Zu den Lieblingsbeschäftigungen wohlemeinender deutscher Gutmenschen
gehört die ständige Suche nach einer gerechten Lösung der
Nahostfrage zwischen Israelis und Palästinensern.
Bei einem Kurzbesuch der Nikolaikirche zu Leipzig im Februar dieses
Jahres hatte der israelische Botschaftsrat Ilan Mor den hierzulande
weltberühmten Eventpfarrer Christian Führer beiseite genommen und ihn
gefragt, ob er zur Abwechslung nicht mal ein Friedensgebet mit
Fürbitten für die im Vorfeld des Libanon-Krieges entführten drei
israelischen Soldaten Ehud Goldwasser, Eldad Regev und Gilad Schalit
organisieren könne.
Daraufhin hagelte es offenbar Kritik aus der Nikolaigemeinde, denn
schließlich - so die Kritiker - sei es doch eigentlich ein ungeheuerlicher
Vorgang, daß ein Friedensgebet, das normalerweise nur aufgrund von
Basisinitiativen zustande käme, nun auf einmal durch eine diplomatische
Intervention von außen stattfinden sollte.
Wann - so wurde gefragt - hätten denn umgekehrt schon mal Juden für
Christen Fürbitte gehalten, und außerdem sei doch im Sinne größtmöglicher
Gerechtigkeit zu fragen, wo denn bei einem derart einseitigen
Gebetsanliegen die armen unterdrückten Palästinenser blieben.
Doch wie fast immer bei deutschen Gutmenschen, die zwar meist wenig
Ahnung vom Nahost-Konflikt, dafür jedoch eine umso stärkere Meinung haben,
fand die ultimative moralische Instanz dieser Stadt, Pfarrer Christian
Führer, am Ende doch noch eine salomonische Lösung des Problems, mit der
er versuchte, die “Gerechtigkeitslücke” seit dem Libanon-Krieg im
Sommer 2006 zu schließen.
So schloß Führer in seine Fürbitte für die drei israelischen Soldaten
selbstverständlich auch deren Entführer, die vermutlich der
proiranischen Hizbullah zuzurechnen sind, und darüberhinaus auch die zahlreichen in
israelischen Gefängnissen einsitzenden Kriegsdienstverweigerer von
Tsahal mit ein, denn schließlich gehört es - wie Wolfgang Pohrt einmal zu
bemerken pflegte - nach wie vor zu den vornehmsten Aufgaben deutscher
Gutmenschen, so penibel darauf Acht zu geben, daß die Opfer von einst,
die Juden, nicht plötzlich wieder rückfällig werden und
als Israelis auf einmal entdecken daß es viel mehr spaß
macht, Täter statt Opfer zu sein.
In diesem Sinne war das Friedensgebet für Ehud Goldwasser, Eldad Regev
und Gilad Schalit womöglich die angemessene Auftaktveranstaltung zur
bevorstehenden Exkursion evangelischer deutscher Bischöfe ins Heilige
Land und diente somit neben der beabsichtigten Überbrückung der
“Gerechtigkeitslücke” zwischen Israelis und Palästinensern auch der
kostenlose Nachhilfe wohlmeindender protestantischer Gutmenschen in puncto
“angemessene Israelkritik”, bei der ihre katholischen Glaubensbrüder
spätestens seit ihrer kürzlichen Reise in das Land des
“kleinen Satans” in der Führung liegen.
So ist es nur zu begrüßen, wenn vom letzten Friedensgebet Pfarrer
Führers in der Nikolaikirche zu Leipzig nunmehr die
frohe Botschaft in alle Welt geht:
“Es lebe die Oekumene im Nahen Osten!”