Im Senegal, in Botswana und Mauritius gab es in den vergangenen Monaten wenig beachtete friedliche Machtwechsel. Diese stabilen Länder zeigen ein demokratisches und friedliches Afrika und beweisen, dass der schwarze Kontinent auch anders kann.
Von der westlichen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, gab es in den letzten Monaten in drei afrikanischen Staaten friedliche Machtwechsel. Ein seltener Vorgang in Afrika. Hier wird nicht das häufig zu beobachtende Muster widergespiegelt: Die Amtszeit eines alternden Präsidenten und ehemaligen Hoffnungsträgers neigt sich verfassungsgemäß dem Ende entgegen, doch der Staatschef will unbedingt noch länger im Amt bleiben (Beispiel: „The problem of Africa in general and Uganda in particular is not the people but leaders who want to overstay in power“, – sagte Ugandas Langzeitpräsident Yoweri Museveni als er 1986 an die Macht kam). Doch hier lief es anders. Neben Uganda gibt es zahlreiche weitere harte Autokratien wie in Kamerun, Angola, Mosambik, Dschibuti und den gescheiterten Staaten Somalia und Südsudan.
Senegal – verschlankter Regierungsapparat
Der Senegal, dieses für die Stabilität in der Region so wichtige westafrikanische Land, hat sich klar für einen politischen Wechsel entschieden. Im März 2024 hat der unbekannte Oppositionskandidat Bassirou Diomaye Faye überraschend im ersten Wahlgang die Präsidentschaftswahl gewonnen. Im April wurde der 44-Jährige als jüngster amtierender Staatschef Afrikas vereidigt.
Bemerkenswert ist, dass das Wahlversprechen, den Regierungsapparat zu verschlanken (25 statt 34 Ministerien), tatsächlich umgesetzt wurde. Amtsinhaber Macky Sall hatte versucht sich verfassungswidrig an der Macht zu halten. Dies scheiterte am Verfassungsrat Senegals, dem höchsten Entscheidungsgremiums des Landes.
Die hohen Lebenshaltungskosten, bedingt durch massive Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln sind die größten Probleme der neuen Regierung. Auch die alltägliche Korruption soll durch konkrete Maßnahmen bekämpft werden. Weitere Kernversprechen des neuen Präsidenten sind die Anpassung des Bildungssystems an die Bedürfnisse des Markts. Allerdings besteht – wie in den meisten afrikanischen Staaten – die Wirtschaft zu fast 90 Prozent aus informellen Strukturen. Ob dem jungen Präsidenten, der einen linken Panafrikanismus vertritt, der versprochene Umbruch („rupture“) sowohl im politischen System als auch in der Wirtschaft gelingen kann, ist ungewiss. Mit dem übergeordneten Ziel, die Armut zu reduzieren und mehr Beschäftigung zu generieren zeichnet sich immerhin eine weitgehende Neuausrichtung ab.
Abschaffung sinnloser Institutionen
Im November 2024, acht Monate nach dem Überraschungssieg der Opposition, hat die neue Regierungspartei Pastef („Partei Afrikanischer Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit“) mit rund 80 Prozent auch die breite Mehrheit im Parlament gewonnen. Sie stellt 130 der insgesamt 165 Sitze in der Nationalversammlung des Landes. Die Wahl war weitgehend friedlich verlaufen.
Mit dieser komfortablen Mehrheit sollen – gemäß Plan Senegal 2050 – zum Beispiel zahlreiche Institutionen wie der Hohe Rat der Gebietskörperschaften (HCCT) und der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrat (CESE) mit Budgets in Höhe von Milliarden CFA-Francs abgeschafft werden. Nach Ansicht des Präsidenten haben diese Institutionen keinen positiven Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen. Sie würden der politischen Elite nur dazu dienen, die eigene Klientel mit Jobs zu versorgen.
Senegal ist wirtschaftlich gut aufgestellt und gilt als Demokratie. Betrachtet man die gesamte westafrikanische Region, ist Senegal seit der Unabhängigkeit 1960 von Frankreich ein politisch stabiles Land, das stolz auf seine demokratische Tradition ist. Senegal ist eine Präsidialdemokratie, deren Verfassung und Rechtsordnung sich am französischen System orientiert. Abgesehen von Autonomiebestrebungen einzelner Gruppen im Süden des Landes ist Senegal politisch stabil und sicher. Die demokratischen Institutionen sind gefestigt. Der Rechtsstaat funktioniert vergleichsweise gut. Das hat der Verfassungsrat, der die Aufgabe hat, auf die Einhaltung der Verfassungsbestimmungen und das Gleichgewicht der Gewalten im Staat zu achten, eindrücklich bestätigt.
Es gab in der Geschichte Senegals seit 1960 noch keinen Putsch, aber mehrere friedliche Machtwechsel, und dies in Westafrika, das mehr Militärumstürze erlebt hat als jede andere Region in der Welt. Senegal ist bislang von Terror verschont geblieben, Ethnien und Religionen leben weitgehend friedlich miteinander. Senegalesen setzen sich aktiv gegen Intoleranz ein und haben das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen im Land befördert.
Botswana – Regierungspartei verlor ihre Macht
Botswana hat seit seiner Unabhängigkeit von Großbritannien (1966) mit stabilen politischen Bedingungen große wirtschaftliche und soziale Fortschritte erzielt. Das Land hat – anders als viele andere afrikanische Staaten – seine Ressourcen auf verantwortungsvolle Weise genutzt. Institutionelle Strukturen einer Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit, Mehrparteiensystem und regelmäßige Wahlen sind vorhanden. Es gilt als eines der reichsten, demokratisch erprobten und am wenigsten korrupten Länder des Kontinents. Der regelmäßige Machtwechsel, wenn auch innerhalb der bisherigen Regierungspartei (nur eine einmalige Wiederwahl war möglich) unterscheidet Botswana auch erheblich von anderen afrikanischen Staaten. Gerichte sind unabhängig, Journalisten und Oppositionelle werden nicht bedroht. Noch nie haben politische Gegner im Gefängnis gesessen.
Im Oktober 2024 verlor die Regierungspartei (Botswana Democratic Party/BDP) erstmals nach 58 Jahren – als Folge einer Wirtschaftskrise – ihre Macht. Wahlsieger wurde der in Harvard ausgebildete Anwalt Duma Bodo mit dem Oppositionsbündnis (Umbrella for Democratic Change). Der scheidende Präsident Mokgweetsi Masisi übergab klaglos sein Amt.
Anmerkung: Der frühere Präsident Festus Mogae ist einer der wenigen Preisträger des hoch dotierten Mo-Ibrahim-Preises. Ihn erhalten nur ehemalige afrikanische Präsidenten, die sich verfassungsgemäß von der Macht verabschiedet und sich im Amt nicht bereichert haben. Der Preis wird seit 2007 vergeben. Es gab aber bislang nur sieben ehemalige Staatsführer, die die bescheidenen Kriterien erfüllt haben.
Eine halbe Million neuer Arbeitsplätze innerhalb von fünf Jahren
Botswana ist weltweit nach Russland der zweitgrößte Produzent von Diamanten. Diese Exporte machen etwa 80 Prozent aller Exporte aus. Die fallenden Weltmarktpreise haben zu der Wirtschaftskrise geführt. Die weltweit rückläufige Nachfrage nach den Edelsteinen und die zunehmende Popularität von synthetischen Diamanteen hat in Botswana für steigende Arbeitslosenzahlen und wirtschaftliche Turbulenzen gesorgt und beendete die bisherige Vorherrschaft der BDP.
Wahlsieger Duma Bodo versprach vor der Wahl mit einer besseren wirtschaftlichen Diversifizierung bis zu einer halben Million neue Arbeitsplätze innerhalb von fünf Jahren zu schaffen. Auch die BDP hatte immer wieder Versuche unternommen, lokale Industrien zu fördern und Wirtschaftszweige autark zu machen, etwa durch ein zeitweiliges Importverbot von bestimmten Lebensmitteln und Agrarprodukten (siehe auch „Botswana – eine afrikanische Erfolgsgeschichte“).
Mauritius – Sieg des Oppositionsbündnisses
Auch Mauritius – seit 1968 von Großbritannien unabhängig – gilt als stabile Demokratie. Der Inselstaat im Indischen Ozean gehört zu den reichsten Ländern Afrikas. Arbeitslosigkeit und Armut sind vergleichsweise niedrig. Früher war Zuckerrohr die wichtigste Einnahmequelle, heute lebt das Land vor allem von Tourismus, Lebensmittel-, Textil- und der Finanzindustrie.
Laut dem Demokratieindex des Economist gilt Mauritius als einzige volle Demokratie des Kontinents mit einer starken Wirtschaft. Knapp einen Monat vor der Wahl hatte Premierminister Pravind Jugnauth einen großen diplomatischen Erfolg verzeichnen können. Nach jahrzehntelangen Verhandlungen haben sich Großbritannien und Mauritius darauf geeinigt, das Chagos-Archipel, eine Inselgruppe im Indischen Ozean, als einer der letzten verbliebenen Teile des britischen Überseegebietes und somit Überbleibsel der Kolonialzeit, an Mauritius zurückzugeben. (Die größte Insel des Archipels, Diego Garcia, bleibt jedoch unter britischer Verwaltung und wird für mindestens 99 Jahre an die USA verpachtet, die dort einen wichtigen Militärstützpunkt unterhalten.) Anmerkung: Mauritius und die Inseln waren von 1715 bis 1814 französische Kolonien. Danach wurden Mauritius und die Chaos-Inseln 1814 von Großbritannien kolonisiert.
Trotz dieses bedeutenden Erfolgs hat der bisherige Premierminister die Wahl im November 2024 gegen das Oppositionsbündnis, die Alliance de Changement mit Navin Ramgoolam an der Spitze verloren. Ein Abhörskandal und die Entscheidung, den Zugang zu den sozialen Medien bis zum Tag nach der Wahl zu sperren, mit dem Argument, dies sei notwendig, um Unruhen vorzubeugen und die „nationale Integrität zu wahren“, zeigte deutlich, wie unzufrieden die Bevölkerung mit Regierung von Jugnauth war (siehe auch „Mauritius: Afrika geht auch anders“).
Volker Seitz, ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird arm regiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage) Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.
Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.
Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.
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