Am 16. Januar 2024 versammelten sich weit über 30.000 Menschen auf dem Kölner Heumarkt unter der Parole „Gemeinsam gegen den Rechtsruck“. Sie riefen laut: „Ganz Köln hasst die AfD!“ Fällt das eigentlich schon unter Hate Speech?
Es gibt viele Dinge, die ich hasse. Ich hasse es zum Beispiel, wenn ein Mensch aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert wird, weil es Rassismus ist, aber ich unterstütze es, wenn ein Mensch aufgrund seines Glaubens oder seiner Ideologie kritisiert wird, weil es Aufklärung ist. Ich hasse es, wenn ein Mensch aufgrund seines Geschlechts diskrimiert wird, weil es Sexismus ist, aber ich verteidige das Recht eines jedes Menschen, den Sexualpartner nach dem Geschlecht zu diskriminieren, weil es da um Liebe geht. Ich hasse zudem Nazis, Islamisten, Doppelmoral, Selbstgerechtigkeit und Litschis. Dennoch würde ich niemals und schon gar nicht im Chor brüllen, dass und was ich hasse. Hass ist kein guter Treibstoff.
Am 16. Januar 2024 riefen über 30.000 Menschen in Opposition zu Hass und gegen den dumpfen Kollektivismus rechter Gruppierungen: „Ganz Köln hasst die AfD!“ In der erklärten Absicht, die Demokratie zu verteidigen, wurde auf Plakaten und in Redebeiträgen ein Verbot der AfD gefordert.
Ich habe es bereits gestanden, ich hasse einiges, aber nie werde ich meinen Hass mit tausenden Menschen rausbrüllen. Ich kann das einfach nicht. Ich definiere mich nämlich nicht darüber, gegen eine Partei oder gegen einen Politiker zu sein, sondern ich erkläre, für eine Partei oder für einen Politiker zu sein. Ich bin nicht gegen eine Religion, sondern für eine Gleichberechtigung aller Religionen und vor allem für das Recht, alle Religionen gleichermaßen verarschen zu dürfen. Ich bin nicht gegen ein Land, sondern für jedes Land, wo die Bürger das Recht haben, unabhängig von der Religion, dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung frei und gleichberechtigt zu leben. Ich bin für meine Freunde, meine Heimat und für alle, die mit mir glücklich sein wollen.
Warum Mauern bauen, die eh gebaut werden?
Ich muss nicht erklären, gegen irgendetwas zu sein, denn sobald ich mich nur klar und deutlich positioniere und sage, wofür ich bin, lebe, liebe und kämpfe, wird es genug Menschen geben, die von sich aus erklären werden, dass sie gegen mich sind. Sie werden ihrerseits Mauern hochziehen, um mich auszugrenzen. Warum soll ich ihnen dabei helfen? Warum soll ich meine Kraft vergeuden und Mauern bauen, die eh gebaut werden?
Ich distanziere mich nicht. Ich nähere mich. Ich sage eher, was ich mag, wofür ich mich bewege und nicht so sehr, was ich hasse und wogegen ich stehe. Fordere mich nicht auf, mich zu distanzieren. Ich stehe nicht vor einem Gericht. Das Leben ist kein Gericht, in dem man steht. Das Leben ist ein Ort, in dem man sich bewegt, und jeder Mensch entscheidet die Richtung selbst, ob er nun vorgefundene Wege nimmt oder sich in die Wildnis schlägt. Jeder darf sich anschauen, wofür und wohin ich mich bewege und dann entscheiden, ob er ein paar Schritte mit mir gehen möchte oder nicht. Ich höre erst auf mich zu bewegen, wenn ich tot bin, und es gibt Menschen, die glauben, dass ich dann vor einem Gericht stehe.
Wenn ich sage, wofür ich bin, werden mich Menschen ausgrenzen. Sie werden die übelsten Dinge über mich verbreiten. Sie werden sagen, ich sei voller Hass, so voller Hass, wie sie es selber sind. Sie werden mich anprangern für die Dinge, gegen die ich angeblich sein soll, weil ich erklärt habe, wofür ich bin. Ich definiere mich aber nicht durch Ausgrenzung, sondern durch Bekenntnisse.
Wurzel totalitären Denkens
Wenn eine Masse von Menschen sich formiert, nicht etwa um zu erklären, wofür sie sind, sondern wogegen sie sind, dann ist der gemeinsame Nenner dieser Menschen nicht etwas Konstruktives, sondern etwas Destruktives. Es ist immer Vorsicht geboten, wenn sich eine Gruppe von Menschen gegen ein Feindbild formiert, möge das Feindbild auch noch so schlecht sein. Sehr schnell entsteht in solchen Gruppen nämlich eine Eigendynamik, die dafür sorgt, dass abweichende Meinungen dazu führen, dass die „Abweichler“ und „Verräter“ in die Hände des Feindes geschleudert werden. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, ist die Rhetorik dieser Leute, und die Aufforderung zur Distanzierung ist ihr Mittel der Unterdrückung.
„Wehret den Anfängen“, brüllen die gerechten Putztruppen und meinen damit doch nur die Anfänge einer Zukunft, die sie aus ihrer eigenen Angst hinter Mauern konstruieren. Aus dieser Angst nehmen sie andere Menschen als Geisel ihrer Befürchtung. Diese Angst ist die Wurzel des totalitären Denkens. Sie ermöglicht Gewalt gegen Andere als Präventivschlag. Was nur, wenn sich der politische Wind dreht? Gegen wen richten sich die Schläge zur präventiven Verhinderung eines Machtwechsels dann?
In einer Demokratie können die verschiedensten politischen Lager mal eine Mehrheit bekommen. Eine gute Verfassung zeichnet sich dadurch aus, an keiner durchs Volk legitimierten Regierung zugrunde zu gehen. Heute kämpfen immer mehr Menschen in Deutschland kopflos dagegen an, dass ihre Gegner an die Macht kommen und nehmen dafür sogar Einschränkungen in die Grundrechte in Kauf. Sie bringen Parteiverbote und die Verwirkung von Grundrechten gewisser Personen ins Spiel. Sie beauftragen hochsubventionierte Organisationen, darüber zu entscheiden, was die korrekte Wahrheit ist und besetzen Geheimdienste mit Beamten, die den politischen Gegner zur Gefahr erklären. Sie kämpfen für ein restriktives Land, in dem der erklärte Gegner verboten werden kann, und nicht für ein freies Land, in dem jeder sicher leben kann, selbst wenn der politische Gegner mal an der Macht ist.
Dämonisierung des politischen Gegners
Ich möchte ein Land, in dem ich gut und sicher leben kann, selbst wenn meine politischen Gegner an der Macht sind, statt in einem Land, in dem ich fürchten muss, durch die Apparate des Staates zum verfassungsfeindlichen Subjekt erklärt zu werden, wenn ich die Regierung kritisiere. In einer Demokratie drehen sich die politischen Winde ständig. Selbst sehr linke und sehr rechte Parteien können mal an die Schalthebel der Macht kommen. Es ist wichtig, dass sie dann keine Gesetze vorfinden, die das Kriminalisieren und Unterdrücken des politischen Gegners ermöglicht. Bei jedem Gesetz sollte man sich daher die Frage stellen: „Kann ich wollen, dass dieses Gesetz auch gilt, wenn meine politischen Gegner an der Macht sind?“
Wenn diese Frage mit Nein beantwortet wird, sollte von dem Gesetz Abstand genommen werden, denn eine Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass auch die gegnerischen Parteien mal Wahlen gewinnen. Allerdings ist es mittlerweile zur unschönen Tradition geworden, immer gleich das Ende der Demokratie auszurufen, sollte der politische Gegner die Wahl gewinnen. Wer so etwas erklärt, behauptet damit, die Demokratie würde abgeschafft, wenn Menschen demokratisch wählen. Es ist geradezu absurd und kann nur mit einer Hysterie erklärt werden, die daraus resultiert, das der politische Gegner verteufelt wurde.
Die Strategie, den politischen Gegner zu verteufeln, ist eine Strategie der schlechten Politiker, denn gute Politiker verweisen auf ihre Erfolge, um wiedergewählt zu werden. Schlechte Politiker jedoch dämonisieren ihre politischen Gegner, weil sie sonst nichts vorzuweisen haben. Was sagt das über eine Regierung aus, wenn sie nicht mehr durch ihre Arbeit zu überzeugen vermag, sondern nur noch durch die Dämonisierung des politischen Gegners? Ein solches Verhalten ist eine Bankrotterklärung der Regierung, und das Volk trägt die volle Verantwortung dafür, wenn es sich von einer solch bankrotten Regierung selbst korrumpieren lässt.
Nicht nach Worten, sondern nach Taten beurteilen
Das Problem von selbsternannten Friedensaktivisten und Antifaschisten ist es, dass sie jeden zum Kriegsaktivisten und Faschisten erklären, der es auch nur wagt, ihnen zu widersprechen. Das passiert immer, wenn man seine Moral aus einer reinen Anti-Haltung bezieht. Es kann selbst die frommsten Menschen treffen. Es gab sogar mal viele Christen, die sich so sehr darüber bestimmt hatten, gegen das Böse zu sein, dass im Namen des Christentums Menschen millionenfach verfolgt wurden. Sie wurden schlicht zu Hexen erklärt, und wer eine Hexe war, das entschieden die Faktenchecker der Inquisition.
Deshalb bewerte ich Menschen nicht danach, gegen was oder gegen wen sie sind, sondern für was und für wen sie sind. Ich bewerte sie zudem nicht so sehr danach, was sie sagen, sondern vielmehr danach, was sie tun. Besonders aber bewerte ich Menschen danach, wie sie mit jenen Menschen umgehen, die sie hassen, denn Menschlichkeit zeigt sich besonders im Umgang mit den Feinden.
Gerd Buurmann ist Schauspieler, Stand-up-Comedian und Kabarettist. Er spielt, schreibt und inszeniert in diversen freien Theatern von Köln bis Berlin. Seit April 2022 moderiert er den Podcast „Indubio“ der Achse des Guten.