Gastautor / 22.08.2022 / 12:00 / Foto: Imago / 63 / Seite ausdrucken

Friederike von Kirchbach will sich selbst entlasten

Von Konrad Adam.

Was über die Raubzüge der ehemaligen RBB-Intendantin und ihrer Entourage bekannt wird, beschäftigt wie sonst nichts die Phantasie des Publikums; zu Recht. Hat aber auch die Aufmerksamkeit von anderen Personen und anderen Missständen abgezogen, und das zu Unrecht. Denn in dem Netz, das sich da langsam füllt, dürften ebenso viele faule Fische an Land gezogen werden wie jetzt aus der Oder. Tom Buhrows krampfhaftes Bemühen, den Schaden einzuhegen, beweist das zur Genüge. Jetzt ist die Vorsitzende des Rundfunkrates, die Theologin Friederike von Kirchbach, von ihrem Amt zurückgetreten – nein, nicht zurückgetreten: sie hat ihr Amt zur Verfügung gestellt, um einem Neuanfang nicht mehr im Weg zu stehen.

Der Unterschied ist keineswegs belanglos. Verbo solo, nur durch das Wort, das war der Wahlspruch Martin Luthers. Einer Theologin wie Frau von Kirchbach wird er geläufig sein, sie nutzt ihn jedenfalls auf ihr Art und Weise. Rücktritt, das klingt nach Scheitern, Misserfolg und Handtuchwerfen, und davon mag sie nichts hören. Sie macht es wie Franziska Giffey, die sich groß damit tat, auf einen erschwindelten Titel Verzicht zu leisten. Oder wie Olaf Scholz, der sich nicht daran erinnern  kann, was er als Hamburger Bürgermeister einer Hamburger Bank zugesagt, zugesteckt oder zugeschoben hatte. Frau von Kirchbach ruft nach einem Neuanfang und möchte dazu einen Beitrag leisten; was diesen Neuanfang so dringlich macht und was sie dazu beigetragen haben könnte, dass er nötig ist, darüber sagt sie nichts.

Für die Angehörige einer Organisation, der das Schuldbewusstsein – hält man sich an die Ein- und Auslassungen ihrer führenden Leute – in den Knochen sitzt, mag das überraschend klingen. Ist es aber nicht, da man sich ja von jeder Schuld freizeichnen kann, indem man sie anderen anhängt, dem Gottseibeiuns, den Faschos, der AfD oder sonst einem Tunichtgut. Dann ist man gerechtfertigt, also schuldlos, wenn schon nicht vor Gott, so doch vor den Menschen, und darf guten Gewissens zugreifen. Frau von Kirchbach hat das immer wieder und mit beträchtlichem Erfolg getan, der Sprung an die Spitze des Rundfunkrates war nur die Krönung ihrer eindrucksvollen Karriere.

Sie brachte es zur Pröpstin in einer Landeskirche, die erfolgreicher als alle anderen die Gläubigen aus ihren Reihen vertrieben hat, zur Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentages, am Ende dann zum Vorsitz im Rundfunkrat des RBB. Zehn Jahre lang hatte sie ihn inne und war damit verantwortlich, zumindest mitverantwortlich für das, was man inzwischen kurz und bündig den Schlesinger-Skandal nennt. Zu kurz und zu bündig, weil Frau von Kirchbach aus ihrer machtvollen Position heraus auch anderen zu einer Karriere verholfen hat, die ihnen selbst bei großzügiger Auslegung des Leistungsbegriffs nicht zustand.

Daran will sie jedoch nicht mehr erinnert werden. Nachdem die Folgen ihrer Klientelpolitik ruchbar geworden sind, rühmt sie sich, mit der fristlosen Kündigung – sie spricht von Abberufung – der von ihr berufenen Intendantin den Weg für neue Personen und Strukturen freigemacht zu haben. Für alles, was von nun an kommt oder noch kommen wird, seien neue Verantwortliche in die Pflicht zu nehmen, hat sie verkündet. Dass Pflicht und Verantwortung Wörter sind, die nur rückschauend ihren Sinn entfalten – ob pflichtgemäß und verantwortungsvoll gehandelt worden ist, lässt sich doch, wenn überhaupt, nur nachträglich erkennen – davon weiß Frau von Kirchbach nichts, will sie wohl auch nichts wissen. Denn dann käme irgendwann ja auch sie an die Reihe, und das wäre peinlich.

Der Wunsch nach der Ehrenerklärung

Wie alle Welt ist sie sich keiner Schuld bewusst. Ihre Verantwortung, erklärt sie kleinlaut, erschöpfe sich darin, Verantwortung abgegeben zu haben. Das hätte sie getan, und damit sei die Zeit gekommen, einen Schlussstrich, wörtlich so, zu ziehen: Die aufsichtsführende Person will sich selbst entlasten. Weil das nicht klappt, versucht sie nachzulegen. Sie wünscht sich eine Ehrenerklärung, die aber schwer zu haben ist, und deshalb stellt sie sich unter Rückgriff auf ihre theologische Kompetenz selbst eine aus. Ihre berufliche Integrität als Pfarrerin und Seelsorgerin infrage zu stellen, das werde sie, versichert sie trotzig, nicht hinnehmen – als ob es darauf ankäme, was sie selbst hinnimmt, nicht darauf, was das geprellte und enttäuschte Publikum hinzunehmen noch bereit ist. Viel wird das nicht sein, denn den charakter indelebilis, der den Gottgeweihten auch dann schützt, wenn er Dinge tut, die einen Anderen Kopf und Kragen kosten würden, den gibt es in der Evangelischen Kirche nicht; glücklicherweise nicht. Protestanten sind es gewohnt, die Lehrsätze und Lebensregeln, die ihnen in der Kirche verkündigt werden, auf die Verkünder selbst anzuwenden. Und sich von ihnen abzuwenden, wenn sie feststellen, dass da eine allzu große Lücke klafft.

Um mit einer persönlichen Bemerkung zu schließen: Ich wage mir nicht vorzustellen, was aus einer Gesellschaft werden soll, in der die Maßstäbe für Gut und Böse, Recht und Unrecht, Anstand und Moral von der Kirche, wenn schon nicht garantiert, so doch vorgelebt und einigermaßen glaubwürdig vertreten werden. Eine Kirche, die sich der Staatsmacht andient, kann oder will das aber nicht. Sie stellt nichts Eigenes mehr vor, nicht einmal ein Ärgernis, sie macht sich überflüssig.

Foto: Imago

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Leserpost

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Heiko Stadler / 22.08.2022

“Für alles was noch kommt, übernehme ich keine Verantwortung”, sagte auch der Kapitän der Costa Concordia, als er klammheimlich das sinkende Schiff verlies.

Jochen Selig / 22.08.2022

Schön, wieder was von Konrad Adam zu lesen.

Florian Bode / 22.08.2022

Wehe meiner Seele, wenn sie es von solchen Menschen besorgt bekommt! Frau v. Kirchbach handelt, wie in Politik und Konzernen heute üblich. Hand aufhalten, wenn es gut läuft und wegducken, wenn es Probleme gibt. Notfalls ein gemurmeltes “´tschuldigung”. Die Konsequenzen eigenen Handelns absehen und tragen? Das geht ja gar nicht.

Marco Schulz / 22.08.2022

Nein, die “Raubzüge” beschäftigen das Publikum nicht “zu Recht”. Sie beschäftigen es, da mit solch Bauernopfern und Anekdoten Spalten und Sendezeit gefüllt werden, so bleibt kein Raum, die eigentlich wichtigen Vergehen und Unterlassungen dieser Institutionen, Rundfunk und Kirche, aufzuarbeiten. Nach dem Gaslighting einer ganzen Nation! Spaltung, Hetze, Angst. Angriff auf die Sprache. Die Kinder traumatisiert.  Nachdem man Angst und Ekel ausgenutzt hat, um die “Pandemie” zu “bekämpfen”, Schuld und Menschlichkeit, um die Einwanderung zu fördern, nutzt man nun Sozialneid, auf dass sich der Michel an solch Leuten abarbeitet, statt Aufarbeitung der desaströsen Politik zu fordern. Dieser “Skandal” ist ein weiteres Beispiel, wie sie agieren. “Kann das Publikum wollen?” - Adorno, so wird es gemacht. Ausgerechnet jetzt, dieser Skandal. Jetzt, wo man die “Pandemie” aufarbeiten müsste. Die Frau vom Rundfunk ist über 60! Zeit für den Ruhestand, ohnehin… Das ist alles so billig.

J. Brandenburg / 22.08.2022

Ein weiterer guter Grund endlich aus der Kirche auszutreten!

Ilona Grimm / 22.08.2022

Brief des Judas (nicht Iskariot!) „an die Berufenen, die geliebt sind in Gott, dem Vater, und bewahrt für Jesus Christus“, 1,12 u. 13: »Sie [die Abtrünnigen] sind Schandflecken bei euren Liebesmahlen [Abendmahl], prassen ohne Scheu, weiden sich selbst; sie sind Wolken ohne Wasser, vom Wind umhergetrieben, kahle, unfruchtbare Bäume, zweimal abgestorben und entwurzelt, wilde Wellen des Meeres, die ihre eigene Schande ausschäumen, umherirrende Sterne; deren Los ist die dunkelste Finsternis in Ewigkeit.« Niemand kann sich selbst ent-schuldigen, auch Friederike von Kirchbach nicht. Da aber in der ev. Kirche virulente Christophobie herrscht, sind ihr der Name Jesu und das Kreuz vermutlich schon sehr lange nicht mehr begegnet. Ich rate ihr zur Buße!

Günter Schaumburg / 22.08.2022

Ich bin getauft, konfirmiert. Ich habe, nachdem die evangelische Kirche in der DDR zur Staats- kirche, mit einem hohen Anteil an Mielke-Getreuen, mutierte, den Protestanten den Rücken ge- kehrt und suchte bei den Katholen Unterschlupf. Ich muß erwähnen, daß es auch in der damaligen protestantischen Kirche ebensoviele mutige Diener Gottes wie Judasse gab. Mit dem Genossen Marx an der Spritze der Papst-Kirche begann mein unaufhaltsamer Abstieg vom Glauben an kirch- liche Göttlichkeit. Letztlich blieb mir nur, den kirchlichen Bettel in Richtung Altar zu feuern, und meine Kirche in mir selbst aufzubauen. Meine Beruhigung: Aus dem Steuerverein Kirche kann man jederzeit austreten, vom christlichen Glauben kann einen nur Gott lossprechen. Aber der würde das niemals tun. Ein Gebäude namens Kirche betrete ich nur noch aus kulturellem und geschichtlichem Interesse. Wie sagte doch der Fürst zum Bischof: Halte Du sie dumm, ich halte sie arm. Jesus hat diese Kirchen längst verlassen, nur wahrhaben will es keiner.

Rudhart M.H. / 22.08.2022

Lange nicht so sehr gelacht ! Die Spitze des Eisbergs ... und man darf gespannt sein, welche Eisberge noch so vorbeitreiben! Das Kalben hat ja gerade begonnen! Wahrscheinlich wird wohl doch der Wasserstand höher werden, wenn erst auch die Packeisfelder erwärmt werden. Es gibt viel zu tun!

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