Simon Akstinat / 03.02.2022 / 06:15 / Foto: TechCrunch / 132 / Seite ausdrucken

Gefährlich frei: Der Telegram-Gründer Pawel Durow

Ein in Italien aufgewachsener Russe mit offiziellem Sitz in Dubai: Der Internet-Milliardär Durow ist als digitaler Nomade schwer zu fassen.

„Wir können in Deutschland nicht akzeptieren, dass irgendein russischer Gründer-Milliardär definiert, was Meinungsfreiheit ist“, polterte ebenso wütend wie hilflos Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Ganz investigativ wollten deutsche Journalisten eben jenem geheimnisvollen Milliardär nachspüren, flogen nach Dubai, nur um dort eine verschlossene Bürotür zu fotografieren. Offenbar hat Pawel Durow Besseres zu tun, als seine ganze Zeit im langweiligen Dubai (nicht mal der dortige „arabische Basar“ ist echt) zu verbringen.

Telegram, die Firma des Unauffindbaren, verkündet stolz, noch nie in ihrer Geschichte auch nur einen Byte Nutzerdaten an Behörden gegeben zu haben. Außerdem pocht Telegram auf ein Maximum an Meinungsfreiheit. Kein Wunder, dass diese Geschäftspraktiken zahlreiche Politiker von Putin über Lukaschenko bis hin zur deutschen Innenministerin Faeser in Rage versetzen.

Doch wer ist der gelegentlich als „russischer Mark Zuckerberg“ bezeichnete Pawel Durow eigentlich?

Schon reich vor Telegram

Ein schwerreicher Mann war der 37-Jährige offenbar schon, bevor er 2013 den Nachrichten-Dienst Telegram gründete – denn schon 2006 hatte der 1984 in Leningrad geborene Unternehmer zusammen mit seinem Bruder „VKontakte“ (VK), das russische Pendant zu Facebook, gegründet.

Durow verbrachte einen Großteil seiner frühen Jugend im italienischen Turin, wo sein Vater Waleri arbeitete. Nach der Grundschule besuchte er in Sankt Petersburg das Gymnasium und studierte an der dortigen Universität.

Als sich nach den Parlamentswahlen in Russland 2011 tausende Demonstranten in Moskau und anderen Großstädten Russlands zu Protestmärschen versammelten, hatten sich zahlreiche Teilnehmer über VK zu Kundgebungen verabredet. Als der russische Geheimdienst Pawel Durow aufforderte, VK-Gruppen der Oppositionellen zu schließen, weigerte sich der damals 27-Jährige einfach.

Im Mai 2012 sorgte Durow für einen Menschenauflauf, als er zusammen mit Kollegen Papierflieger aus 5000-Rubel-Geldscheinen (im damaligen Wert von etwa 124 Euro) aus dem Fenster seines Unternehmens warf. In diesem Jahr 2012 hatte er offenbar noch Hoffnung für seine Heimat Russland: Er veröffentlichte ein Manifest im russischen Magazin „Afisha“, in dem er 10 „Gebote“ für Russland niederschrieb, mit deren Hilfe es zum „führenden Land des 21. Jahrhunderts“ werden könne. Im darauffolgenden Jahr lud er den amerikanischen Geheimdienst-Überläufer Edward Snowden – der mittlerweile Asyl in Russland genießt – ein, für ihn zu arbeiten. Und im Sommer desselben Jahres gründete er schließlich Telegram, einen direkten Konkurrenten zum 2009 gegründeten und 2014 von Mark Zuckerberg übernommenen WhatsApp.

2014 sollte das Jahr werden, in dem Durows Geduldsfaden mit seiner eigenen Heimat riss: Im Januar verkaufte er seinen Geschäftsanteil an vk.com, blieb aber Direktor des Unternehmens. In dieser Rolle legte sich der freiheitsliebende Geschäftsmann erneut mit dem Staat an: Der Kreml forderte ihn dazu auf, die Seite des Regierungskritikers Alexei Nawalny zu sperren und die dort stattfindende Planung politischer Proteste zu unterbinden. Doch Durow weigerte sich, der Forderung nachzukommen und veröffentlichte die betreffenden Dokumente stattdessen auf seinem VK-Profil.

Hausdurchsuchung

Am 16. April 2014 wurden die Unternehmenszentrale am Newski-Prospekt sowie seine Wohnung durchsucht und ein Server beschlagnahmt. Durow trat als Direktor von vk.com zurück und verließ nicht nur das Unternehmen, sondern gleich ganz das Land. Er gab an, nicht die Absicht zu haben, wieder zurückzukehren.

Heute leben er und seine Kollegen als „Digitale Nomaden“, die sich auf keinen dauerhaften Wohnsitz festlegen wollen. Als digitale Nomaden sind sie auch für den Fall gerüstet, dass sie möglicherweise eines Tages das Wohlwollen der Herrscher in Dubai verlieren, und ihren Firmensitz schnell und unkompliziert verlegen müssen. Durch seine Milliarden und seine Mobilität hat er sich eine Unabhängigkeit geschaffen, die es ihm erlaubt, bei Regierungen wie z.B. der deutschen nicht klein beigeben zu müssen. Als besondere „Notausgänge“ hat Durow außerdem neben seiner russischen Staatsbürgerschaft auch noch jene von Frankreich und dem karibischen Inselparadies St. Kitts und Nevis in der Tasche.

Es ist zu bezweifeln, dass dieser Mann, der schon vor Putin nicht einknickte, nun vor deutschen Politikern kuschen wird, die die Ausfälle und Gewaltaufrufe einzelner Proleten als Vorwand benutzen wollen, die zensurfreie Plattform als Ganzes abzuschalten. Unter demselben Vorwand könnte man auch die Post verbieten, weil über sie Drohbriefe verschickt werden – oder gar das ganze Internet an sich wegen der vielen gehässigen Kommentare und Gewaltwünsche, die dort immer wieder ausgebreitet werden.

Das BKA bittet

Wie hilflos die deutschen Behörden sind, denen es offenbar weniger um vereinzelte Gewaltaufrufe als vielmehr um die Unterbindung ihnen nicht genehmer (über Telegram organisierten) Demonstrationen geht, erkennt man daran, dass das BKA jetzt mit „Lösch-Bitten“ im deutschsprachigen Telegram agieren will. Das BKA, diese Behörde, die sonst Verhaftungen in die Wege leitet, will bitten!

Der Druck auf Durow bleibt also überschaubar – und so hat er weiterhin Zeit für seinen normalen, etwas asketischen Tagesablauf: Er trinkt keinen Alkohol und keinen Kaffee, er raucht nicht, isst kein Fleisch und trainiert jeden Tag.

Foto: TechCrunch CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Victor Kleinpeter / 03.02.2022

@S. Seidl “Wer immer noch auf Zuckerberg, Gates, Google, Facebook und YT setzt, setzt auf das falsche Pferd. Es gibt mittlerweile für das alles bessere Alternativen: Telegram, Odysee, Gettr um nur drei zu nennen.”: Wenn man breites Publikum haben will, kommt man um die Großen nicht herum und muss sich mit der Schere im Kopf abfinden. Warum veröffentlicht man wohl Videos auf Youtube statt auf einer stinknormalen Webseite? Weil die Leute nur da suchen, und weil viele eine Flatrate für Youtube haben. Die wenigen, die tatsächlich Geld durch Werbung kriegen und die vielen, die einfach nichts anderes kennen, gibt es natürlich auch.

Ilona Grimm / 03.02.2022

@A.Ostrovsky: Sind Sie neidisch auf meine schlanke Taille? - - - Wer Kaffee aus Kapseln zu sich nimmt, ist definitiv kein Genussmensch.  Ich esse ja auch keine plastifizierte Schokolade.

Tobias Schlüter / 03.02.2022

@T. Schneegaß Besten Dank. Da hatte ich auch schon entsprechend recherchiert. Leider ist iOS so “abgesichert”, dass man Apps nur aus dem Appstore installieren kann. Möglich wäre es wohl mit einem “Jailbreak”-iphone, aber solange es die Browser-Option gibt, nehme ich erst mal diese.

kristina bode / 03.02.2022

Mmmmh ja und er ist Mitglied beim WEF (World Economic Forum). Telegramm ist weder frei noch alternativ, sondern ein Honeypot, um den Widerstand zu bündeln. PS: Milliardär wird man auch nicht, weil man ein netter Mensch ist, sondern weil man Charakterzüge mitbringt, die einen nach ganz oben bringen. Und würde man mit den anderen Globalisten nicht gemeinsame Sache machen, würde man kein Milliardär werden. So einfach ist das. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Steffen Lindner / 03.02.2022

Was immer im Dunkeln bleibt, ist die Antwort auf die Frage, womit denn Menschen wie Herr Durow tatsächlich ihre Milliarden verdienen. Datenhandel? Abgesehen davon sind mir Menschen ohne übliche Laster( Alkohol, Rauchen , Sex?) , die nur Wasser trinken   und Sport treiben irgendwie suspekt.

A. Ostrovsky / 03.02.2022

@Ilona Grimm : “Auch ich trinke auch weder Alkohol noch Kaffee – aus dem schlichten Grund, weil mein Magen beides nicht verträgt und ich schon den Geruch von Kaffee verabscheue.” Es gibt immer wieder sonderbare Gründe, die angeführt werden, um die Hinterziehung der Genussmittelsteuern zu bagatellisieren. Ich hoffe doch, Sie zahlen dann wenigstend den Rundfunkbeitrag und die EGG. Sie müssen auch sehr einsam sein, wenn Sie keinen Kaffee-Kapsel-Vollautomaten in der Küche haben. Ein Leben ohne Kaffee-Kapsel-Vollautomat ist möglich, aber sinnlos.

Arthur Erhardt / 03.02.2022

@Tobias Schlüter: Wer ein Produkt der kalifornischen Obstfirma verwendet kann da leider kaum sinnvoll den Konzernvorgaben entgehen. Für alle anderen, etwa Android, Windows, Linux, gilt: Man kann die Anwendung direkt von telegram.org herunterladen und installieren. Bei Android muss man dazu ggf. in den Einstellungen andere Quellen als den google p(l)ay store erlauben. Die so installierte Anwendung enthält bisher keine Zensur-Infrastruktur, wobei es denkbar ist, daß diese in das Android Betriebssystem eingebaut wird. Um dem zu entgehen müsste man dann das Android Endgerät etwa mit LineageOS as alternativem Betriebssystem betreiben. Ein Freund, der ebenfalls mit IT sein Geld verdient tut das genau so, wobei das Mobilgerät per VPN mit einem (derzeit noch in Deutschland stehenden) Wireguard Server verbunden ist. Eine Auslagerung des Servers ins Ausland ist notfalls in wenigen Minuten bewerkstelligt, dann muss die liebe Führung schon eine great Firewall of Almanistan implementieren, um da noch im Weg sein zu können. Angesichts der Tatsache, daß das für die liebe Führung alles Neuland ist habe ich die Hoffnung, daß die das erst schaffen wenn sie nicht mehr regieren.

A. Ostrovsky / 03.02.2022

Ich warne! Durow-Plast emittiert Gerüche. Das Gehäuse vom “Volksempfänger 301W” (Goebbels-Schnauze) war aus Durow-Plast. Das brannte mit giftgrüner Flamme. Manche verwechseln Dorow-Plast mit Bakelit, obwohl es fast das gleiche ist.

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