Manfred Haferburg / 16.07.2022 / 14:00 / Foto: Digital Globe / 10 / Seite ausdrucken

Fukushima: TEPCO-Manager verurteilt

Die TEPCO-Vorstände werden für das Fukushima-Versagen von einem Gericht in Tokio zur Verantwortung gezogen. Die vier Manager sollen 94 Milliarden Dollar Entschädigung zahlen.

Das englische Wort für Verantwortung ist „responsability“. Es beinhaltet: „the ability to respond“ – „die Fähigkeit zu antworten/reagieren“. Ich erkläre das hier, weil die Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien in Deutschland nicht mehr damit rechnen müssen, zu irgendeiner Verantwortung gezogen zu werden, egal was sie verzapfen. Doch andere Länder, andere Sitten.

AP-News berichtet: (Die Associated Press ist eine Nachrichten- und Presseagentur mit Hauptsitz in New York City, die im Mai 1848 gegründet wurde. Das Unternehmen hatte 2016 263 Büros in 106 Ländern. Es gilt als die größte Nachrichtenagentur der Welt. Quelle: Wikipedia

94 Milliarden Dollar Strafzahlung für Führungskräfte

„TOKIO (AP) – Ein Gericht in Tokio hat am Mittwoch vier ehemalige Führungskräfte des Energieversorgers, der das vom Tsunami zerstörte Kernkraftwerk Fukushima betreibt, zur Zahlung von 13 Billionen Yen (94 Milliarden Dollar) an das Unternehmen verurteilt und sie für die Katastrophe von 2011 verantwortlich gemacht.

In dem mit Spannung erwarteten Urteil stellte das Bezirksgericht Tokio fest, dass der frühere Vorsitzende der Tokyo Electric Power Company Holdings, Tsunehisa Katsumata, und drei weitere ehemalige Führungskräfte ihrer Pflicht, die größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, nicht nachgekommen sind, obwohl sie die Risiken eines schweren Unfalls im Falle eines großen Tsunamis kannten. Sie hätten die Katastrophe verhindern können, wenn sie die verfügbaren wissenschaftlichen Daten ernster genommen und früher gehandelt hätten.

Ein Erdbeben der Stärke 9,0 und ein Tsunami zerstörten wichtige Kühlsysteme des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi, was zur Kernschmelze von drei Reaktoren führte, eine Strahlenbelastung in der Region verursachte und Zehntausende von Anwohnern daran hinderte, aufgrund von Kontamination und Sicherheitsbedenken nach Hause zurückzukehren.

Eine Gruppe von 48 TEPCO-Aktionären reichte 2012 die Klage ein und verlangte, dass Katsumata und vier weitere Personen – der ehemalige TEPCO-Präsident Masataka Shimizu, die ehemaligen Vizepräsidenten Sakae Muto und Ichiro Takekuro sowie ein weiterer leitender Angestellter, Akio Komori – dem Unternehmen 22 Billionen Yen (160 Milliarden Dollar) Schadensersatz zur Deckung seiner Kosten zahlen. Das Unternehmen behauptete, sie hätten die Tsunami-Vorhersagen von Experten nicht beachtet und nicht früh genug angemessene Tsunami-Vorsorgemaßnahmen getroffen.

„Tsunami dieses Ausmaßes nicht vorhersehbar“

Der vorsitzende Richter Yoshihide Asakura sagte, den ehemaligen TEPCO-Führungskräften habe es „grundsätzlich an Sicherheitsbewusstsein und Verantwortungsgefühl gefehlt". In dem Urteil wurde festgestellt, dass TEPCO die Katastrophe hätte verhindern können, wenn es die notwendigen baulichen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt hätte, um zu verhindern, dass die Schlüsselbereiche des Kraftwerks überflutet werden, einschließlich der Abdichtung der Reaktorgebäude gegen Wasser.

Er sagte, dass alle fünf haftbar seien, befreite aber Komori von der Entschädigungspflicht, weil er erst ein Jahr vor der Katastrophe in seine Führungsposition berufen wurde und nicht hätte handeln können, selbst wenn er es versucht hätte.

Die Entscheidung vom Mittwoch steht im Gegensatz zu einem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom letzten Monat, das die Regierung nicht für die Zahlung von Entschädigungen verantwortlich machte, die Tausende von Einwohnern von Fukushima wegen des Verlusts von Arbeitsplätzen, Lebensgrundlagen und Gemeinden gefordert hatten. Das Gericht erklärte, dass ein Tsunami dieses Ausmaßes selbst nach dem neuesten Stand der Wissenschaft nicht vorhersehbar war.

Da die derzeitige wirtschaftsfreundliche Regierung von Premierminister Fumio Kishida schnellere Sicherheitsprüfungen durch die Aufsichtsbehörden fordert, um die Kernenergie als saubere Energiealternative zu fossilen Kraftwerken zu fördern, ist das Urteil vom Mittwoch eine Warnung an die Betreiber von Kernkraftwerken, dass sie für Nachlässigkeiten im Bereich der Sicherheit einen hohen Preis zahlen könnten.

Rekord-Entschädigungssumme

Yuichi Kaido, ein Anwalt der Kläger, sagte, das Urteil werde „künftige Managemententscheidungen bei anderen Versorgungsunternehmen, die Kernkraftwerke betreiben, beeinflussen.“

Yui Kimura, eine der Klägerinnen, begrüßte das Urteil: „Ein Unfall in einem Kernkraftwerk kann irreversible Schäden für Menschenleben und die Umwelt verursachen. Das Urteil zeigt, dass diejenigen, denen es an der Bereitschaft mangelt, dafür Verantwortung zu übernehmen, niemals in Führungspositionen tätig sein sollten."

Das Gericht erklärte, die Entschädigungssumme decke die Kosten von TEPCO im Zusammenhang mit der Katastrophe, einschließlich der Kosten für Dekontaminierung, Stilllegung und Zahlungen an die betroffenen Anwohner.

Der Betrag ist der höchste, der jemals in einem Gerichtsverfahren in Japan angeordnet wurde. Er übertraf bei weitem die Urteile, die Olympus Co. zur Zahlung von 59,4 Mrd. Yen (433 Mio. $) Schadensersatz wegen Vertuschung von Verlusten und den Nähmaschinenhersteller Janome Co. zur Zahlung von 58 Mrd. Yen (425 Mio. $) Schadensersatz wegen Verlusten durch Erpressung verurteilten.“

Warnungen wurden ignoriert

Die Schuld der verantwortlichen Manager steht für mich außer Zweifel, auch wenn es sicherlich noch mehr Verantwortliche gibt und die japanische Kultur der Hierarchiehörigkeit und der absoluten Loyalität zum Vorgesetzten eine wesentliche Rolle spielte. Hätte die damalige TEPCO-Führung auf diverse Warnungen von Experten gehört und dem Kraftwerk eine durchaus erträgliche Summe an Investitionsmitteln zur Verfügung gestellt, um in bauliche Maßnahmen zur Gebäudeertüchtigung investieren zu können – kaum jemand in Deutschland würde den Kraftwerksnamen Fukushima kennen.

Es gibt noch eine andere Geschichte von Fukushima – die der 700 Mitarbeiter, die vom Tsunami an ihrer Arbeitsstelle überrascht wurden und wochenlang heldenhaft dafür kämpften, die Auswirkungen zu minimieren. Ohne sie wäre es noch viel schlimmer gekommen. Sie wurden dafür in deutschen Medien mit frei erfundenen Horrorgeschichten verunglimpft. Wer mehr über die Heldentaten der Kraftwerksmitarbeiter wissen will, sollte sich unbedingt den spannenden Spielfilm „Fukushima 50“ ansehen. 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Verurteilten jemals die gewaltigen Summen aufbringen können. Aber mir das vorzustellen, liegt auch nicht in meiner Verantwortung.

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Leserpost

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Elias Schwarz / 16.07.2022

Wieso Merkel schuld? Die Menschen in Deutschland wollten das,. In einem Bundesland haben sie sogar einen grünen zum Ministerpräsidenten gewählt. Auch in anderen Ecken stiegen die Prozentwerte der Grünen, sogar im Osten. Die Plakatte “Atomenergie - nei, danke” überall, jeder Vollidiot mit Grundschulabschluß wurde plötzlich zu einem Experten für Elektrotechnik und Energieversorgung - nicht die einfachsten Studiengänge. Die Menschen in Deutschland wollten wieder die Erde retten - jetzt haben sie eine Chanse. Schade nur, daß etwa 10% der unschuldigen mitleiden müssen.

Lutz Herzer / 16.07.2022

94 Milliarden Dollar sind ja zur Zeit so viel wie 94 Milliarden Euro. Diese Summe dürfte für den Gesamtschaden, den eine Physikerin aus der Uckermark in Deutschland angerichtet hat, bei weitem nicht reichen. Nicht einmal für den Schaden, der nur durch ihre Reaktion auf Fukushima in den nächsten Monaten zu erwarten ist. Hinzu kommen noch die Summen für wirkungslose Maßnahmen gegen den Erreger einer gewöhnlichen Grippe, die Massenmigration von unqualifizierten, aber betreuungs- und versorgungsbedürftigen Fachkräften, die Eurorettung und die Bankenrettung. Nur an die Rettung Deutschlands hat weder sie noch ihr Gefolge gedacht.

N.Lehmann / 16.07.2022

Und wer zahlt wirklich, wie überall auf der Welt, der dumme Steuerzahler! Schändle und Bratwurst sind unser Fuku-jammer und die lachen sich über soviel Dummmichel kaputt, bzw. erhöhen obendrein ihre Gehälter! The loser take it all!

A. Ostrovsky / 16.07.2022

@Holger Kammel : Nicht ganz richtig Herr Kammel. Ich hatte ja ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Aufsicht und Betrieb getrennt sein müssen und dass es da keine Vetternwirtschaft geben darf und dass die Aufsicht auch in einem besiegten Feindstaat nicht Befehle aus Übersee annehmen darf. Sie nennen das “kooperatistisches japanisches Selbstverständnis”, ich fürchte das ist nicht der Ausdruck, der dafür in Deutschland verwendet wird. Und nein, es gibt einen Unterschied zwischen Aufzügen und Atomkraftwerken, schon in der Größe. “Natürlich war es ein Konstruktionsfehler, die Notstromanlage nicht flutsicher aufzustellen.” Das war nicht der einzige. Der größere war konstruktionsbedingt, die Abklingbecken in der zweiten und dritten Etage OHNE ein zweites Sicherheitsgefäß. Die Abtragung des Küstengebirges von 33 Meter Höhe auf 10 Meter Höhe, um dann darauf das Kraftwerk zu errichten, war eine solche querköpfige Blödsinnigkeit, die von Ingenieuren und BWL-ern amerikanischer Schole ausgeheckt wurde, um die Förderhöhe der Kühlwasserpumpen auf ein Dritte zu verringern um dadurch Geld zu sparen. Und ja, es ist zu vermuten, dass die Macht der Investoren darauf Einfluss hatte. Dann wären die, die sich jetzt um ihre Gewinne gebracht sehen, die Mitverursacher des Desasters.  Und nein, der TÜV ist nicht die Organisation, die katastrophale Konstruktions- und Standort-Fehlentscheidungen verhindert hätte in Deutschland. “Deswegen braucht man mehrere konkurrierende Aufsichten.” Was soll das konkret in Deutscchland sein? Die Genehmigungsverfahren in DE sind in eine starre Hierarchie eingebettet und letztendlich ist ein einziger Beamter für den Stempel zuständig, der aber in aller Regel nicht die persönliche Verantwortung trägt. Dafür ist vielleicht der eine oder andere für Geschenke empfänglich. Wenn sowas je herauskommt, dann nur, wenn es allzu dilettantisch gemacht wurde. Offensichtlich korrupte Beamte in DE machen sich immun, indem sie zu hohen Funktionen im Staat kandidieren.

Ludwig Luhmann / 16.07.2022

Hat die Grüne Internationale mittlerweile gefühlte Zahlen über die Millionen Strahlungstoten marktschreierisch veröffentlicht?

Jochen Lindt / 16.07.2022

Lächerliches Sündenbock-Spielchen. Zeigt nur das politische Justiz nicht funktioniert.

Holger Kammel / 16.07.2022

Nicht ganz richtig Herr Ostrowsky. Natürlich war es ein Konstruktionsfehler, die Notstromanlage nicht flutsicher aufzustellen. Es wäre allerdings Sache der Aufsicht gewesen, auf diesen Mangel hinzuweisen und ihn abzustellen. Das Problem lag zum Teil im kooperatistischem japanischen Selbstverständnis. Aufsicht und Betrieb müssen in Konkurrenz sein, ansonsten funktionieren sie nicht! Das weiß jeder halbwegs gebildete Ingenieur. Sensible technische Anlagen, und dazu gehören weit mehr als Kernkraftwerke, in erster Näherung gehört jeder Aufzug dazu, bedürfen einer kritischen Aufsicht. Dafür haben wir vor knapp 150 Jahren den TÜV gegründet.  Und das muß eine eigenständige Organisation sein. Selbst dann können noch Fehler passieren. Wo Menschen arbeiten, wird gemenschelt. Deswegen braucht man mehrere konkurrierende Aufsichten. Alles bekannt, früher in Deutschland auf das Vorbildlichste umgesetzt. Aber wir haben heute “Göttinnen”, die alles und vor allem viel besser wissen, aber keinerlei Verantwortung tragen. Im Ahrtal zu besichtigen. Wie mir einmal ein erfahrener Kollege gesagt hat: “Feminisierung heißt, früher war Vernunft, heute ist Gefühl.” Und das beschränkt sich nicht auf den weiblichen Teil der Nichtverantwortungsträger.

Rudhart M.H. / 16.07.2022

- ...nun ja, sie werden es schon “irgendwie abbinden” , um den Slang unserer dümmlichen Politkasper zu verwenden.

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