Friedrich Merz in Theorie und Praxis

Vor einigen Tagen klagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz noch öffentlich über die um sich greifende Cancel Culture, jetzt praktiziert er sie selbst. Seine amerikanischen Freunde verstehen das allerdings nicht.

Am 27. Juli gab Friedrich Merz der WELT ein Interview zum Thema Cancel Culture: „Linke Aktivisten gehen gegen völlig legitime Meinungen vor.“ Im Gespräch mit Anna Schneider sagte der CDU-Bundesvorsitzende u.a.: „Die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit ist aus meiner Sicht inzwischen die Zensurkultur, die man im angelsächsischen Sprachgebrauch auch „Cancel Culture“ nennt. Ich sehe mit größter Besorgnis, was an den Universitäten in den USA passiert; das schwappt jetzt auch nach Europa über.“

Was da aus den USA nach Europa überschwappt, fiel dem Freizeitpiloten Merz nur sechs Tage später mächtig auf die Füße. Der Absturz begann gestern um 10:31 Uhr mit einem Doppel-Tweet der ZEIT-Redakteurin Mariam Lau. Friedrich Merz hat seine Teilnahme an der Veranstaltung mit dem US-Senator Lindsey Graham in der Baden-Württembergischen Landesvertretung abgesagt. Es sei nicht klar gewesen, dass außer Graham u.a. auch Broder und Steinhöfel an der Veranstaltung teilnehmen würden, heißt es aus Merz’ Umfeld. Diese AfD-Nähe einiger der sonstigen Veranstaltungsteilnehmer sei für ihn völlig inakzeptabel. Auch die Landesvertretung hat die Veranstaltung nun abgesagt. Ihr waren die genannten Teilnehmer im einzelnen auch nicht bekannt gewesen.

Übersetzt in Leichte Sprache heißt das: Entweder Frau Lau hört das Gras wachsen oder jemand aus „Merz' Umfeld" hat ihr exklusiv eine Nachricht zugespielt – damit sie den Scoop in die Öffentlichkeit trägt. Was sie auch prompt tat, ohne zu fragen, ob sich die Causa tatsächlich so abgespielt hat. Als Quelle und Authentizitätsbeleg reichte der Hinweis auf dem Merz sein Umfeld. 

Ich habe nicht vor, Herrn Merz zu treffen

Allerdings dauerte es nur ein paar Stunden, bis aus dem Fackelzug ein Furz wurde. Hieß es noch am Anfang, Merz habe wegen der AfD-Nähe einiger der sonstigen Veranstaltungsteilnehmer abgesagt, reduzierte sich das ohnehin schwindsüchtige Argument auf das Format einer Knallerbse. Merz nahm es Steinhöfel übel, dass dieser in einem Parteiausschlussverfahren Max Otte vertreten hatte. Das war's.

Inzwischen verdichten sich die Hinweise aus dem Umfeld von Merz, dass der Parteivorsitzende zu der Absage seiner Teilnahme „überredet" werden musste – von Angehörigen des Merkel-Flügels in der CDU-Fraktion. Näheres sollte Mariam Lau wissen, und wenn sie es weiß, wird sie es bald bestimmt auch uns wissen lassen.

Unabhängig davon verbreitete Merz die frohe Botschaft, er werde sich mit Lindsay Graham privat treffen. Aber auch daraus wird nichts. Der „rechte" US-Senator lässt seinen Freund Merz allein im Regen. „Ich habe nicht vor, Herrn Merz zu treffen“, erklärte Graham am Dienstagabend und begründete seine Entscheidung so: „Bei Konservativen geht es um einen offenen, ehrlichen Dialog, in dem Standpunkte dargelegt werden und die Menschen zusammensitzen und einander zuhören“ und sich „nicht gegenseitig canceln, bevor sie sprechen“. Dann nämlich „sind wir nicht anders als die Linken“.

Tut uns echt leid, Friedrich, aber nicht wir haben es vermasselt, sondern Du. Jetzt bist Du allein im Haus. Viele Grüße an Dein Umfeld.

Siehe auch:
Friedrich Merz cancelt sich selbst
Riesen-Klatsche für Merz
Friedrich Merz sagt rechte Veranstaltung plötzlich ab
Merz sagt Teilnahme an Veranstaltung mit US-Senator Graham ab
„Schande über den feigen Merz“
Merz sagt Teilnahme an Rechtsaußen-Veranstaltung ab 
Kuschte Merz vor den Grünen? 
Veranstaltung mit Rechtsaußen: Friedrich Merz zieht Teilnahme zurück
BW bleibt sauber 

Friedrich Merz war, ist und bleibt mit Lindsey Graham verabredet

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Leserpost

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Théodore Joyeux / 03.08.2022

Ich habe neulich gehört, es soll noch zahlende Mitlgieder in der CDU geben. Das ist gut so, denn in der Oppositionsrolle und unter der Domina-Peitsche der Kriegstreiberpartei den GRÜNEN können diese Dorftrottel sowieso nichts ausrichten und wandeln im Politgeschehen wie ein auf der Großkirmes irrendes, verlaufenes und heulendes Kleinkind, mit dem jeder Mitleid hat und dem man so gerne helfen möchte, auch wenn sein Heißluftballon für immer weg ist.

Wilhelm Rommel / 03.08.2022

@Walter Ebert: “Das einzige, was FM noch von KGE unterscheidet, scheint der Pilotenschein zu sein. Immerhin ein Abschluss ...”. Apropos “Pilotenschein” - da sagen Sie was, bester Mitforist! Es gab da doch vor längerer Zeit so einen nassforschen Quax, der hieß Mümmelmann oder so ähnlich und kam auch aus NRW. Ein schöpferischer Bekannter entwarf damals (2003) aus gegebenem Anlass eine private “Briefmarke” mit einem Beduinen hoch zu Dromedar und der mikroskopisch kleinen Inschrift: “Der Himmel, aus dem er fiel, war heiter…”. Sollte nicht der fliegende FM eventuell noch zusätzlich unter die Fallschirmspringer gehen?

Jürgen Fischer / 03.08.2022

Gibt’s einen Grund, diesen Luftikus überhaupt noch zu erwähnen?

S. E. L. Müffler / 03.08.2022

1. War das jetzt ein doppelter Drehhofer oder ein einfach versprungener Söder? 2. Michael Klonovsky über eine andere Person, zu einer anderen Gelegenheit: “Für einen Mann ohne Rückgrat sitzt er erstaunlich aufrecht.” 3. Womit hat man ihm gedroht, wenn er nicht folgt, daß nachts der Bullemann kommt? 4. Was sagt Ihnen der Name Diederich Heßling?

Torsten Lange / 03.08.2022

Bin verwirrt:  Die einen wollen mit der Weltwoche nichts zu tun haben, die anderen mit jenen, die mit der Weltwoche nichts zu tun haben wollen. Beiden ist gemeinsam, dass sie nichts mit denen zu tun haben wollen, die cancel culture betreiben. Irgendwie bizarr…!

Dr. Hans Wilhelm Meier / 03.08.2022

@Stefan Ahrens : Helmut Kohl und Helmut Schmidt in einem Atemzug, das ist schon starker Tobak. Wo bleiben die Welten, die zwischen den beiden liegen ? Helmut Kohls “Mädle” hat die CDU vergrünt und ein Merz kann die Partei nicht wieder “normalisieren”. Dazu bräuchte er Charakter. Ceterum censeo, der Islam gehört weder zu noch nach Deutschland.

Torsten Hopp / 03.08.2022

Früher waren Macher Millionäre. Heute sind es Schwätzer.

Walter Gustav / 03.08.2022

Wir müssen halt feststellen, dass die Zeit von Staatsmänner oder auch Frauen lange vorbei ist. Vielleicht hatte Schröder als letzter etwas davon. Verantwortung übernehmen steht halt nicht mehr vorne an. Streife mir dieses Verantwortungsgen auch gerade ab, ist doch nur lästig und etwas für alte weiße Männer.

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