Friedrich Merz: Everybody’s Darling is everybody’s Depp

Vor ein paar Tagen hat Friedrich Merz sich mit der indirekten Empfehlung hervorgetan, er sei der richtige Kanzler für eine Schwarz-Grüne Koalition. “Hört, hört”, dachte ich und auch an ein Manöver zur Maximierung von Delegiertenstimmen auf dem Parteitag im Dezember. Das grüne Jackett und der Verzicht auf Manschettenknöpfe waren zu übertrieben. Da wollte sich jemand anbiedern. 

Jetzt hat der schneidige Jurist die nächste Image-Rakete gezündet. Er fordert im Deutschlandfunk-Interview eine europäische Wirtschaftspolitik, europäische Banken und natürlich europäische Digitalunternehmen. Der Lordsiegelbewahrer des Erbes Ludwig Erhards würde anders klingen. Und wer sich beliebt machen will, wird schnell gerne beliebig. Oder, wie Franz-Josef Strauß seligen Angedenkens sagte: Everybody’s Darling is Everybody’s Depp. Genau zu dem macht sich der liberal-konservative Hoffnungsträger gerade. 

Mit seiner europäischen Industrie-Politik und Strategie macht Merz nicht nur den Altmaier, dessen wirtschaftspolitische Prinzipien sich durch Abwesenheit auszeichnen. Das Argumentationsmuster des DLF-Interview könnte auch aus dem Elysee-Palast stammen. In Frankreich nennt man das seit Jahrzehnten “Planification”, die französische Version von Planwirtschaft. 

In der Corona-Krise bekommen die Politiker orgiastische Rettungsgefühle. Sie lieben doch alle und gebärden sich als wohlmeinende, besserwisserische Paternalisten. Das passt zur Planification. Wie stünde es um die Beliebtheit von Merkel, AKK, von der Leyen, Scholz und Altmaier, wenn es Corona und die Armada der Rettungsschirme nicht gäbe. Und das schöne daran, die brauchen die ja nicht mal zu bezahlen. Das müssen die Geretteten schon selber machen, wenn sie es nicht durch die Negativzinsen mit Vermögensverlust kompensieren. 

Ausweis vollständiger wirtschaftspolitische Unkenntnis

In Gmund am Tegernsee wären während des DLF-Interviews seismische Schwingungen zu messen gewesen, ausgelöst durch die Erdbewegungen auf dem Friedhof, auf dem Ludwig Erhard kaum in Frieden ruhen dürfte. Denn Merz’ Äußerungen waren bestenfalls ein Ausweis seiner vollständigen wirtschaftspolitischen Unkenntnis. Sollte er sein Wissen geleugnet haben, um so schlimmer. 

Denn Erhards Erfolgsrezept (“Wohlstand für alle”) war das exakte Gegenteil der Merzschen “Europa”-Allmachtphantasien: Wettbewerb ist das beste Verfahren zu Entdeckung neuen Wissens (F. A. von Hayek). Und Wettbewerb maximiert das in einer Gesellschaft eingesetzte Wissen aller Bürger. Wettbewerb war das Erfolgsprinzip des Wirtschaftswunders. Der “Green New Deal”, der den Merzschen Visionen am nächsten kommt, ist das Gegenteil. Er reduziert das Wissen auf das derjenigen, die den Plan machen. Und wo das hinführt, können unsere ostdeutschen Mitbürger noch beredt berichten. 

Merz will “europäische Banken”. Also noch größere. Die haben dann die Eigenschaft, beim Zusammenbruch nicht nur eine, sondern ganze Volkswirtschaften mit in den Abgrund zu reißen. Sie sind dann so systemrelevant, dass die Steuerzahler Europas wieder für die Pleite bezahlen müssen. Außerdem gab es die schon öfter. In den letzten Jahrzehnten haben die Banken fröhlich fusioniert oder sich gegenseitig aufgekauft. Das hat sie nicht vor der Finanzkrise bewahrt. 

Wenn es viele kleine Banken gäbe, die einzeln bei Misswirtschaft gerne pleite gehen können, ohne eine ganze Volkswirtschaft zu gefährden, wäre das viel besser. Und der Wettbewerb um die Kunden würde die effizient und schlank machen. Größe bedeutet immer Macht. Und die ist gefährlich.

Zwei Nullen kämpfen darum, die Eins zu werden

Merz sagt, der Erfolg der USA und Chinas läge darin begründet, sie haben jeweils nur zwei oder drei “Digital-Unternehmen”. Europa habe 200. Das sei der Grund für Europas Schwäche. So ein Schwachsinn. Zunächst einmal sollte er erklären, was ein “Digitalunternehmen” eigentlich ist. In Deutschland hat man schon 1987 die Digitalisierung der Politik eingeführt. Mit Helmut Kohl und Johannes Rau, so erzählte man sich, kämpften zwei Nullen darum, die Eins zu werden. Mir scheint, die Anzahl der Nullen in der Politik hat exponentiell zugenommen. 

Digitalisierung ist eine Worthülse für alle diejenigen, für die 2013 das Internet noch “Neuland” war (Angela Merkel). Die Wissensgesellschaft findet schon seit Jahrzehnten statt und lässt die Politiker unwissend zurück. Je weniger die verstehen, desto mehr Wissen maßen sie sich an und richten damit einen gewaltigen Schaden an. 

Ich vermute, Merz kennt den geistigen Vater der sozialen Marktwirtschaft, Walter Eucken nicht mal (Ludwig Erhard: “Marktwirtschaft ist immer sozial”). Er hat den Begriff des Ordoliberalismus geprägt: Der Staat setzt einen Rechtsrahmen negativer Regeln, um die Freiheit des Einzelnen vor dem Mächtigeren und dem Staat zu schützen und garantiert so fairen Wettbewerb. 

Und er hat die moderne Wettbewerbspolitik formuliert. Unternehmen dürfen durch Kauf anderer oder Fusion keine marktbeherrschende Stellung erlangen. Wer aus eigener Kraft diese marktbeherrschende Stellung erlangt, darf die nicht ausnutzen. Sonst setzt es Strafen und droht die Zerschlagung.

Merz hat sich zum Anwalt der Zensur gemacht

Eucken erfand das im Industriezeitalter, als durch die Schwerindustrie solche Strukturen jahrzehntelang zementiert wurden. Heute ist auf dem Weltmarkt der Wettbewerb innovationsgetrieben. Wer in dem, was Merz für die digitale Welt hält, erfolgreich sein will, muss innovativer und schneller sein als sein Wettbewerb. Größe ist da eher hinderlich. Und gefährlich ohnehin. 

Die Fusionskontrolle hat gepennt, als sich Facebook Instagram und Whatsapp und Google Youtube einverleibten. Das hätte die EU-Kommission untersagen können. Die Konsequenzen sind dramatisch. Die Algorithmen, die bestimmen, was wir sehen und lesen – und damit unsere Meinung – und was wir kaufen, sind in der Hand Weniger. Eucken und Erhard wäre das ein Graus. Eucken prägte dafür den Begriff “Vermachtung”. Und mittlerweile schwant uns auch, dass die Regierungen durch öffentlichen Druck und die Erfindung der fingierten Zwillinge “Fake News und Hate Speech” diese Algorithmen in ihrem Sinne verändern. Je weniger Algorithmen es gibt, desto besser kann der Staat sie kontrollieren. Merz hat sich zum Anwalt der Zensur gemacht. 

Vor einiger Zeit wollte die Ludwig-Erhard-Stiftung Friedrich Merz einen Preis verleihen. Der schlug ihn aus, weil er nicht mit deren Vorsitzenden Roland Tichy auf einer Bühne stehen wolle, wie man hört. Falscher Grund. Richtige Entscheidung.

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Leserpost

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Sebastian Gumbach / 09.07.2020

Ich will hier niemanden verärgern, aber es ist vollkommen egal, wer gewählt wird. Der Kandidat muss - und das ist das wichtigste - die Agenda der globalen Elite verkaufen. Wenn Merz ein guter Verkäufer ist, dann wird man ihn nehmen. Wenn nicht, dann wird jemand aus dem Hut gezaubert. So wie Kurz, so wie Macron. Ändern wird sich nichts.

Martin Müller / 09.07.2020

Auch Merz schwimmt mit dem Zeitgeist mit. Das war zu erwarten! Da fehlt einfach das Rückgrat…. Es wird also kommen, wie es kommen muss: Der Krug geht solange zum Brunnen , bis es bricht. Und das gilt auch für einen potenziellen Kanzler Merz.

Michael Scheffler / 09.07.2020

Ist es wirklich nötig, dass sich die Achse an diesem soften egg abarbeitet? Ich kann mich nur nicht entscheiden, ist es ein gerührtes oder ein verlorenes?

Jochen Lindt / 09.07.2020

Ich habe es schon mal geschrieben und wiederhole es hier: Wenn F.Merz aufgestellt wird, wähle ich nie wieder CDU.  Der Mann ist eine Lusche, prädestiniert für zweite Plätze. (Wie jetzt auch bei der Heuschrecke BlackRock).

Marion Sönnichsen / 09.07.2020

Vergleichen wir die heutigen Äußerungen von Friedrich Merz mit seinen Äußerungen, die er in folgenden drei Interviews von 2016 bis 2019 auf phoenix formulierte: Interview Nr. 1 mit Michael Hirz, Phoenix – Im Dialog, vom 08.07.2016 (Themen u.a. über Euro-Desaster, über die Verantwortung Deutschlands für den Zerfall Europas, über Europas Konstruktionsfehler, darüber, dass es in Europa nie einen europäischen Konsens gab und möglich sein wird, über europäische Vertrags- und Rechtsbrüche usw.) Interview Nr. 2 mit Michael Krons phoenix persönlich vom 22.06.2018 (über Trumps USA: „Die Demokratie in den USA funktioniert“, Rechtsstaatsdefizite in Europa dagegen immer deutlicher, CDU muss die konservative Mitte integrieren usw.) Aber das Beste findet man in Interview Nr. 3, phoenix persönlich, mit Michael Krons, 28.06.2019, hochinteressant, denn hier kommen die Grünen zum aller ersten Mal zur Sprache, denn vorher hat er sie nie auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt, im Gegensatz zur AfD. Und er erwähnt die Grünen nicht besonders nett, denn er reflektiert sie zum Thema deutsche Wirtschaft. Da fallen Sätze wie „... das der Nationalstaat nicht in irgendeiner europäischen Union aufgeht oder verschwindet…“ (bei Stelle 16:18), ab 17:06 äußert er sich auf die Frage nach einer Koalition mit den Grünen und bei 22:19 zu den hohen finanziellen Klima-Forderungen der Grünen und den Konsequenzen für den deutschen Arbeitsmarkt und die deutsche Wirtschaft. Er kritisiert, in Rage sogar, die deutschen Medien ob des gezielten Hochpuschens der Grünen: „Alle 90 Sekunden verliebt sich ein deutscher Journalist in Robert Habeck“. Und was erleben wir heute für einen Friedrich Merz? Unfassbar!

Maike Citronella / 09.07.2020

Friederich Merz galt lange Zeit als Merkel-Kritiker und als konservativer Hoffnungsträger für die CDU und ihre Wähler. Das kann man als grundlegend beendet betrachten. Anstatt den Schatten Merkels hinter sich zu lassen, ist er in den Schatten von Merkel getreten. So gesehen verkommt auch seine Person zu einem kleinen Licht, dass den Schatten Merkel`s nicht durchdringen kann. Er wird sich einreihen in die Riege jener CDU- Politiker, die man als Steigbügelhalter der Alternativlosen bezeichnen kann.  Vielleicht hat man zuviel von ihm erwartet und nicht erkannt, wie klein er in Wirklichkeit ist! Die Sache mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel, hat ihn zwar aufgewertet, war aber in Wirklichkeit nur eine Luftnummer und leichte Satire auf Kosten der Steuerzahler. Friederich Merz will sich profilieren, erkennt aber nicht die beliebige Rolle die er dabei spielt. Er hatte seine Chance, er hat sie wieder nicht genutzt, weil er es nicht kann. Das tritt jetzt schonungslos zu Tage. Leider gibt es keinen echten Herausforderer von Merkel. Vielleicht noch Herr Maassen, aber der ist ja in der Werteunion und die ist ja auch nur zu einem Papiertiger mutiert und wird als Außenseiterverein der CDU betrachtet. Frau Merkel kann sich entspannt zurücklegen, es gibt kein echten Widersacher mehr, sie hat die Partei entkernt! 

sybille eden / 09.07.2020

Die absolute Entäuschung,- dieser Mensch hat doch fertig ! Schaut euch doch nur mal diese müden Augen an. Dabei hatte er noch 2005 (?) ein Buch geschrieben mit dem Titel : ” Mehr Kapitalismus wagen.” Hatte er das wirklich selber geschrieben ? Ich glaubs nicht mehr.

Renate Bahl / 09.07.2020

Mal ganz ehrlich: Sind wirklich so Viele auf ihn reingefallen, um ihn als Hoffnungsträger zu sehen? ?!! Der Mann ist karrieregeil und möchte Macht. Wäre es ihm ernst (und das Gleiche gilt für die Werteunion) würde er nicht bei irgendwelchen geschwurbelten Reden (z. B. Parteitag) von Merkel minutenlangen standing ovations mitmachen. Spätestens da wusste doch wohl jeder denkende Mensch wie der tickt. Wie alle Nullen in diesem Gruselkabinett, Futtertrog und Macht.

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