Wenn die Geschichte des Heiligendammer G8 Gipfels geschrieben wird, so dürfte der heutige Tag als der Moment bezeichnet werden, an dem das Scheitern der deutschen Verhandlungstrategie von der interessierten Öffentlichkeit erstmals ernsthaft in Betracht gezogen wurde.
Was bisher fast ausschließlich nur auf dieser Webseite zu erfahren war, nämlich die bittere Tatsache einer fast vollständigen Isolierung Deutschlands und der EU in der Klimapolitik, das kann man seit heute auch in vielen anderen Medien nachlesen.
Wie ernst die Lage wirklich ist, verdeutlich der folgende Kommentar der Financial Times Deutschland. Angesichts der unzweideutigen Absagen der USA, Japans, Indiens und Chinas, steht Angela Merkel seit heute abend mit dem Rücken zur Wand. Sie kann nur noch hoffen, daß Präsident Bush die Eskapaden einiger ihrer Kabinettsmitglieder verzeihen und ihr doch noch ein klein wenig entgegenkommen wird. Ansonsten könnte der gesamte G8 Gipfel, wie die Financial Times befürchtet, tatsächlich in Gefahr sein.
Gipfel in Gefahr
Souverän und selbstbewusst füllt Angela Merkel die Rolle als EU-Ratspräsidentin und G8-Vorsitzende aus. Die internationalen Partner bescheinigen der Kanzlerin viel Geschick - bisher lief es rund für die mächtigste Frau der Welt.
Jetzt aber, gut eine Woche vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm, verkehren sich die Vorzeichen für das Spitzentreffen ins Negative. Der Gipfel in Merkels Heimat könnte sogar scheitern, wenn es der Bundesregierung nicht gelingt, die ungute Eigendynamik zu bremsen, die sich derzeit entwickelt. Die nächsten Tage sind entscheidend für die Bilanz der Weltpolitikerin Merkel.
Insbesondere in der Klimapolitik droht eine Niederlage: Die USA zeigen sich in den Verhandlungen um künftige Klimaschutzvorgaben hartleibig. Ringt die Regierung den Amerikanern nicht in letzter Minute Zugeständnisse ab, wird es auch unmöglich, die anderen großen Klimakiller China und Indien auf die Reduzierung ihrer CO2-Emissionen zu verpflichten. Sowohl das Sondertreffen der Chefunterhändler als auch das Vieraugengespräch zwischen Merkel und US-Präsident George W. Bush, die der deutsche G8-Vorsitz noch vor dem Gipfel anberaumt hat, sind daher dringend nötig.
Allerdings werden diese Bemühungen aus den Reihen der Bundesregierung bereits konterkariert: Ungeachtet der Tatsache, dass die CO2-Emissionen der USA im vergangenen Jahr zurückgegangen sind, lässt Umweltminister Sigmar Gabriel keine Gelegenheit aus, die US-Regierung anzugreifen und so das Gesprächsklima zu verschlechtern. Das Schwarzer-Peter-Spiel, wer an einem möglichen Scheitern der Klimagespräche Schuld trägt, hat schon begonnen. Dabei wird sich in Heiligendamm womöglich nur rächen, dass Merkel ungewöhnlich unvorsichtig war, als sie nach dem Uno-Weltklimabericht zu Jahresanfang das Thema zu ihrer Top-Priorität machte. Klimaschutz ist PR-trächtig - aber nur so lange, wie man ehrgeizige Ankündigungen auch wahr macht. In anderen Fragen, wie beim Versuch, eine strenge Kontrolle von Hedge-Fonds durchzusetzen, war die Kanzlerin zurückhaltender. Zu Recht, wie sich herausgestellt hat.
Der Erfolg von Heiligendamm wird aber nicht nur durch die Gipfelgäste gefährdet. Spät hat die Regierung erkannt, dass allzu weitgehende Demonstrationsverbote und unverhältnismäßige Polizeiaktionen gegen G8-Kritiker keineswegs das Risiko gewalttätiger Auseinandersetzungen rund um den Tagungsort gemindert haben. Das Verständnis, das Merkel und Innenminister Wolfgang Schäuble plötzlich für G8-Demonstranten zeigen, wirkt wie der hilflose Versuch einer Beschwichtigung. Sie fürchten offenkundig, dass der Gipfel von Bildern der Gewalt überlagert wird. Das wäre in der Tat noch schlimmer, als wenn der Gipfel an seinen Teilnehmern scheiterte.
http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2007-05/artikel-8318805.asp