Hannes Stein / 13.01.2007 / 20:48 / 0 / Seite ausdrucken

Gefolterte Terroristen

WEISSE FOLTER – kann noch jemand etwas mit diesem Begriff anfangen?
In den siebziger Jahren wusste jeder radikale Linke, aber auch mancher Linksliberale: Die Gefangenen der RAF wurden in Stammheim schwer misshandelt, nach neuesten, ausgeklügelten Methoden. Naturgemäß erschien dabei die Assoziation “Holocaust” niemandem weit hergeholt. Der niederländische Psychiater Sjef Teuns etwa widersprach 1973 all jenen, die “es heute noch schwierig (finden), die Isolationsfolter, wie sie gegen Politische Gefangene in der BRD angewendet wird, als den tendenziellen Massenmord á la Auschwitz zu begreifen, der sie ist”. Es hieß, dass an den RAF-Terroristen Methoden angewandt würden, die man in “Weltraumexperimenten” ausprobiert hätte: “Bereits nach wenigen Minuten stellen sich panikartige Halluzinationen ein. Nach etwa 6-8 Minuten schließlich kam es zu derartig extremen Angstzuständen, dass der gesamte Hormonhaushalt des Organismus durcheinandergeriet. Nach 10-15 Minuten schließlich musste man den Versuch abbrechen, weil sich das Blut aufzulösen begann.”
Ein kanonischer Text, der die Existenz der WEISSEN FOLTER jenseits aller Zweifel belegte, stammte von Ulrike Meinhof. Sie schilderte ihre ersten Monate im “toten Trakt” des Kölner Gefängnisses wie folgt: “... das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) – das Gefühl, man stünde unterbrochen, unmerklich unter Strom, man würde ferngesteuert, das Gefühl, man pisste sich die Seele aus dem Leib, als wenn man das Wasser nicht halten kann – das Gefühl, die Zelle fährt ... Rasende Aggressivität, für die es kein ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewusstsein, dass man keine Überlebenschance hat; völliges scheitern, das zu vermitteln ...”
Jeder, der damals gewagt hätte, dies als Ausdruck nervlicher Überspanntheit abzutun, wäre umgehend aus den linksliberalen Salons gewiesen worden. Karl Markus Michel, Herausgeber von Enzensbergers “Kursbuch” – den ich als klugen, ironischen und gebildeten Menschen in Erinnerung habe – schrieb damals in vollem Ernst: In der Bundesrepublik werde ein “Modell für die Behandlung von `Staatsfeinden´ geschaffen”, wobei nicht mehr altertümliche körperliche Foltermethoden, sondern eben die klinische WEISSE FOLTER, die Isolationshaft, zum Einsatz komme: “Sie ist das effektivere Mittel.”
(All diese Zitate entnehme ich Gerd Koenens Buch “Das rote Jahrzehnt”, das ich dieser Tage mit ein paar Jahren Verspätung gelesen habe. Koenen war in einer früheren Inkarnation mal Maoist, und er nimmt seine Leser auf einen phantastischen Trip durch den Alltag der linken Sekten im Deutschland der siebziger Jahre mit – großartig.)
Was war dran an der WEISSEN FOLTER? Kurz und knapp gesprochen: nichts. Die RAF-Terroristen waren gegenüber den normalen, den “kriminellen” Häftlingen ungeheuer privilegiert. Herr Baader zeugte im Knast sogar ein Kind. Die Wärter hatten allesamt Angst vor diesen Gefangenen. Wie Stefan Aust meldet, legten sie eine kleine Bibliothek an, mit Titeln wie “Deutsches Waffenjournal”, “Funktechnik”, “Lehrmeister des kleinen Krieges” usw. WENN es Folter gab, dann richtete sie sich von seiten Andreas Baaders und Gudrun Ensslins gegen Ulrike Meinhof, die in Kassibern fertiggemacht wurde, weil sie sich nur um ihre “Fotzenbedürfnisse” kümmerte (ich bitte, mir die Sprache nachzusehen, es ist nicht die meine): Gemeint war damit ungefähr, dass sie sich nicht gänzlich dem Gruppenzwang unterwarf.
Ein Lump, wer jetzt an den “Gulag unserer Tage” denkt. Schließlich gibt es verstörende Berichte, wonach die politischen Gefangenen des US-Imperialismus auf Guantanamo Bay mit nackten Brüsten und israelischen Flaggen misshandelt werden. 
 

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