Rainer Bonhorst / 20.02.2025 / 12:00 / Foto: Montage achgut.com / 51 / Seite ausdrucken

Freiheit? Welche Freiheit?

Das Land der Freien ist unter dem neuen US-Präsidenten auf ganz eigene Weise nicht ganz so frei, wie die Eigenwerbung verspricht. Er hätte halt schon lieber Hofberichterstattung.

Die Freiheitsrede des amerikanischen Vizepräsidenten schallt wie ein Echo über den Atlantik. Das Neueste: Der amerikanische Fernsehsender CBS brachte eine Reportage mit drei deutschen Staatsanwälten, die Polizisten losschickten, um im Morgengrauen an Wohnungen zu klingeln und Handys und Laptops zu beschlagnahmen. Warum? Weil über das Internet Meinungen und Formulierungen verbreitet wurden, die den eingeschränkten Pfad der deutschen Meinungsfreiheit verlassen haben. Unter dem Titel „Polizeiaufsicht über das Internet“ (Policing the internet) staunte die Reporterin aus dem Land der nahezu uneingeschränkten Meinungsfreiheit über das, was sie zu hören bekam. Nämlich, dass hierzulande die Meinungsfreiheit im Netz deutliche, auch juristisch relevante Grenzen hat. Dazu gehören Hassrede und Volksverhetzung. Einschränkungen, die es in den USA nicht gibt. Hass im Netz ist dort nicht strafbar, sondern vom ersten Verfassungszusatz als freie Rede geschützt.

Und jetzt? Wie man in den Wald hinein oder über den Atlantik hinweg ruft, so schallt es zurück. Als Antwort auf J.D. Vance berichten inzwischen deutsche Korrespondenten aus Washington, wie in Amerika neuerdings ebenfalls Grenzen gezogen werden. Der Grenzzieher heißt Donald Trump.

Beispiele? Hier sind ein paar: Die weltweit agierende Nachrichtenagentur ap wurde von dem Pressepool, der den Präsidenten auf Schritt und Tritt begleitet, hinauskomplimentiert. Ein Grund: Die Agentur beharrt darauf, den von Trump zum „Golf von Amerika“ deklarierten Golf von Mexiko weiter bei seinem traditionellen Namen zu nennen. Zeitungen und Sender, von Disney bis zum Des Moines Register werden mit teuren Prozessen unter Druck gesetzt. Fernsehsender, die allzu kritisch senden, müssen um ihre Lizenzen bangen, wenn Trump die Rundfunkbehörde auf sie ansetzt.

Nicht ganz so frei, wie die Eigenwerbung verspricht

Tja, das Land der Freien ist unter dem neuen Präsidenten auf ganz eigene Weise nicht ganz so frei, wie die Eigenwerbung verspricht. Er hätte halt schon lieber Hofberichterstattung.

Doch Moment mal: Prozesse gegen unwillkommene, womöglich beleidigende Äußerungen – da war doch noch was? Ach ja, unsere Chef-Grünen, allen voran Robert Habeck, schmeicheln sich ja dadurch bei ihren (Nicht-)Wählern ein, dass sie ihnen massenhaft Strafbefehle ins Haus schicken. Habeck kann in der Disziplin des Strafbefehl-Weitwurfs als olympiareif betrachtet werden. Bei einem Nichtpolitiker würde man sagen, er ist eine beleidigte Leberwurst. Bei einem Politiker sagt man es etwas feiner: Er oder sie ist dünnhäutig.

Wie auch immer: Wir haben es mit zwei Traditionen zu tun, die ganz groß von Freiheit reden, sie aber nicht ganz so groß hochhalten. Also zwei Geschwister im Geiste? Das kann man so nicht sagen. Es gibt kleine, aber feine Unterschiede.

Der amerikanische Präsident geht – auch er neigt dazu, wie Habeck, beleidigt zu sein – vorzugsweise gegen Medien vor. Also gegen die Pressefreiheit. In Deutschland geht man lieber gegen privat veröffentlichte Ungebührlichkeiten vor. Also gegen die Meinungsfreiheit.

Dornen im Fleisch selbsternannter Aufrechter

Pressefreiheit? Meinungsfreiheit? Wo ist denn da der Unterschied? Wenn es einen gibt, dann ist er hauchdünn. Die Verfassungen beider Länder machen da keinen Unterschied. Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sind zwei Seiten einer Medaille. Und beide, die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit, haben eine unangenehme Eigenschaft: Sie sind den Regierenden nicht immer willkommen. Sie sind wandelnde Unannehmlichkeiten. Dornen im Fleisch selbsternannter Aufrechter.

Immerhin: In unseren Demokratien gehört es dazu, dass die Regierenden solche Belästigungen durch freie Medien und Meinungen ertragen. Das gelingt bis zu einem gewissen Grade. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grade. Dann wird drauf gehauen. Diesseits und jenseits des Atlantik. Jeder auf seine Weise. 

J.D. Vance hatte recht, unsere Einschränkungen zu tadeln. Auch wenn seine Rede bei uns als Kulturkampf abgetan wurde. Er hätte noch mehr recht, wenn er auch die Macken in seinem eigenen Laden ansprechen würde. Aber wer tut das schon. Bei uns tut man das ja auch nicht. Das wäre schließlich Selbstkritik. Also ein schwerer Tabubruch. 

 

Rainer Bonhorstgeboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.

Foto: Montage achgut.com

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Jörg Müller / 20.02.2025

“Dazu gehören Hassrede und Volksverhetzung. ” ..... Fakt: “Hasserfüllte Äußerungen sind strafbar, wenn (!!!) die Grenze der freien Meinungsäußerung überschritten und die Rechte anderer verletzt werden.” ... “Hassrede” ist ein neu geschaffener orwellscher Gummibegriff zur Zersetzung der Meinungsfreiheit und damit der Demokratie. Mit Absicht gibt es keine Legaldefinition hiervon. Hass ist ein Gefühl, es steht dem Staat nicht zu Gefühle als strafbar zu definieren. Bei der Rede kann es nur um den wirklichen Inhalt gehen. Die Meinungsfreiheit oder genauer die Freiheit der Rede dient auch gerade dazu das Entstehen von Diktaturen zu verhindern. Sie ist absolut existenziell für den Erhalt von Demokratie und Rechtsstaat. Daher ist es ein Unding und ein eklatanter Missbrauch des Rechtssystems, wenn bereits wegen lächerlicher Beleidigungen von Politikern die Polizei auf Kritiker der Herrschenden entsandt werden. Wie soll man sich denn als Bürger, als Untertan gegen die Staatsmacht wehren, gegen Unfähigkeit, Korruption und Despoten ohne diese zu beleidigen? Und warum sollte man Unrecht und Machtmissbrauch nicht hassen dürfen? Das Konstrukt ist ein direkter Angriff auf die Säulen der Demokratie. Die Grenzen der Meinungsfreiheit waren bereits vor der Merkelschen Ära gesetzlich definiert und völlig ausreichend. J. D. Vance hat völlig Recht.

Günter H. Probst / 20.02.2025

Wären die Medien hier den Herrschenden gegenüber kritisch, würden sie ebenso wie dort verfolgt werden. Da sie aber die fatale Politk der Herrschenden mitformulieren, werden sie mit Stuermilliarden gepampert.

M.Müller / 20.02.2025

Vance, genauso wie Frank in diesem Blog, bezog sich in seiner kritischen Feststellung mangelnder Meinings- und Veröffentlichungsfreiheit auf eine Hausdurchsuchung eines Bloggers. Hat schonmal jemand gefragt, was dieser verbreitet hat? Es war antisemitische Hetze und NS Symbole. Mag sein, dass die Verfolgung dieser Kleinigkeiten von manchen als übertrieben dargestellt wird. Ich finde es richtig.

Chris Kuhn / 20.02.2025

Es geht auch in den USA darum, die weniger links als woke gewirkte Medienlandschaft zu begradigen, und da fallen zunächst gewiß Überschwinger an, so daß auch Journalisten, die sich unter Obama und Biden nicht an Schieflastigkeit und Hetze gegen andere störten, diese Galle nun einmal selber löffeln. Anders als in den USA ist die linksgrüne Einseitigkeit der BRD-Medien bis runter in die Lokalpresse längst so gewaltig, daß selbst eine AfD-Alleinregierung dagegen machtlos wäre.

Emil.Meins / 20.02.2025

Wenn morgen plötzlich die AfD an der Macht wäre, würde sie (zu Recht) sicher auch einigen ihrer heftigsten Widersacher ein klein wenig das Leben schwer machen. Und man kann sicher sein, saß diese ein gewaltiges Zeter und Mordio anstimmen würden, wie mit ihnen umgesprungen wird, obwohl sie mit dem genau gleichen Vorgehen absolut kein Problem hatten, als sie selbst noch am Drücker waren. Insofern, wo ist das Problem. Menschen sind so, und ich erwarte von keinem, ein Engel zu sein, wenn er es nicht gerade übertreibt. Und dumm wäre, wer seinen Feinden das Messer läßt, mit dem sie ihn in den Rücken stechen. Also, rauchen Sie eine HB, Herr Bonhorst, und kommen Sie wider runter! Sie erinnern sich: wer wird denn gleich in die Luft gehen…..

Lutz Liebezeit / 20.02.2025

Sie sind ein Deuter der Geschichte, kein Analyst. Sie gehen mir mit Inhalten zu flexibel um.

Tom Schiller / 20.02.2025

Der Herr Bonhorst mal wieder… Nur weil manche Medienvertreter nicht bei der White House Press Conference anwesend sein können, ist deren freie Berichterstattung noch lange nicht eingeschränkt. Die können weiterhin Dreck über Trump ausschütten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Die können das sogar auf Fratzebuch und X und sonstwo ungehindert verbreiten, ohne dass die Trump-Regierung dies wie einst Biden/Harris einhegt. Insofern muss man halt feststellen: Herr Bonhorst hat das ganze Thema “Freiheit” nicht verstanden. Und deswegen schreibt er wiedermal reichlichen Mist, wenn es um die USA geht! Mit besten Grüssen aus Texas! Tom

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