Der Schwachsinn nimmt kein Ende. „Der Staat kann im Allgemeinen besser erziehen als die einzelne Familie“, sagt der pensionierte Tagesthemen-Ansager Ulrich Wickert. Man denkt im ersten Moment, er habe sich mal wieder versprochen, aber er legt im BaMS-Interview nach. „Ich finde das französische System richtig, Kinder so früh wie möglich in ein geordnetes Erziehungssystem zu geben.“ Zur Ganztagsschule findet Wickert (der ansonsten in dem Interview übrigens ein paar kluge Dinge sagt): „Wenn man diese Regelung einführt, muss man konsequent sein, keine Wahlmöglichkeit lassen.“
Mal ausnahmsweise nicht auf französisch, sondern auf deutsch heißt das, dass Ulli Wickert alle Kinder dazu zwingen will, den ganzen Tag mit deutschen Lehrern zu verbringen. Dass sie sich nicht aussuchen sollen, mit wem sie nachmittags spielen und Zeit verbingen, sondern dass die Schule ihnen die Kontakte vorschreibt. Es ist ein deutscher Reflex: Sobald was schief läuft, muss der Staat ran. Anstatt, wo es nötig ist, die Erziehungskompetenz von Eltern zu stärken und die deutsche Schule im Rahmen des bestehenden System zu verbessern (jedes Schulsystem ist z.B. nur so gut wie seine Lehrer), wird Revolution von oben herbeigequatscht. Zum Schaden der Kinder. Es wäre toll, wenn Kinder, deren Eltern dies wollen oder müssen, die Möglichkeit hätten, in Deutschland in eine gute Schule zu gehen, die den ganzen Tag geöffnet hat. Es wäre eine Katastrophe, alle Kinder in solche Schulen zu zwingen. Denn auch wenn deutschen Bildungspolitikern (und Herrn Wickert) dies eine vollkommen unbekannte Erkenntnis ist: Jedes Kind ist anders. Da erlaube ich mir einen radikal subjektiven Blick. Wenn man mich dazu gezwungen hätte, den ganzen Tag in der Schule zuzubringen, hätte ich meine Zeit mit Mathe, Physik und anderen Dingen verplempert. Ich könnte diese Dinge bestimmt heute besser. Ich könnte die Dinge, die ich gut kann und gerne kann, aber schlechter. Denn ich hätte keine Zeit für sie gehabt, keine Freiheit, keine unverplante Zeit. Ganztagsschule hätte mir meine Kindheit zur Hölle gemacht, ja, ich bin für jede Minute meines Lebens dankbar, die ich außerhalb der Schule verbracht habe. Das mag die elitäre Sicht von jemandem sein, der dank seines Elternhauses nie Schul- oder Lernprobleme hatte. Ich sehe aber nicht ein, warum bald meine Kinder für die Elternhäuser anderer Kinder bestraft werden sollen. Und auf nichts anderes läuft Ganztagsschulpflicht hinaus.