Also vor Tische las man’s anders, ganz, ganz anders, werter Herr Ex-Bundespräsident. Wie kommt’s zu Ihrem erstaunlichen Sinneswandel? Auch habe ich vor vielleicht zwei Jahren irgendwo in einem Online-Artikel gelesen, dass Herr Gauck nicht eigentlich als “Freiheitskämpfer” gelten kann. Beim Autor/der Autorin des Artikels handelte sich um eine/n durchaus glaubwürdige/n Montags-Demonstranten/-in; um eine Regime-kritische Stimme aus der ehemaligen DDR, die in besagtem Artikel darauf verwies, dass Herr Gauck sich in den vielen Jahren, die den Montagsdemonstrationen vorangegangen waren, durch Kritik am DDR-Regime nicht eben hervorgetan, sondern ein recht angepasstes Leben als Geistlicher geführt hätte. - Es fällt auf, dass die Zahl der politischen “Paulusse” in jüngerer Zeit merklich zunimmt. Münchens Ex-OB Ude führt den Reigen an; er schrieb sich gar ein ganzes Buch von der Seele, in dem er etliches, das er während seiner Dienstjahre wohl aus Opportunismus (aus Feigheit gar?) im Innersten eingekorkt hatte, freimütig ins Land hinaus posaunte. Entsprechend unkorrekte Kritik lieferte schon mehrfach Tübingens OB Palmer ab, und gerade neulich erst meldete sich Sigmar Gabriel in ähnlicher Weise zu Wort. Was, bitte schön, soll man denn von solchen Leuten halten? Was soll man ihnen abnehmen? Soll man ihre wahre Einstellung an den früheren Äußerungen und den bisweilen geradezu unverschämten Bezichtigungen (und Gesten!) gegenüber Teilen der Bevölkerung festmachen, oder an dem, was ihnen jetzt urplötzlich einfällt oder gar von “Oben herab” offenbart wurde? Politische, aber auch persönliche Berechenbarkeit, unabdingbar für Politiker und wünschenswert für jeden - Fehlanzeige! - Diese Art von Sinneswandel, gerne auch als Wendehals-Manöver bezeichnet, kommt beim Bürger meist nicht gut an. Kann doch das Gedächtnis vieler, welche die politischen Entwicklung im Lande seit Jahren aufmerksam und kritisch verfolgt haben, mit dem von Elefanten locker mithalten. Locker.
Gauck ist als Bundespräsident die größte Enttäuschung überhaupt gewesen. Vom ausgekungelten Präsidenten Steinmeier war von vornherein nicht viel zu erwarten, aber gerade Gauck, der das Wort Freiheit stets im Munde führte und uns dann in den Rücken fiel, sollte lieber still sein. Entweder hat er aus Feigheit geschwiegen, um sich nicht mit dem linken Establishment anzulegen oder er man hat ihn nur vorgeschickt, uns zu beruhigen. In meinen Augen ist er ein Pharisäer und Opportunist, der mit meiner Lebenswirklichkeit nichts zu tun hat. Es interessiert mich auch nicht die Bohne, welche Selbstverständlichkeiten er nun heraushaut und feiern werde ich ihn schon gar nicht. Dazu fällt mir Chomsky ein: “Der schlaueste Weg, Menschen passiv und gehorsam zu halten ist, dass Spektrum an akzeptabler Meinung streng zu beschränken, aber eine sehr lebhafte Debatte innerhalb dieses Spektrum zu ermöglichen - sogar die kritischeren und Ansichten der Dissidenten zu fördern. Das gibt den Menschen ein Gefühl, das es ein freies Denken gibt, während die Voraussetzungen des Systems durch die Grenzen der Diskussion gestärkt werden. “
Ja, wenn sie weg vom Fenster sind, nähern sie sich “mutig” der Wahrheit an. Wie neulich auch Siegmar Gabriel. Als sie noch gestalten konnten, haben sie gekniffen.
Ja der Herr Gauck. Recht hat er mit seinen Aussagen in seinem Interview. Aber auf ihn trifft auch zu, wie weiland Gorbatschow zu Honecker gesagt haben soll: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Und das mit dem rechts und links im politischen Sinne finde auch ich mittlerweile völlig daneben, seitdem die Linken und Grünlinken als SA für die globalen Kapitalisten fungieren.
Man würde sich wünschen, dass einmal jemand, der noch in Amt und Würden steht, den Mut hätte, diese so offensichtliche Wahrheit auszusprechen. Noch zu Amtszeiten hatte Gauck diesen Mut nicht, obwohl er sicher schon damals ahnte, wie fragwürdig das ist, was sich in Deutschland vor unserer aller Augen abspielt. Möglicherweise lag ihm deshalb nicht daran, seine Amtszeit zu verlängern. Er hätte sich weiterhin anbiedern müssen. Und als Mensch, dem die Freiheit doch über alles ging, wäre dieser Seelenverkauf kein gutes Geschäft für ihn gewesen. Besser er sagt jetzt noch etwas zu dem Thema, als dieses gar nicht zu tun. Helfen wird es allerdings vermutlich nicht mehr. 2015/2016 würde es allerdings wahrscheinlich geholfen haben. Leider eine verpasste Chance. Werden Andere diese nutzen?
Links bist du auf alle Fälle, wenn du glaubst, dass du einen ewigen Feind innerhalb der Gesellschaft hast. Deinen Klassenfeind. Weil du ihn beständig konfrontieren und bekämpfen willst, bist du ein Klassenkämpfer. Da du entweder zu dumm, zu faul oder zu ungebildet bist, oder all das gleichzeitig, hat eine Avantgarde ohne dich bereits absolut klar gemacht, dass der Klassenkampf selbst eine wissenschaftliche und historische Tatsache ist: Führst du ihn nicht, dann macht es dein Feind. Wenn der Krankenpfleger nur einen winzigen Bruchteil des Einkommens der Pharmakonzern-Chefin hat. Wenn der Hambacher Forst-Baumbewohner seine Exkremente über einen Polizisten kübelt. Klassenkampf war, ist und soll immer sein! Klassenkampf ist ja die Anwendung eines geschichtlichen Naturgesetzes. Sobald die Linke Fuß fasst, ist es mit jedem gesellschaftlichen Frieden auf Dauer vorbei. Selbst wenn gegensätzliche Interessen unter Mithilfe der undogmatischen Linken bereits längst gelöst wurden. Interessenkonflikte gibt es wie Sand am Meer. Die Linke interpretiert sie nach für nach um in Aufträge für einzelne Schlachten des universellen Krieges der Klassen, den nur eine Seite gewinnen soll und darf und muss! Die andere Seite hat nur ein Axiom. “We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.” Das ist alles, was sie behalten will. Mehr nicht.
Hat er sich explizit für sein “Dunkeldeutschland” öffentlich entschuldigt? Wenn ja, würde ich gern die Quelle wissen. Wenn nicht, dann bleibt der Mann in der Ecke meines Geistes, die ich für verachtete Personen des öffentlichen Lebens übrig habe.
“Wem Gott ein Amt nimmt, schenkt er den Verstand” muß es heißen. Inzwischen allzu häufig unter Beweis gestellt von Bosbach, Maaßen, Gauck u.a. Das bisher geltende Sprichwort gehört entsorgt.
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