Michael Miersch / 17.04.2007 / 18:36 / 0 / Seite ausdrucken

Gastbeitrag von Ingo Way: Ein Letztes zur Sache Filbinger

Ein Letztes zur Sache Filbinger - und zwar Fakten zur Akte Walter Gröger, die belegen, daß Filbinger nicht nur ein “Mitläufer” sonder ein aktiver Täter des Naziregimes war.

Der Matrose Walter Gröger desertierte im Dezember 1943 von der deutschen Wehrmacht. Er kam bei seiner norwegischen Freundin unter, mit der er nach Schweden fliehen wollte. Die Flucht mißlang, Gröger wurde verhaftet und Anfang 1944 wegen Fahnenflucht zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.

Der zuständige Gerichtsherr, ein Admiral, akzeptierte das Urteil jedoch nicht. Der Gerichtsherr war befugt, das Urteil eines Militärgerichts aufzuheben und eine Neuverhandlung zu fordern.

In der Neuverhandlung wurde Marinestabsrichter Hans Filbinger, der mit diesem Verfahren bisher nichts zu tun hatte, mit der Anklage betraut. Die Weisung des Gerichtsherrn an den Ankläger lautete, die Todesstrafe für Glöger zu fordern. Dieser Weisung folgte Filbinger. Der Richter kam dem Strafantrag der Anklage nach und verurteilte Walter Gröger am 16. Januar 1945 zum Tode.

Am 16. März 1945, um 16 Uhr, wurde das Todesurteil gegen den 22jährigen Walter Gröger vollstreckt. Filbinger beaufsichtigte die Exekution, rief “Feuer” und vermerkte dies auch im Protokoll. (Rolf Hochhuth irrt, wenn er den Zeitpunkt der Hinrichtung in den Mai 1945, die Zeit der britischen Kriegsgefangenschaft verlegt. Seine darauf aufbauende These, Filbinger sei ein “sadistischer Nazi” gewesen, ist damit hinfällig. Er war ein ganz normaler Nazi.)

Filbingers Verteidiger, wie Günter Gillesen, argumentieren, Filbinger habe nicht anders gekonnt, als der Anweisung des Gerichtsherrn, als Ankläger die Todesstrafe für Glöger zu fordern, Folge zu leisten. Andernfalls sei er selbst erschossen worden.

Der Militärhistoriker Manfred Messerschmidt bezeichnet diese Deutung als “vollkommenen Quatsch”. Filbinger hätte im Falle einer Weigerung höchstens die Strafversetzung, allenfalls ein Disziplinarverfahren fürchten müssen, keineswegs schlimmeres. Es gebe zahlreiche Fälle, in denen Richter und Ankläger in ähnlichen Fällen entsprechenden Weisungen nicht Folge leisteten und die Todesstrafe nicht verhängten, und denen sei nichts geschehen, so Messerschmidt.

Messerschmidt im Interview mit Spiegel-Online:

“Alle Urteile mussten sogenannte Gerichtsherren bestätigen oder verwerfen. Diese Posten hatten Generale und Admirale inne. Juristen konnten trotzdem gegen deren Willen handeln. Das Marinegericht der Wehrmachtskommandantur Wien hat zum Beispiel einen Fahnenflüchtigen zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Gerichtsherr war der Marinebefehlshaber in Westfrankreich, der das Urteil aufhob und die Todesstrafe forderte. Ein neues Gericht wiederholte das Verfahren und verhängte 15 Jahre Zuchthaus. Das Spiel wiederholte sich, wieder 15 Jahre Zuchthaus. Erst als Admiral Dönitz persönlich eingriff, hat das Gericht im vierten Verfahren die Todesstrafe verhängt. ... Die Richter, die vorher anders entschieden hatten, sind in keiner Weise belangt worden. ... Um aber Filbingers Rolle zu beleuchten, sollte man als Gegenbeispiel den Fall des Reichkriegsgerichtsrates Dr. Rottka nehmen. Er hat häufig im Sinn der Angeklagten genauere Prüfungen gefordert, um voreilige Todesurteile zu vermeiden. Er ist schließlich entlassen worden. Das wären für Filbinger die maximalen Konsequenzen gewesen.”

Filbinger hat sich immer darauf berufen, er habe nicht nach NS-Recht sondern nach dem deutschen Militärrecht von 1872 gehandelt. Auch dazu hat Historiker Messerschmidt eine andere Sichtweise. Das Militärrecht von 1872 sah die Todesstrafe lediglich bei “Feigheit” oder bei Fahnenflucht aus einer unmittelbaren Kampfhandlung vor. Die Todesstrafe wurde, außer im “III. Reich”, äußerst selten vollzogen.

Zudem gebe es, so Messerschmidt, eine persönliche Weisung Hitlers aus dem Jahr 1940, derzufolge die Todesstrafe bei Desertion nicht zwangsläufig zu verhängen sei: bei “jugendlicher Unerfahrenheit”, “familiären Problemen” etc. etwa reiche eine Zuchthausstrafe.

Im Norwegen des Jahres 1943, als Gröger desertierte, fanden überhaupt keine unmittelbaren Kampfhandlungen statt. Das Militärrecht von 1872 sah in einem solchen Fall keine Todesstrafe vor.

All das läßt nur zwei Schlüsse zu: Filbinger hat für Gröger die Todesstrafe gefordert, weil er das für richtig hielt - oder aber, um seine Karriere nicht zu gefährden. Dafür ist die Erschießung eines 22jährigen ein sehr hoher Preis. (Mit der “Selbstgerechtigkeit des Nachgeborenen, der nicht dabei war” gesprochen.)

Noch 1995 hat sich Filbinger aber nicht etwa nur auf Befehlsnotstand herausgeredet, sondern die Hinrichtung Grögers auch noch gerechtfertigt. Und zwar mit einer Lüge. In einem Leserbrief Filbingers und seines Rechtsanwalts Hammerstein an den Spiegel heißt es:

“Der Matrose G. war in Norwegen fahnenflüchtig geworden, nachdem die Marine im Frühjahr 1945 die Rettungsaktion über die Ostsee durchführte, bei der 2,5 Millionen Menschen, Männer, Frauen und Kinder, gerettet wurden. Fahnenflucht gefährdete diese größte humane Rettungsaktion über See der Geschichte, weshalb der Befehlshaber, der zugleich Gerichtsherr war, die Höchststrafe forderte. Jede Armee der Welt bedroht Fahnenflucht mit der Höchststrafe.” (Hervorhebung von mir, I.W.)

(Quelle: Wolfram Wette: Der Fall Filbinger)

Filbinger insinuiert hier, Gröger habe sich gleichsam vor einer humanitären Rettungsaktion gedrückt und damit den Tod unschuldiger Zivilisten mitverschuldet. Die Evakuierungsaktion, von der hier die Rede ist, fand, wie im Leserbrief richtig dargestellt, im Frühjahr 1945 statt. Gröger war aber bereits im Dezember 1943 desertiert, als keine solche Aktion anstand. Filbinger schreckte mithin noch 1995 nicht einmal vor einer Lüge zurück, um den von ihm zu Tode gebrachten Gröger noch nachträglich in den Schmutz zu ziehen.

Zu den beiden Todesurteilen, die Filbinger in seiner Funktion als Richter selbst verhängte, wird gern angeführt, diese seien nicht als solche ernstzunehmen, da sie in Abwesenheit der Angeklagten gefällt wurden. Dazu noch einmal Manfred Messerschmidt im Interview mit n-tv:

“Was wir haben sind zwei Todesurteile wegen Fahnenflucht, die er als Vorsitzender Richter im besetzten Norwegen gefällt hat. Die verurteilten Soldaten waren allerdings weg, die waren in Schweden. Deshalb wird häufig gesagt, die Todesurteile seien folgenlos geblieben. Das stimmt zwar. Doch wenn Schweden die Soldaten an die Deutschen ausgeliefert hätte, dann wären die Urteile natürlich vollstreckt worden. Was man ebenfalls nicht außer Acht lassen darf: Die Urteile waren auch nach Kriegsende noch da. Die vielen Deserteure, die den Krieg überlebt hatten, bekamen nicht nur keine Entschädigungen, sondern galten auch noch als vorbestraft. Mit so einem Urteil im polizeilichen Führungszeugnis war beispielsweise ein Studium nicht möglich.”

Ein furchtbarer Jurist? Aber ja.

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