Peter Grimm / 13.08.2018 / 06:00 / Foto: Harland Quarrington/MOD / 54 / Seite ausdrucken

Fremdenhass und Kriminalität: Such die Zahlen!

„Fremdenhass: Schon mehr als 700 Angriffe auf Flüchtlinge“, titelte Zeit-Online am Sonntag. „Bei Attacken auf Flüchtlinge sind in diesem Jahr mindestens 120 Menschen verletzt worden. Die Linke macht die AfD und die CSU für die Gewalt mitverantwortlich“, hieß es weiter. Selbstverständlich ist solch ein Fakt unbedingt eine Meldung wert. Allerdings gehörte es früher auch zu den journalistischen Aufgaben, solche Zahlen in die richtigen Relationen zu setzen. Was sagen uns diese Zeilen jetzt? Zur Einordnung boten die Zeit-Kollegen Folgendes an:

„Im Vergleich zu den Vorjahren gingen die Attacken zurück: 2017 wurden mehr als 2.200 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte verzeichnet, 2016 mehr als 3.500. Die Linke spricht von einem unerträglichen Zustand. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, sagte den Funke-Zeitungen: ‚Die alltägliche Hetze gegen Geflüchtete, jetzt auch von der AfD im Bundestag, hat konkrete Auswirkungen.‘ Die AfD nehme diese Konsequenz offenbar ungerührt in Kauf, sagte Jelpke.

‚Auch die CSU und Innenminister Seehofer sollten zur Kenntnis nehmen, dass die einseitig negative Thematisierung von Zuwanderung für die betroffenen Menschen gravierende Auswirkungen hat.‘“

Ähnlich konnte man es in etlichen weiteren Medien lesen und hören. Zwar erfährt man immerhin, dass entsprechende Straftaten zurückgegangen sind, aber es ensteht durch die Art der Schwerpunktsetzung zugleich der Eindruck, dass die Migranten, die inzwischen begriffsverwirrend zumeist pauschal als „Flüchtlinge“ bezeichnet werden, in erster Linie Opfer und die Deutschen in erster Linie Täter seien. Aber stimmt das überhaupt?

Wo gibt es Vergleichszahlen?

Nun ist jedes Opfer einer Straftat, insbesondere einer Gewalttat, eines zu viel und hätte idealerweise ohne Ansehen auf Herkunft oder Aufenthaltsstatus davor geschützt werden müssen. Doch nach den oben zitierten politischen Schlussfolgerungen muss man doch vielleicht zuvor fragen, wie denn die oben angeführten Zahlen in der Relation zu anderen Täter-Opfer-Konstellationen stehen. Machen wir also einen – wie es neudeutsch heißt – Faktencheck. Uns liegen die Vergleichszahlen des ersten Halbjahres 2018 nicht vor, aber dafür das „Bundeslagebild 2017 – Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ des Bundeskriminalamts.

Beginnen wir auf Seite 54 mit einer Konstellation, die mit der oben genannte Meldung vielleicht ein wenig vergleichbar ist, hier nur aus dem Jahr 2017:

„Fallkonstellation: Deutscher tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/Flüchtling

Wurde ein Asylbewerber/Flüchtling Opfer einer Straftat, waren in 15 % der Fälle Deutsche tatverdächtig (6.832) – deutlich mehr als noch im Vorjahr (2016: 4.326; 10 %). Im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen wurden 38 Asylbewerber/Flüchtlinge Opfer von Taten, an denen mindestens ein Deutscher beteiligt war (2016: 28). Kein Opfer wurde getötet. Im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden 74 Asylbewerber/ Flüchtlinge Opfer einer Straftat mit mindestens einem tatverdächtigen Deutschen und somit erheblich mehr als noch im Vorjahr (2016: 31).“

Im zitierten Bundeslagebild 2017 heißt es weiter:

„Fallkonstellation: Zuwanderer tatverdächtig – Opfer deutsch

Unter den insgesamt 95.148 Opfern von Straftaten mit tatverdächtigen Zuwanderern befanden sich 39.096 Deutsche und damit deutlich mehr als noch im Vorjahr (2016: 31.597). Der Anteil der Deutschen liegt somit bei 41 %. Im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen fielen 112 Deutsche einer Straftat zum Opfer, an der mindestens ein tatverdächtiger Zuwanderer beteiligt war (2016: 86). 13 Opfer wurden dabei getötet.

Im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden 2.706 Deutsche Opfer einer Straftat mit mindestens einem tatverdächtigen Zuwanderer und somit deutlich mehr als noch im Vorjahr (2016: 1.190). Insgesamt waren 72 % der Opfer von Sexualdelikten mit tatverdächtigen Zuwanderern deutsche Staatsangehörige.“

Der Vollständigkeit halber gehört zu den Vergleichszahlen selbstverständlich auch noch dies:

„Fallkonstellation: Zuwanderer tatverdächtig – Opfer Asylbewerber/Flüchtling

33 % der insgesamt 95.148 Opfer von Straftaten mit tatverdächtigen Zuwanderern war ebenfalls Asylbewerber/Flüchtling. Es wurden 30.946 Asylbewerber/Flüchtlinge als Opfer registriert – etwa so viele wie im Vorjahr (2016: 31.459).

Im Bereich Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen fielen 230 Asylbewerber/Flüchtlinge einer Straftat zum Opfer, an der mindestens ein tatverdächtiger Zuwanderer beteiligt war und damit mehr als im Vorjahr (2016: 197). 38 Opfer wurden getötet.

Bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden 380 Asylbewerber/Flüchtlinge Opfer einer Tat mit mindestens einem tatverdächtigen Zuwanderer und damit ebenfalls mehr als im Jahr 2016 (270 Opfer).“

Wir lernen: Vielleicht sollte man sich statt der Beschränkung auf weltbildbestätigende Daten wenigstens auch um die relevanten Vergleichszahlen kümmern, um eine Einordnung zu ermöglichen und die Problemschwerpunkte richtig erkennen zu können.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

Foto: Harland Quarrington/MOD OGL via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Regina Becker / 13.08.2018

Soso, die Linken machen AfD und CSU also dafür mitverantwortlich, dass die Zahlen sinken. Interessant!

Martin Landvoigt / 13.08.2018

Mich interessiert der behauptete Zusammenhang zwischen kriminellen Übergriffen auf Migranten und der migrationskritischen Politik von AfD und CDU. Unabhängig von den Zahlen: Gibt es da einen logischen Zusammenhang? Werden Menschen, die ansonsten friedlich wären, von eine migrationskritischen Politik zu Straftaten aufgestachelt? Zunächst ist klar, das AfD und CSU jedwede Gewalt und Straftaten scharf ablehnen. Gewalttäter können sich eben nicht auf diese beziehen. Warum sollten sie? Vielleicht sind Gewalttäter von der emotionalen Hilflosigkeit getrieben, echte und vermeintliche Probleme nicht adäquat behandeln zu können. Dann aber würde die sachgerechte Formulierung von migrationskritischen Einstellungen genau diese Hilflosigkeit abbauen und den Druck dahin gehend entlasten, eine öffentliche Stimme gefunden zu haben. Gewalt ist dagegen eine Übersprunghandlung, wenn man meint, mit Worten nicht mehr weiter zu kommen.

Sabine Heinrich / 13.08.2018

Heute berichtet das Hamburger Abendblatt über einen weiteren Einzelfall: Eine 14jährige wurde von einem 30jährigen Afghanen - Intensivtäter - in der Hamburger Mönkebergstraße vergewaltigt. Ein weiterer Einzelfall: Ein Mann südländischen Aussehens hat am Wochenende ebenfalls in HH eine Frau überfallen. Noch kann man das online lesen, auch wenn man kein Abonnent ist. Erstaunlich: Die Redaktion nennt die Staatsangehörigkeit des Verbrechers, noch vor wenigen Wochen undenkbar. Da wäre es nur “ein Mann mit dunklen Haaren” gewesen. Als ich den Artikel über die 700 Angriffe auf Flüchtlinge gelesen habe, dachte ich sofort: Für wie blöd halten uns die Journalisten, die so etwas schreiben und im Gegenzug dem Leser Zahlen von Straftaten (Morde, Vergewaltigungen, Messerattacken usw.) durch Eingewanderte unterschlagen, eigentlich? Und wie tief wollen ehemalige Qualitätszeitungen wie z.B. “Die Zeit” und “Die Welt” noch sinken?

B. Assow / 13.08.2018

Laut Wikipedia gibt es vier Stufen des Tatverdachts: Anfangsverdacht, hinreichender Tatverdacht, dringender Tatverdacht, richterliche Überzeugung. Auf welche Stufe des Tatverdachtes wird sich in den Statistiken eigentlich bezogen? Hintergrund meiner Frage ist die Vermutung, dass die Wahrscheinlichkeit für Angehörige einer relativ kleinen, leicht abzugrenzenden Gruppe zumindest mal in der Kategorie Anfangsverdacht zu landen deutlich höher ist als für Angehörige einer großen Gruppe. Warum wird die Statistik nicht auf Basis verurteilte Täter geführt?

Mathias Bieler / 13.08.2018

Liebe Link*_Innen,liebe Grün*_Innen, bei so viel extremer Kriminalität von Deutschen gegenüber Flüchtlingen und bei eurer goldigen Menschenliebe, ist es doch am besten, Deutschland als unsicheres Zielland einzustufen und es in den Herkunftsländern bekannt zu geben.

Jochen Hensel / 13.08.2018

Auf der Titelseite der WAZ wurde letzte Woche über die unhaltbaren Zustände in NRW- Gefängnissen berichtet, Da war die Rede von 30% ausländischen Straftätern, mangelnden Deutschkenntnissen, Drogen, Aggressivität vor allem von Afrikanern, Überbelegung, zu wenig Personal. Diese Tatsachen habe ich als Leserbrief zitiert, dazu als Zitat: “Wir schaffen das!” (Merkel 2015). Ich habe selber nicht geglaubt, dass es gedruckt wird; und so war es. Fazit: Die Wirklichkeit verschwindet nicht, wenn man an sie glaubt.

Nik Grump / 13.08.2018

Ich habe verzweifelt die “Kleine Anfrage” der Linken im Netz gesucht, auf die sich besagte Medien berufen. Nichts gefunden. Ich würde das Ding – insbesondere die Antwort – gerne mal selber lesen und interpretieren. Vor allem interessant dürfte sein, was so alles unter “Gewalt” zusammengefasst wird. Und da man so klarweiß, dass es “rechte Gewalt” ist, würde ich ebenfalls interessieren, wo denn all die überführten Täter aus der rechtsextremistischen Ecke nun sind und welche Strafen sie bekommen haben. Es ist kaum zum Aushalten, was uns hier verkauft wird. Am Wochenende wurde in der Hamburger Mönckebergstrasse (!) ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt. Raten Sie mal, von wem …

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