Frische Kölner Bratwurst in Havanna

Von Klaus Leciejewski.

Ich bin verrückt, hoffentlich nur ein ganz klein wenig, aber verrückt ist verrückt! Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, in meinem Haus in Havanna frische Kölner Bratwurst herzustellen. Dazu braucht es nicht mehr als drei Dinge: Schweinfleisch mit einem ordentlichen Fettanteil, eine spezielle Gewürzmischung und Darm, wenn möglich gesäubert…

Seit fast vierzig Jahren wohne ich in der Nähe Kölns, und in diesen Jahrzehnten habe ich wahrscheinlich einen Rekord im Vertilgen frischer Bratwurst aufgestellt. Hamburger, Döner oder Currywurst lassen mich kalt, aber frische Kölner Bratwurst erregt meine Sinne. Irgendwann muß in meinem Gehirn eine falsche Polung erfolgt sein, und seitdem muß ich mit meiner Bratwurstsensilibierung leben, aber nur für frische Kölner!

Einmal hatte ich Freunde eingeladen, reichlich Bier bevorratet und von sieben verschiedenen Metzgern sowie aus drei Supermarktketten frische Bratwürste besorgt. Ich wollte ein Bratwursttestessen veranstalten, hatte davon meinen Freunden aber nichts kundgetan, denn sie wußten um mein Verrücktsein und wären nicht gekommen. Es wurde grauenvoll. Der erste stieg schon nach der dritten Wurst aus, die anderen folgten bis der letzte in der Mitte der sechsten urplötzlich aufstand und zur …, na, Sie werden sich schon denken können, wohin der rennen mußte. Ich hielt bis zum Anfang der neunten durch, aber nur mit reichlich Obstler, was nach der fünften jedoch zu unkontrollierten Seitenbewegungen meines Stuhles führte.

Dunkel, sehr dunkel kann ich mich noch erinnern, daß wir uns darauf einigten, die achte sei die beste Bratwurst gewesen, sie stammte aus einem Real-Markt, und war schon immer mein Favorit, aber woher wußten meine Freunde das? Während dieser Wahl passierte jedoch etwas Eigenartiges. Zwischen der vierten und der fünften fingen wir alle zu lachen an, nach der siebenten konnten wir damit gar nicht aufhören, dann rannte der nächste Freund aus unserer Runde weg, und als ein anderer nicht mehr aufstehen konnte, aber unter Lachen um einen Eimer bat, räumte meine Frau den Obstler sowie die letzte noch halbvolle Bierkiste weg und bestellte ein Taxi, aber das erfuhr ich erst am nächsten Nachmittag. Danach mußte ich eine mehrwöchige Bratwurstpause einlegen, obgleich wir uns alle versichert hatten, einen großartigen Abend gehabt zu haben.

Schweinekopf ja, aber keine Bratwurst, Kölner schon gar nicht

Nun war ich ganz darauf versessen, nach längerer Bratwurstabstinenz, eine solche, meine eigene, in Havanna herzustellen. Die Kubaner kennen viele kuriose Gerichte, wie gekochtes Rindfleisch, danach fein zerfasert und in einer speziellen Tomatensauce aufgewärmt, was dann „Alte Wäsche“ heißt, oder einen kompletten Schweinekopf in einem riesigen Wasserkessel über offenem Holzfeuer kochen, in den dann sämtliche nur gerade verfügbaren Gemüse verkocht werden, womit ihre Lieblingssuppe „Caldoza „ entstanden ist. Aber eben keine Bratwurst und frische Kölner schon gar nicht. Irgendwie ist es doch ein armes Volk, verfügen über alle Zutaten für eine frische Kölner Bratwurst und sind nach 500 Jahren immer noch nicht darauf gekommen, eine solche Köstlichkeit herzustellen!

Ich ging auf den Markt. Zuerst kaufte ich Schweinefleisch. Der Händler wog einige Batzen ab und zeigte gleichgültig auf das Display seiner elektronischen Waage: 3,1 Kilo. Dann reichte er mir das Fleisch in einer der hier auf Kuba üblichen kleinen schneeweißen Plastiktüten, die aus einem mir unerfindlichen Grund „Nylon“ genannt werden. Irgendwo in den Weiten Chinas muß eine einsame Fabrik stehen, die ausschließlich Milliarden jener unbedruckten Plastiktüten für diese entfernte Insel herstellt. Im Unterschied zu Deutschland werden diese hier aber nicht ins Meer geworfen, sondern einer länger andauernden Mehrfachbehandlung unterzogen: erst Brot, sodann Fleisch oder Gemüse, darauf Ölflaschen oder Bierdosen, später vor allem das, was von den anderen übriggeblieben war und wir Müll nennen, jedoch gewaschen beginnt ein neuer Kreislauf.

Bekanntlich sind in Deutschland Einkaufsplastiktüten verpönt, weil die Deutschen damit die Meere vergiften. Das ist keine Propaganda der Papiertütenindustrie und der Waldbesitzer. Ich habe auf der Mole von St. Peter Ording mit eigenen Augen gesehen, wie aus einem Bus aus Bayern einfache Bergbauern mit dicken Rucksäcken herausquollen und ein Schiff bestiegen, das dann – ich kann es auf die beste aller Bratwürste beschwören – 5 km ins Watt hineinfuhr, wo diese schlichten Menschenkinder ihre Rücksäcke in das Wasser hinein leerten. Und was leerten sie? Ausschließlich Plastiktüten! Schlimm war das anzusehen, und wenn ich mir vorstelle, daß dies jeden Tag an den deutschen - und wohl auch an den holländischen – Küsten passiert, stehe ich vollends hinter der Entscheidung der Bundesregierung gegen Plastiktüten.

Ich hatte nun diese Plastiktüte mit meinem Fleisch in der Hand, hielt sie hoch, zog aus meiner Tasche eine kleine elektronische Sackwaage und wog in Richtung der Augen des Fleischverkäufers: 2,5 Kilo. Die Augen des Verkäufers wurde immer schmaler und immer kleiner, sein Gesicht nahm eine grünliche Färbung an, so daß ich befürchtete, gleich würde Galle aus seinem Mund herauslaufen, aber es kamen nur böse Worte heraus, ich wäre ein Gangster, der ihn betrügen und wenn ich mich nicht gleich davonmachen würde, hätte er unter dem Tisch eine große Machete. Ungerührt zog ich eine Halbliterflasche Wasser aus meiner Tasche und stellte sie auf seine Waage: 0, 66 Kilo! Mit einem Blick, der mir alle Krankheiten der Welt auf den Hals wünschte, warf er mir einen weiteren Batzen Fleisch zu.

Meine Zauberwährung auf Kuba

Am nächsten Stand wurden Würste verkauft, die einen Duft verbreiteten, der mich davor warnte, sich mit ihnen näher zu befassen. Aber mein Sehnen war nicht auf diese landestypische Wurst gerichtet, sondern auf die Därme, die dafür benötigt wurden. Ich war mir gewiß, der Metzger brauchte Därme, indessen versicherte er mir, keine zu haben. Ich bot ihm einige der kleinen bunt bedruckten Scheine aus meiner Tasche an. Er hatte immer noch keine Därme, aber er kannte mich, was ich nicht wusste. Es hatte sich auf dem Markt herumgesprochen, daß dieser verrückte Deutsche stets etwas weitaus besseres als nur diese Scheine mit den Zahlen darauf mit sich trägt.

Mein Zaubermittel auf Kuba beim Auftreiben von absolut nicht vorhandenen Waren bestand aus kleinen viereckigen, kaum handtellergroßen fest verschweißten Plastiktütchen, deren Inhalt ausschließlich für Männer gedacht ist. Auf Kuba gibt es diese zwar auch, aber nur aus China, und die sind definitiv zu klein, vor allem bei kräftig gebaute Kubanern platzen sie recht schnell. Wer schon einmal in einem der kubanischen Überlandbusse aus chinesischer Produktion gefahren ist, weiß, was es heißt, aus großer Enge herauskommen zu wollen.

Ich verstand den Metzger und gab ihm eines der Tütchen. Er schüttelte mit dem Kopf, er hätte drei Meter Darm, ein Meter zu einem Tütchen. Da ich nur noch einen mit Bananengeschmack und einen in der Dunkelheit leuchtenden bei mir hatte, wurde mein Darm recht teuer. Aber ich mußte einwilligen, denn schon vorher hatte ich überall nach Darm gefragt, und nur Kopfschütteln geerntet. Wahrscheinlich werden auf Kuba Schafe und Schweine ohne Darm gezüchtet. Darüber sollten Sie bitte nicht lachen, denn auf dieser Insel wird das Absonderliche zur Normalität, wie beispielsweise der Preis eines Autos sich mit jedem seiner Jahre erhöht.

Also tauschten wir, und ich schlenderte weiter zum Gemüsestand, um 1 Kilo Tomaten zu kaufen. Das Spiel wiederholte sich, meine Waage zeigte 0, 6 Kilo, aber die Gemüsefrau legte mir einfach noch ein paar Tomaten zusätzlich in die Plastiktüte. Dann benötigte ich auch noch Zwiebeln und Knoblauch. Ohne diese abzuwiegen, reichte sie mir die zwei Tüten. Ich blickte verwundert. Gelassen meinte sie, daß ihre „Gerichts“-Waage mit den Gewichten 70 Jahre alt sei, da könne ich nicht verlangen, aufs Gramm genau zu erhalten, ich sollte mit meiner eigenen Waage wiegen und ihr das Resultat zeigen, ihr Taschenrechner würde mir dann sagen, wie viel ich ihr zu zahlen hätte. Ich freute mich über diese echte kubanische Lösung. Einige Sekunden lang, überlegte ich, mich vor dem Eingang des Marktes zu stellen, und meine deutsche Kofferwaage für eine kleine Gebühr jeweils 10 Minuten zu verleihen, aber dann dachte ich an die vielen versteckten Macheten unter den Verkaufstischen und verwarf meine an sich originelle Idee ganz schnell wieder.

Kartoffeln gegen LED-Licht

Der folgende Stand bot Süßkartoffeln (Boniato) und Malangawurzeln an, aber keine Kartoffeln. Ich war mir jedoch absolut sicher, daß der Typ noch irgendwo Kartoffeln gebunkert hatte. Erst vor zwei Wochen hatte ich von ihm gegen zwei meiner possierlichen Tütchen ein Kilo erhalten, doch diese Nummer zog jetzt nicht mehr. Womit konnte ich ihn jetzt zu Herausgabe seiner Knollen bringen? Sicherlich mit dem doppelten des ursprünglichen Preises, aber das wurde mir nicht gerecht, weil zu primitiv.

Da spürte ich in meiner Hosentasche einen Schlüsselanhänger mit einem kleinen LED-Licht. Völlig gleichgültig holte ich ihn heraus und leuchtete damit die Boniato ab. Dabei sah ich ihn nicht an, spürte jedoch beim Vorbeugen über die Boniato seinen Atem in meinem Nacken. Ich hatte ihn! Die Schlüsselanhänger waren Mitbringsel (in deutscher Übersetzung heißen sie „give aways“) von meinem Freund Tom Babion, Apotheker in der Schloßapotheke in Brühl (das war jetzt eine Werbeeinblendung!). Ein gutes Dutzend hatte ich noch zu Haus, augenblicklich in meiner Tasche nur drei. Wir handelten ein bißchen, nur so zum Schein, zur Gesichtswahrung des Verkäufers, bis ich für drei ein Kilo erhielt, unsichtbar verpackt in zwei ineinander gestülpten weißen Plastiktüten.

Zuletzt in ein Mercado. Zwar hatte ich Mayonnaise, Ketchup und Senf zu Haus aber keine sauren Gurken. Ich fand welche: Ein 2 ltr. Glas mit 1 Kilo Gurken, aus Spanien. Damit hätte ich glatt zehn Kilo deutschen Kartoffelsalat machen können, aber ich hatte doch nur ein Kilo Kartoffeln! Für die nächsten Wochen zwang meine Frau mich, jeden Abend bei schlappen 30 Grad eine saure Gurke zu vertilgen.

Am nächsten Tag ging es los. Der Tomatensalat war das einfache Hausfrauenrezept meiner Großmutter, allerdings mit Basilikum aus meinem Garten, der bereits Kniehöhe erreicht hatte und umzuknicken drohte. Der Kartoffelsalat sollte eigentlich mit selbstgemachter Mayonnaise angemacht werden, aber der erste Versuch vor einigen Tagen war an einer Unterbrechung der Stromlieferung von 30 Minuten gescheitert, der Mayo-Ansatz brach zusammen. Als auch kurz danach der zweite einer plötzlichen Temperatursteigerung von 23 auf 33 Grad nicht ausgehalten hatte, entschied ich mich zum konventionellen Fertigprodukt.

Ein "zu viel" ist auf Kuba gänzlich unbekannt

Das kubanische hatte zu viel Essig, das spanische zu viel Zucker. Das war ungewöhnlich auf Kuba, weil ein „zu viel“ hier gänzlich unbekannt ist. Ich verrührte beide, zerkleinerte Zwiebeln und Gurken, schnitt die noch am Tag vorher gekochten Kartoffeln in feine Scheiben, vermischte alles, fügte noch ein wenig Gurkenwasser bei und hatte einen unter kubanischen Verhältnissen fast perfekten deutscher Kartoffelsalat, nur Edmund Merl in seiner Feinkostfabrik in Brühl – selbstverständlich bei Köln! - bei stellt besseren her. (Diese Werbeeinlage ist unbezahlt, noch, so hoffe ich …) Edmund ist zwar nicht mein Freund, kennt mich aber aus meinen Zeiten in seinem Karnevalsverein – woher sonst sollte man sich in Köln wohl kennen! -, tut jedoch bei jedem Zusammentreffen so, als ob er mich nicht kennen würde, vielleicht weil ich auf der Bühne immer so schrecklich falsch getanzt hatte, aber seine Salate sind deutschlandweit die besten, wobei die deutsche Grenze von Düsseldorf bis Koblenz reicht, mit Köln als absoluten Mittelpunkt.

Dann die Wurst: Zuerst Fleisch zerkleinern, die Maschine (eine chinesische, zwar nicht standesgemäß und wackelt auch bedenklich, aber immer noch besser als die kubanischen Alu-Fleischwölfe) macht daraus Gehacktes, was allerdings nicht gehackt, sondern zerschnitten wird, dann das Gehackte abgewogen und mit Gewürzmischung vermengt.

Die folgenden Sätze bitte überlesen, weil erneut Werbung, diesmal jedoch garantiert ohne Folge, weil Großkonzerne nur Fernsehwerbung verstehen, aber nicht die Wirksamkeit des umfangreichsten politischen blogs.

Sicherlich könnte ich diese Mischung selber zusammenstellen, wäre auch stilecht, aber erstens sind hier auf Kuba nicht alle Gewürze dafür zu bekommen, und zweitens schmecken mir die frischen Kölner Bratwürste aus meinem einheimischen real (ich habe bei „real“ das „,-“ vergessen, was ich hiermit nachhole) am besten, und als ich dies dem Metzger dort sagte, sowie so ganz nebensächlich und unbedeutend erwähnte, daß ich beabsichtige, seine Würste auf Kuba nachzumachen, aber mir dazu nur ein spezielles Gewürz aus seine Mischung nicht einfallen wolle, flog ich mit einem ordentlich abgepackten Kilo der Real-Originalgewürzmischung nach Havanna. Die Aufschrift auf der Packung erklärte mir, daß ich für ein Kilo 25 g benötigen würde. Aus meinem drei Kilo Fleisch gelangten mir 35 Würste, womit der Rest der Mischung noch für wenigstens weitere 300 Würste gereicht hätte, aber ich ja nur ein ganz klein wenig verrückt bin.

Der Aufsatz zur Maschine, um Würste zu füllen, war echt primitiv, nicht so raffiniert und vielfältig wie bei einem ordentlichen deutschen Marken-Küchengerät, aber zu meinem Erstaunen tat es auch dieser bestens, denn bereits die erste Wurst geriet perfekt, und wurde sogleich in der Pfanne ausprobiert, aber oh je, zu viel Salz in der Mischung. Nach zwei Flaschen Bier zum Neutralisieren fuhr ich noch einmal zum Markt, ging jedoch sicherheitshalber zu einem anderen Fleischer und zahlte für ein Kilo, den Preis, den er haben wollte, denn – auch sicherheitshalber – hatte ich gleich eineinhalb Kilo bestellt. Alles von vorn, zerkleinern, mischen Wurstaufsatz und Maschine anwerfen.

Für den Grill-Bausatz fehlten sämtliche Schrauben

Die zweite wurde auch sogleich gebraten: alles bestens. Dann loslegen! Indessen bei der dritten passierte ein Mißgeschick. In der Mitte platzte sie. Ich hatte wohl mit der Maschine ein wenig zu viel Druck gegeben. Nun verstand ich auch, warum und weshalb und wieso und wann die chinesischen Varianten meiner deutschen Tütchen bei kubanischen Männern platzen. Nach einer Stunde lagen auf einer Platte 32 wohlgeformte frische Kölner Bratwürste. Der Tomaten- und Kartoffelsalat reifte im Kühlschrank und das nach den Würsten zweitwichtigste, das Bier, war gut gekühlt!

Ich hatte einige mir inzwischen lieb und teuer gewordene Handwerker eingeladen, also meinen Elektriker, meinen Tischler, meinen Schlosser, meinen Maurer und meinen Maler. Zuerst baute ich den neu erworbenen Holzkohlengrill auf, besser: ich wollte, denn sämtliche Schrauben fehlten in der Verpackung. Kein Problem, meinte mein Schlosser, der Verkäufer wollte sich durch den gesonderten Verkauf der Schrauben nur einen kleinen Nebenverdienst verschaffen, das sei doch wohl verständlich und auch weithin üblich, ich hätte eben im Karton nachsehen sollen.

Dann ging er in seine Werkstatt zur nächsten Straße, der Elektriker begleitete ihn, gleichfalls vier Flaschen Bier. In der Zwischenzeit nörgelte meine Frau an der roten Farbe des Grills herum, die würde nicht zum Stil unserer Terrasse passen. Umgehend strich der Maler ihn blau, was bei 32 Grad und der Stunde Abwesenheit von Schlosser sowie Elektriker und zwei Flaschen Bier für den Maler kein Problem darstellte. Der Grill war zusammengebaut, zur Unterstützung waren weitere vier Flaschen Bier geleert worden, nun sollte Papier Holz anbrennen und das Holz die Kohlen. Dafür hatte ich bereits am frühen Morgen trockenes Äste von den Bäumen unserer Straße abgebrochen und in einem leeren Bierkarton gesammelt. Wo war diese Kiste?

Unschuldig erwiderte meine Frau, daß sie das vergammelte Holz in dem angeschimmelten Karton zum zentralen Abfallsammelpunkt am Straßenende geschafft hätte. Die Gute war eben keine Grillerin! Der Tischler sah darin kein Problem, zusammen mit dem Maurer sowie zwei Flaschen Bier ging er in seine Werkstatt am Ende der Straße, wo es reichlich Holzspäne gab. Nun war alles zum Anheizen bereit. Weit gefehlt! Meine fünf Freunde begutachteten zuerst einmal die Grillkohle und das fiel negativ aus. Sie sei zu alt, zerbrösele zu schnell und hätte ja auch schon weiße Flecken. Alles sah ich ein, nur das mit den weißen Flecken nicht und auch nicht so richtig, weshalb Kohle im Alter schlechter brennen solle. Aber mein Elektriker kannte einen Nachbarn in der Seitenstraße, zusammen mit dem Tischler – alles andere kennen Sie schon …

Der vietnamesische Ketchup war greulich und der spanische Senf abscheulich, indessen meine Frau beide mit dem Rest der abstoßenden kubanischen Mayo mixte und dabei eine brauchbare Salsa für die Würste herauskam, was küchentechnisch eigentlich unmöglich ist, aber Griller brauchen eben doch eine Frau zu ihrem Grillvergnügen!

Inzwischen dunkelte es, was den Vorteil hatte, daß wir die Kohle richtig glühen sahen, den Nachteil, daß wir nicht mehr die Verfärbung der Würste beim Grillen sahen, indessen frische Kölner Bratwürste schmecken in fast jedem Zustand, und außerdem mit Tomaten- und Kartoffelsalat und kubanischem Bier …

Jetzt müßte in meiner Geschichte das große Finale folgen, irgendein Gag oder noch etwas völlig Unerwartetes, in jedem Fall müßte ich noch einen Punkt machen, indessen blieb es bei den bekannten Folgen mit zu viel frischen Kölner Bratwürsten, fettigem Kartoffelsalat, fruchtigem Tomatensalat und - da mir wegen der langen Wege das Bier ausgegangen war - mit einigen Flaschen kubanischen Rum. Allerdings gab es einen Unterschied zu Deutschland. Alle meine Freunde wohnten in der Nähe und halfen sich wechselseitig beim Nachhausegehen, das heißt, jeder hielt abwechselnd die letzte Flasche Rum fest.

Klaus D. Leciejewski hat an verschiedenen deutschen Hochschulen Wirtschaft gelehrt, ist Autor mehrerer Sachbücher und Publizist. Er ist mit einer Kubanerin verheiratet und lebt einen großen Teil des Jahres auf Kuba.

Foto: Tim Maxeiner

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Stefan Lanz / 13.05.2017

Super lustiger Artikel! Ich war vor kurzem noch auf Urlaub in Kuba und kann alles 100%ig nachvollziehen :-) Was war es für Bier? Cristal (oder schreibt man es anders..)? Schade, dass ich das mit den Kondomen nicht gewusst habe, ich hätte mir einen Haufen Trinkgeld sparen können…  

Wolfgang Richter / 13.05.2017

Nützlich die Hinweise zu möglichen Parallelwährungen, Danke für die erhellende Grill- und Reiseberatung.

Johann Prossliner / 13.05.2017

Die original-kölnischen Bratwürste mögen sehr gut sein—aber die frischen Thüringer (z.B. auf dem Weimarer Markt) sind einfach unübertrefflich.

hubert paluch / 13.05.2017

Sympathisch ihre Berichte über das Leben in einem Dritte-Welt-Land. Inzwischen können viele Menschen im real existierenden kubanischen Sozialismus uns wohl nur noch ihre Körper verkaufen.

Marcel Seiler / 13.05.2017

Man kann gut verstehen, weshalb der Sozialismus für junge Leute so attraktiv ist, jedenfalls in der kubanischen (und nicht der venezolanischen) Fassung: das macht einfach viel mehr Spaß als dieser langweilige deutsche Überfluss! Und diese vom Sozialismus geförderte Kreativität!

Wilfried Cremer / 13.05.2017

Gab es wenigstens Bischof-Kölsch?

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