In Zeiten allgemeiner Regression etabliert sich vor unseren Augen und in einem Schwindel erregenden Tempo ein Hygiene-Staat, und das mit Hilfe eines entsprechenden Hygiene-Diskurses, der historisch betrachtet ein sehr rechter ist (Stichwort: „Volksgesundheit“ vs. „Asoziale“). Da wäre es gut, wenn man diesbezügliche Ideologiekritik nicht mit der Lupe im Blätterwald suchen müsste. Muss man aber, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen und sich auch dort finden, wo man sie vielleicht nicht unbedingt vermutet hätte. Nina Proll ist nicht nur eine erfolgreiche Schauspielerin und Sängerin, sondern auch eine luzide Beobachterin und Kritikerin des illiberalen Zeitgeistes, der das öffentliche Leben und damit auch das individuelle unterdrückt, sowie einem Menschenschlag Oberwasser verschafft, vor dem man sich nur noch gruseln kann. Dass Krankheit nun einmal zum Leben dazugehört, man sich von der Furcht vor ihr aber nicht die Freude, die Zwischenmenschlichkeit und das Recht auf Selbstbestimmung nehmen lassen sollte – daran und an vieles mehr erinnert sie in einem etwa einstündigen, geradezu wohltuenden Interview aus der Youtube-Reihe „Auf dem Stuhl“: „I bin ja froh, dass diese fauxpas' passiert sind, weil es zeigt ja nur, dass es menschelt, und dass offensichtlich diese Maßnahmen nicht einzuhalten sind – für niemanden; nicht einmal für die, die sich entschlossen haben, sie zu verordnen.“
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