtiger ist es, dass es kein Geheimnis bleibt.
Transparenz und Kontrolle sind nicht freiwillig
Es geht in diesem Fall nicht darum, ob man Impfungen kritisch oder unkritisch bewertet – und auch nicht darum, ob externe Vereine oder Institutionen grundsätzlich Unterricht an Schulen durchführen dürfen. Entscheidend ist vielmehr die Frage: Darf ein solcher Unterricht geheim bleiben? Müssen nicht vielmehr alle, die in unseren öffentlichen Schulen unterrichten wollen, sich der Transparenz verpflichten und sich einer öffentlichen Kontrolle stellen?
Es ist nicht hinnehmbar, dass Behörden oder Vereine an Schulen Projekte umsetzen, die eindeutig auf die Verhaltenssteuerung der Schüler abzielen, Experimente beinhalten, deren Umfang, Durchführung und mögliche Konsequenzen nicht offengelegt werden, und deren Inhalte Eltern, Schülern und der Öffentlichkeit verborgen bleiben.
Wenn Gruppierungen, Vereine oder Behörden die Schule in einer Weise nutzen, die das Vertrauen der Schüler ausnutzt, indem sie ihre eigenen Vorstellungen von richtigem Verhalten verbreiten und dabei die Autorität der Schule instrumentalisieren, müssen wir als mündige Bürger klar dagegenhalten.
Transparenz, öffentliche Kontrolle und die Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung sind keine freiwilligen Leistungen, die eine Behörde wie das Gesundheitsamt anbieten kann, wann es ihr passt. Sie sind unverhandelbare Voraussetzungen, um unsere freiheitliche Grundordnung und unseren Rechtsstaat zu schützen.
Wer diese Voraussetzungen nicht versteht, sollte weder in Behörden noch in schulischen Fragen Entscheidungen treffen dürfen.
Dr. Kay Klapproth ist Immunologe und lebt in Heidelberg.
Quellen:
1) Impfpasskontrollen an der Schule – Manipulation statt Aufklärung
2) Impfpasskontrolle an Schulen – Offener Brief an alle Schulleitungen in Heidelberg
3) Impf Dich
4) Impfaufklärung im Klassenzimmer – wieso lohnt sich das, Simon Hennes?