Bis August 2017 habe ich in Bad Godesberg gelebt. Meine Tochter ging auf ein Gymnasium mit ungefähr 75% in ihrer Klasse. Als im Ethikunterricht Religionen in Gruppen behandelt werden sollten, weigerten sich die Zwölfjärigen das Judentum zu behandeln. Diese Religion sei langweilig und blöd. Meiner Tochter musste ich erzählen, dass sie ihre Religion verheimlichen soll. Es gab so viel Gewalt an der Schule.. Mir kann niemand erzählen, dass der Antisemitismus nicht geduldet wird; ich habe ihn als ansteigend empfunden. Und nein, der Anstieg kam nicht von rechts.
Vielen Dank, Frau Schunke, für diesen Artikel, der mir aus der Seele spricht. Ich hatte genau dasselbe Gefühl wie Sie. Während der ganzen Sendung von Frau Will habe ich mit zunehmender Ungeduld darauf gewartet, dass jemand endlich ausspricht, dass es nicht vornehmlich “die Deutschen” sind, vor denen sich die hier lebenden Juden fürchten müssen, sondern dass es die Judenfeindschaft unter vielen Muslimen hierzulande ist. Von Prof. Schoeps hatte ich dies eigentlich erwartet. Nur der Vater des gemobbten Jungen hat schließlich diesen Tatbestand fast verschämt erwähnt. Man ging dann, vor allem Frau Sawsan Chebli und Frau Will, leicht darüber hinweg. Dabei ist das der springende Punkt bei der Frage, ob es “in Deutschland” wieder Antisemitismus gibt, wobei stillschweigend unterstellt wird, dass es die ethnischen Deutschen sind, die zum Nazismus zurückkehren. Anhänger der AfD werden dabei kurzerhand mit “Nazis” (inzwischen ein inflationär gebrauchter Modebegriff) gleichgesetzt, wie es die politisch korrekte Mode will. Kürzlich sprach ich mit einem etwa 30-jährigen sympathischen und intelligenten Syrer, Flüchtling, über den Nahen Osten. Als ich ihn nach seiner Meinung zu Israel fragte, meinte er: “Israel gibt es nicht. Das ist alles Palästina.” Leider reichten seine Deutschkenntnisse nicht aus, um tiefer in das Thema einzudringen. Wir wissen zuwenig, was unter Türken, Arabern und anderen, seien sie schon länger hier oder als Flüchtlinge gekommen, über Israel und die Juden überhaupt gedacht , gesprochen und in den einschlägigen Medien publiziert wird. Fehlende Sprachkenntnisse verhindern das. Das wäre doch mal eine lohnende Forschungsfrage für die Sozialwissenschaften, für die es Mut und Sprachkenntnisse bedürfte.
Erschütternd an alledem ist doch, dass es möglich ist, kollektive Schuldzuweisungen allen Ernstes in einer solchen Sendung zu verbreiten. Natürlich sind “wir Deutsche” das “Tätervolk”, weil aus unserer Kultur, unserer Geschichte, unserem Land die Täter kamen. Das führt notwendig dazu, kollektiv Verantwortung zu übernehmen, das “Nie wieder” ernst zu nehmen - und zu einer ganzen Reihe von sehr schwierigen Problemen, die - jedenfalls - mit “Gegen-Propaganda” nicht zu lösen sind. Im Gegenteil: der Antisemitismus der späten 30er Jahren war ja eine Folge der NS-Propaganda, bis dahin waren nur ganz wenige “Deutsche” antisemitisch oder antijüdisch eingestellt und hielten insbesondere die Juden nicht für eine “Rasse” (was ja auch absurd zu nennen noch untertrieben ist). Der Judenhass in Deutschland ist derzeit eindeutig vermehrt in 2 Gruppen anzufinden: Bei den “linken” Israel-Kritikern und bei den Salafisten und leider auch in weiten Teilen gemäßigter, nicht nur religiöser Muslime. Im “Rest” der Bevölkerung ist der Antisemitismus, sofern er sich nicht als Hass auf “Konzerne” “Kapital” “Fonds” “Globalisierung” “Gentechnik” usw. tarnt oder damit identisch ist, ausgestorben - und zwar mit denen, deren Gehirne in der NS-Zeit manipuliert worden sind und nun 1,5 Meter unter der Erde hausen. Das ist für mich, Jahrgang 67, ohne jede Frage so, habe ich doch selbst miterlebt. Die Generation rassisch motiverter Judenhasser ist einfach tot. Was jetzt noch antisemitisch auftritt, sind fast ausschließlich Linke und Muslime, von den paar “Glatzen” mal abgesehen, die irrelevant sind.
Sinnvoll wäre Dinge so zu betrachten, wie sie sind und nicht wie sie unter vorurteilsbehafteter Betrachtung zu sein haben. Sich zu fragen, wer betreibt antisemitische Agitation und mit welchem Ziel tut er das. Gibt es wirklich sich erfolgversprechende, rechtsradikale Gruppierungen, die aktuell Judenhass verbreiten möchten? Sind diese Gruppierungen, wenn es sie wirklich gibt, nicht mit einem ganz anderen Feindbild beschäftigt? Ist diese Frage mit Ja zu beantworten, wer hätte dann Interesse daran, die Behauptung eines „deutschen“, rechtsradikalen Antisemitismus in die Welt zu setzen und warum tut er das? Will er von einer viel zutreffenderen Tatsachen ablenken und wenn Ja, warum tut er das? Wir sollten Dinge betrachten, wie wir sie beobachten und nicht einer bequemen Gedankenvorlage folgen. Verlassen wir uns doch auf unseren Verstand und vertrauen wir unserer Wahrnehmung.
ich habe mal an einer französischen Uni unterrichtet und einer meiner jüdischen Studenten fragte mich, ob ich glaubte, dass Juden in Paris sicher sind. Mein Antwort: ich glaube schon. Damals war es normal, chassidische Juden in vollem Wichs an einem Pulk von Salafisten (ebenfalls in Uniform) vorbeiradeln zu sehen. Der muslimische Mini-Supermarkt gegenüber hatte eine koschere Ecke, mit tollen Weinen aus Israel. Heute sieht das anders aus, weil die Muslime inzwischen eine kritische Masse erreicht haben und Juden nicht mehr dulden. Mein Student (und viele andere) sind ausgewandert - die meisten in die USA. Die tauchen in keiner Statistik aus, weil sie sich nicht abmelden und ohnehin oft zwei Pässe haben.
Ich wiederhole mich: erneut messerscharf - nein intellektuell grossartig - analysiert. Werden Sie in „Talk Shows“ eingeladen?
Die aktuelle “Masche”, die die Medien verkaufen, scheinen jetzt “KZ-Besuche” zu sein. Das ist wieder einmal die übliche Masche: Wenn man ein Problem gar nicht mehr leugnen kann, wird irgendeine Schein-“Lösung” aus dem Hut gezaubert: “Die wird jetzt ganz sicher das Problem lösen.” Und man kann die Leute auf später vertrösten: “Seht her, wir tun was. Ihr müsst nur etwas Geduld haben.” In ein paar Jahren macht man dann eine Statistik, die wieder alles wegzaubert. Irgendwann wird das dann auch nicht mehr funktionieren. Bis dahin sind aber neue Politiker an der Macht. Die können sagen: “Ich habe damit nichts zu tun. Aber ich habe jetzt ganz sicher die Super-Duper-Lösung.” Außerdem haben sich die Leute an die veränderten Lebenverhältnisse gewöhnt.
Wenn man bei Menschen (Deutsche wie Nichtdeutsche), die Antisemitisches absondern, lange genug bohrt, wird am Ende IMMER das Argument vorgebracht, dass Juden sich als ausgewähltes Volk begreifen und man selbst damit zurückgesetzt wird. An dieser Stelle muss die Diskussion beginnen.
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