Während sich am Wochenende in der Hauptstadt wiederholt rund 60.000 „Free-Palestine“-Aktivisten auf einer Demo ereiferten, reicht ein Ausflug von Berlin nach Potsdam, um alles zu erfahren, was in diesem Land schiefläuft.
Massenveranstaltungen sind mir ein Greuel, ob in Fußballstadien, auf Kirchentagen oder auf „Demos“. Selbst wenn die Organisatoren der – je nach Perspektive – auf 60.000 bis 100.000 Teilnehmer („Teilnehmende“) geschätzten Demonstration politisch zweifelsfreie und realpolitisch praktikable Konzepte zur Beendigung des Gazakrieges und einer friedlichen Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes hätten vorlegen können, hätte ich mich von dem Spektakel ferngehalten. Welche/r der betreffenden Parteien/Organisationen/NGOs und ihrer Führungsfiguren/Strippenziehern verfügt – sofern von lauteren Absichten inspiriert – über die Machtmittel, um die Hamas zur Freilassung der Geiseln (samt Anerkennung Israels) beziehungsweise Netanjahu zur Akzeptanz einer „gerechten“ Zwei-Staaten-Lösung zu bewegen? Gut gemeint ist nicht immer gut gedacht.
Statt eines Klaustrophobie erzeugenden Massenevents bevorzuge ich an dem strahlenden Herbsttag ein bürgerliches Bildungserlebnis im Potsdamer Palais Barberini, dem von Hasso Plattner gestifteten Museum, bevor dort eine Ausstellung zum Gedenken des Impressionisten Camille Pissarro, hierzulande weniger bekannt als Claude Monet oder Auguste Renoir, zu Ende geht. Aus ökologischer Verantwortung – und/oder wegen der knappen und kostspieligen Parkplätze im Stadtzentrum – gilt es die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Nach wenigen Minuten in der S-Bahn kommt die Durchsage, wegen eines Notfalleinsatzes (?) sei die Strecke zwischen Botanischem Garten und Zehlendorf dauerhaft unterbrochen. Der schräg über den Sitzen schlafende Obdachlose, Barfüßer in zerlumpten Pantoffeln, ist von der Ansage nicht betroffen. Also Fußmarsch zur Bushaltestelle. Am S-Bahnhof Zehlendorf weist ein Bediensteter den Zugang zum immerhin intakten Aufzug. Keine weiteren Zwischenfälle auf der Strecke bis Wannsee, sodann Wannsee bis Potsdam-Hauptbahnhof.
In dem als hochmodern gepriesenen Bahnhof der Landeshauptstadt durchquert der Besucher hin zum Ausgang „Landtag“ (im wiedererrichteten Stadtschloss, merke: Ceci n´est past un château) eine unendliche Passage von Imbissständen und Discounter-Läden, durchzogen vom Mief der Fastfood-Kulinarik. Wie können die „Mitarbeitenden“ in derlei Umgebung einen Achtstundentag durchhalten?
„Graffiti“ an beliebigen Baulichkeiten
Für die Rückfahrt nutzen wir den Haupteingang. Die S-Bahn kommt fahrplangemäß. Danach die Durchsage: „Wegen Gegenstände (sic!) auf der Strecke fahren die Züge nur unregelmäßig.“ Noch mal Glück gehabt. Entlang der Strecke folgt der Blick der unendlichen Serie von „Graffiti“ an beliebigen Baulichkeiten (Wohnhäusern, Fabrik- oder Lagerhallen, Brückenpfeiler). Von besonderem Reiz ist die zu zwei Dritteln mit glitzernd grauer Farbe besprühte Wand eines erst jüngst mit ockerfarbenem Klinker verkleideten Gebäude der Bahn. Darüber in Schwarz die „linke“ Kampfparole ACAB.
Ankunft am S-Bahnhof Steglitz. Mit dem Aufzug, nur mäßig verkratzt, unten angekommen, befinden wir uns in einem offenbar zweckfrei umzäunten Baulabyrinth unter dem „Steglitzer Kreisel“, hoch aufragendes Wahrzeichen jahrzehntelanger Fehlpanung, Ineffizienz und Spekulation. Die Haltestelle an dem nach Hermann Ehlers, Nazi-Gegner und zweiter Präsident des Bundestages, benannten Platz bietet das – längst nicht mehr nur berlintypische – Bild: Dreck, auf einem Telekom-Verteiler (rückseits beschmiert) mehrfach überklebte Plakate mit Aufrufen zu einer Klima-Demo von „Fridays for Future“. Die in der überdachten Haltestelle sitzende Neubürgerin aus der Sahelzone – mit sozialstaatsbilisierendem Baby im Kinderewagen, fühlt sich von der Klimakrise nicht betroffen. In der Mitte des Platzes, am späten Abend auch Umschlagplatz für Drogen, steht eine Säule zum Gedenken der Opfer des Nazi-Regimes. Immerhin, der Bus hat nur ein paar Minuten Verspätung.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Herbert Ammons Blog.
Herbert Ammon, geb. 1943 in Brieg (Schlesien), ist ein deutscher Publizist, Historiker, Studienrat a.D. Er engagierte sich in den 1980ern in der damaligen Friedensbewegung, u.a. als Repräsentant des „Offenen Briefes“ des DDR-Regimekritikers Robert Havemann an den sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew. 1981 zusammen mit Peter Brandt Herausgeber des Buches „Die Linke und die nationale Frage“. Mitgründer und Mitglied im Kuratorium der Deutschen Gesellschaft e.V. zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa.
Beitragsbild: Ansgar Koreng / CC BY 3.0 (DE), CC BY 3.0 de, via Wikimedia Commons

"...reicht ein Ausflug von Berlin nach Potsdam, um alles zu erfahren, was in diesem Land schiefläuft." Ach, dafür muss ich nirgends hinfahren. Es reicht ein Blick in die Gesichter "unsererDemokraten", und sie müssen noch nicht einmal sprechen... ähm... ich meine: ihrem Munde Worte entfleuchen lassen.
@ janblank : So ist es. Mir scheint , dass das shithole eine Art Menschenzoo darstellt, in dem gezeigt wird oder werden soll, was prozesshaft mit Menschen bzw einer grossen Zahl an Menschen unter bestimmten Umständen und Bedingungen passiert. Früher brauchte man dazu künstlich hergestellte Experimente im kleinen Rahmen , um das angeregte Verhalten der hominiden zu beobachten. Heute finden diese in den Metropolen und Grossstaedten , allen voran Berlin, aber andere folgen, kultur - und bioevolutioär gefördert statt. Zur freudigen Erregung von restpietistischen Besuchern aus BW z.B., die hier natürlich nur für eine kurze Zeit und vermutlich ohne selbst tiefer einzusteigen, mit Erscheinungen konfrontiert werden, die Calvin rotieren liessen. Finanziert nicht über einen Eintritt , sondern kollektiv qua " Finanzausgleich" . Offenbar haelt man den Preis für dieses Entertaiment für angemessen. Solange es nicht in die bürgerlichen Speckgürtel in BW überschwappt, aber dagegen gibt es ja noch Meister Palmer.
Und woher kommt's? Einmal Shi..hole immer Shi...hole! und keinen interessiert es, wie eine ganze Stadt vergammelt. Auf einem Verteilerkasten prangt die Aufschrift: Plakate ankleben verboten. Den Schriftzug kann man vor lauter Plakaten kaum noch lesen. Konsequenzen? Natürlich keine, obwohl man die Plakatkleber und Wändebeschmierer schon fassen könnte. Wäre aber zu viel Arbeit und die Bewohner interessiert es anscheinend auch nicht. Ich war in Singapur und habe große Augen gemacht: Eine Millionenstadt und sauber bis auf den letzten Quadratcentimeter. Wie das geht? Nun, wenn ich für eine weggeschnippte Zigarettenkippe oder ein weggeworfenes Stückchen Papier 100 $ zahlen muss, wenn ich erwischt werde - und in Singapur wird man erwischt - dann überlege ich mir zweimal, ob ich meine Umgebung verschmutze. Warum können solche rigorosen Maßnahmen hier nicht durchgesetzt werden? Übrigens, in Singapur funktioniert auch die U-Bahn reibungslos!
Anstatt die Stadt Berlin für das riesige Desaster verantwortlich zu machen, die ja selbst Opfer dieser kriminellen und einfältigen Politik ist, sollte man sich endlich mit den dafür Verantwortlichen beschäftigen, die diese Zustände zum Teil ganz bewusst, zum Teil aus Bequemlichkeit und zum Teil aus bodenloser Dummheit angerichtet haben. Ich habe jahrelang mehr als deutliche Hinweise geliefert und auch klar den Ursprung mit dem 1989 dank der Hilfe der SED an die Macht gelangtem SPD/AL-Senat einschließlich der handelnden Personen benannt, aber leider hat nur eine einzige Person entsprechend reagiert, die dann sehr schnell das ganze Ausmaß dieser schier unfassbaren Machenschaften des Momper-Senats begriff. Die Mauer fiel dann damals "leider zur falschen Seite", aber da niemand, der an an diesen Verbrechen beteiligt war, weder straf- noch vermögensrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurde und diese "Strategen des Untergangs" die Schwachstellen unseres System genau analysiert haben, ziehen sie es einfach mit neuen Verbündeten und neuen schrecklich Ideen durch. Die Schwachstellen unseres Systems? Parteien, Ämter, Justiz, Medien und Interessenvereinigungen, so wie bereits zweimal gehabt!
Müsste Deutschland demgemäss also bloss zB in Polen einmarschieren, damit es innenpolitisch wieder etwas besser laufen würde und weniger Grossstadtfeeling inkl. Graffitis und Obdachlosen das Landschaftbild bestimmen täte?
In Erweiterung des bekannten Bürgermeisterbonmots "Berlin ist arm, aber sexy" möchte ich ergänzen : Berlin ist auch dauerbesoffen , aber geschlechtskrank.
Wer sich denn diese spezielle Sexiness antun will, kann eigentlich nur ein notgeiles Landei sein. Und genauso muten mich die zumindest autochton deutsch wirkenden Berliner auch an. Reihenmittelhausbewohner aus der nicht nur geographischen Provinz, die endlich glücklich ihrer Ereignisarmut entkommen zu sein, mit Bezug ihres WG Zimmers auch schnellstens ihr pfälzerisches oder bajuwarisches Idiom gegen diese Berliner Bolle Wurstigkeit mit ihrem "icke" "knorke" usw. eintauschen und abends dann, in Erwartung heißer Antifa- Girlie Abenteuer im Ramones T-shirt von C&A auf die Hundeködelpiste gehen. Berlins aktuell agiernder Bürgermeister ist das beste Beispiel dafür, dass es nichts Verhängnisvolleres gibt als armen Menschen Geld , Ämter und Würden zu geben.
Gesponsorte geistige wie auch ökonomische Armut hat den Drall zur unbedingten Vervielfältigung und zeigt , wie gerade überall zu registrieren, die Grenzen der Demokratie auf. Kurz: Berlin ist allein gar nicht überlebensfähig. Wird ganz Deutschland zu Berlin, dann wars das. Aber ich schätze, dass die smart alerte Linke auch zu Bürgerkrieg und Kannibalismus noch warme Worte und Schuldige finden wird. Und Recht hamse. Der Länderfinanzausgleich hat dieses Monstrum groß gefüttert. Berlin ist das verzogene Kind, welches seine Eltern anblafft: "Ihr habt mich schließlich gemacht!" Man sollte es zur Adoption freigeben...... Kann man sich auch von seinen Kindern scheiden lasse?
Und dabei führte der Weg des Autors durch die wohlhabenden Stadtteile Berlins und Potsdams...