Karl Pfeifer / 28.02.2008 / 21:58 / 0 / Seite ausdrucken

Gedanken zu einer Einladung

Ich habe mich mein Lebtag geschämt, ein Österreicher zu sein, und nie mich dieser Scham geschämt, wissend, daß sie der bessere Patriotismus sei.[1]
Karl Kraus

Der Wiener Landtag und Gemeinderat hält am Montag, dem 10. März 2008 eine Gedenksitzung „im Gedenken an die Ereignisse im März 1938, die zum Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland geführt haben, und besonders im Gedenken an jene Wienerinnen und Wiener, die Opfer des faschistischen Terrors, aber auch des Krieges wurden“. Nun wurden diese WienerInnen Opfer des nationalsozialistischen Terrors, aber das Wort Nationalsozialismus kommt nicht über manche Lippen, vielleicht weil doch damals aus vielen Proletariern Arier und aus einigen Sozialisten Nationalsozialisten beziehungsweise deren Helfer geworden sind…

Worte des Gedenkens werden ein Mitglied der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten, der Vorsitzende des Volksgruppenbeirates der Roma, eine Überlebende des Frauen-KZ-Ravensbrück und der Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien sowie der Vorsitzende des Wiener Gemeinderates halten. Alles ehrenwerte Menschen.
Wer daran denkt, dass die meisten Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns in Wien Juden waren und das auch diese verdienten, ein Wort des Gedenkens zu sagen, der hat sich geirrt.

Da auch viele Täter Opfer des Krieges wurden, kann man wohl ruhigen Gewissens behaupten, die Stadt Wien will auch damit den Unterschied zwischen Opfern und Tätern einebnen, denn Österreicher sind wir doch alle. Und auch die Täter wollten keinen Weltkrieg provozieren, wie bereits Staatskanzler Dr. Karl Renner in einer Kabinettsratssitzung am 29. August 1945 erklärte: „Ich finde, dass wir in Bezug auf die Behandlung des Naziproblems in eine kritische Situation kommen…. aber die Sache ist nach meinem Gefühl doch so, dass alle diese kleinen Beamten, diese kleinen Bürger und Geschäftsleute bei dem seinerzeitigen Anschluß an die Nazi gar nicht weittragende Absichten gehabt haben – höchstens, dass man den Juden etwas tut – vor allem aber nicht daran gedacht haben, einen Weltkrieg zu provozieren.“ [2]

Und so wird der Wiener Landtag auch derer andächtig gedenken, die höchstens den Juden etwas getan haben, wie das der Gründer der ersten und der zweiten Republik so treffend ausdrückte.
Und wer in solch einer Stunde vielleicht auch die vernachlässigten jüdischen Friedhöfe erwähnen könnte, ist bei solch einer Gedenkfeier nicht erwünscht.

1) [Die Fackel: Nr. 554-556, 11.1920, 22. Jg.. DB Sonderband: Die Fackel 1899-1936, S. 24083
(vgl. Fackel Nr. 554-556, S. 2)]

2)  „Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen“ Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945-52 über die Entschädigung der Juden, Hgb. Robert Knight, 1988, Seite 114

http://www.adf-berlin.de/wbb2/thread.php?postid=28388
http://www.juedische.at/TCgi/_v2/TCgi.cgi?target=home&Param_Kat=33&Param_RB=45&Param_Red=9392

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