In der Causa Relotius gibt sich der Spiegel bekanntlich selbstkritisch: „Wir haben uns von Relotius einwickeln lassen und in einem Ausmaß Fehler gemacht, das gemessen an den Maßstäben dieses Hauses unwürdig ist.“ Dabei fällt unter den Tisch: Die eigenen und beim Leser vorhandenen Ressentiments und Vorurteile gegen den tumben Yankee sowie der Wille zu einer Story, die sie bedienen, forderten die Fähigkeiten des Journo-Literaten geradezu heraus. Die NZZ schreibt:
Juan Moreno und Claas Relotius wurden beauftragt, gemeinsam eine Reportage zu schreiben. Der eine (Moreno) zog mit einem Flüchtlingstreck von Mexiko kommend in Richtung der amerikanischen Grenze, der andere (Relotius) sollte eine Bürgerwehr und Gruppe von Trump-Fans infiltrieren, die die Grenze sichern will. Das katastrophale, schon von Klischees vernebelte Briefing, das der Ressortleiter Matthias Geyer per Mail an die beiden Autoren verschickt, muss man auszugsweise zitieren. „Die Figur für den ersten Konflikt beschreibt Juan in dem grossen Treck. Wir suchen nach einer Frau mit einem Kind. Sie kommt idealerweise aus einem absolut verschissenen Land, in dem ihr das Leben unmöglich geworden ist. (...) Die Figur für den zweiten Konflikt beschreibt Claas. (...) Dieser Typ hat selbstverständlich Trump gewählt (. . .) und freut sich jetzt auf die Leute dieses Trecks, so wie Obelix sich auf die Ankunft einer neuen Legion von Römern freut.“ Dann zum Schluss der Satz: „Wenn ihr die richtigen Leute findet, wird das die Geschichte des Jahres.“
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