Lange Zeit war es in der Wirtschaft opportun sich an die Spitze der Woke-Bewegung zu setzen. In USA firmierte das unter "Diversity, Equity and Inclusion" (DEI). Jetzt steigen Unternehmen wie McDonalds reihenweise aus.
In den Jahren zwischen 2020 und 2022 gab es vor allem in den USA einen Megatrend, den kein Unternehmen verpassen durfte, wollte es hipp sein: Diversity, Equity and Inclusion (Vielfalt, Gleichheit und Inklusion), kurz: D.E.I. Die Doktrin von D.E.I. besteht, grob gesagt, darin, dass bei Einstellungen, Beförderungen und der Wahl der Lieferanten lesbische, schwarze Transgenderfrauen zu bevorzugen seien. Vor allem zum Nachteil von heterosexuellen weißen Männern, aber, wenn es um akademische Bildung geht, auch von asiatischen Jungen und Mädchen, die als zu intelligent und fleißig gelten und darum etwa bei der Aufnahme an Eliteuniversitäten wie Harvard und Yale jahrelang absichtlich diskriminiert wurden.
In dieser „kritischen Frage“ suchten „weder Verbraucher noch Arbeitnehmer nach vagen Plattitüden über Veränderungen“, dozierte ein pro D.E.I. eingestellter Autor der Harvard Business Review im Juni 2020. Die „Verwirklichung der Rassengleichheit am Arbeitsplatz“ werde „eines der wichtigsten Themen sein, mit denen sich die Unternehmen im kommenden Jahrzehnt auseinandersetzen“ müssten.
Der Verfasser eines Artikels auf der Website des World Economic Forum (WEF) schwärmte, „Gleichheit für alle“ sei „ein ideales Ziel“; gleichwohl sei dieses Ziel „noch lange nicht erreicht:
„Während die systematische Arbeit an der Gleichstellung der Geschlechter in den letzten Jahren international Fortschritte gemacht hat, vom Abtreibungsrecht bis zur #MeToo-Bewegung, haben wir bei der Rassengleichheit nicht die gleiche Art von konzertierten Anstrengungen und Fortschritten erlebt.“
Doch nun sei „Black Lives Matter (BLM) zu einer prägenden globalen Bewegung“ geworden, „die Bereitschaft, weitere Fortschritte bei der Rassengleichheit zu erzielen“ sei „nie größer“ gewesen, behauptete er.
Es war in Geschäft auf den Fahrenden Zug aufzuspringen
Für Unternehmensberater war es ein Geschäft, Unternehmen dabei zu helfen, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Dies war die McKinsey-Analyse:
„Beispielsweise sind LGBTQ+-Frauen in den größten amerikanischen Unternehmen unterrepräsentierter als Frauen im Allgemeinen. An der Spitze dieser Unternehmen stehen nur vier LGBTQ+-CEOs – darunter nur eine Frau, und keine identifiziert sich als Transgender.“
Transgender-Angestellte, so McKinsey weiter, verdienten „32 Prozent weniger Geld als Cisgender-Angestellte“. Mehr als die Hälfte der Transgender-Angestellten fühle sich am Arbeitsplatz „unwohl“ und vom Management „nicht genug unterstützt“. McKinsey warnte vor verheerenden Folgen, sollten die Konzerne nicht — natürlich beraten von McKinsey — Maßnahmen ergreifen:
„Dieses starke Gefühl der Ausgrenzung hat erhebliche wirtschaftliche Folgen: Eine stärkere Einbeziehung von Transgendern in die Belegschaft durch Lohngleichheit und mehr Beschäftigung könnte die jährlichen Verbraucherausgaben um 12 Milliarden Dollar pro Jahr steigern. Um diese Probleme anzugehen, können Unternehmen gezielt bei der Einstellung vorgehen (zum Beispiel, indem sie Bewerber fragen, welche Pronomen oder Namen sie bevorzugen) oder Transsexuellen Vorteile anbieten, um nur einige zu nennen.“
McDonald’s zieht die Reißleine
2025 wird, wie’s aussieht, nicht super-woke. Am 6. Januar hat McDonald’s als erstes großes Unternehmen des Jahres angekündigt, seine bislang öffentlich gehypten „Diversitäts“-Richtlinien über den Haufen zu werfen. Erst im November hatte der Boeing-Konzern — unter neuem Management — aufgehört, woke zu sein. Wie die Tageszeitung USA Today schreibt, ist McDonald’s „das jüngste Großunternehmen, das seine Richtlinien zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion ändert“ und „sich keine Ziele mehr setzt, um die Diversität in der Führungsspitze zu erhöhen“.
Rückblick ins McDonald’s-Jahr 2021: „Als weltweit führende Marke, die Inklusion als einen ihrer Grundwerte betrachtet, akzeptieren wir nichts weniger als echte, messbare Fortschritte in unseren Bemühungen, mit Empathie zu führen, Menschen mit Würde und Respekt zu behandeln und unterschiedliche Sichtweisen zu berücksichtigen, um bessere Entscheidungen zu treffen“, sagte Chris Kempczinski, Präsident und CEO von McDonald’s, damals in einem Brief an die Mitarbeiter. Seinerzeit verband McDonald’s auch die Vergütung des Managements mit der „Vertretung von Frauen und unterrepräsentierten Gruppen“ und der „Inklusionskultur“. In der Praxis bedeutete dass, dass die Manager Bonuszahlungen erhielten, wenn sie bestimmte Ziele bei „Diversität“ und „Inklusion“ erreichten.
Laut dem Unternehmensberater Farient Advisors haben 28 amerikanische CEOs im Jahr 2023 Boni bekommen, die an „Diversität“ gekoppelt waren. Die meisten der Bonusempfänger seien Weiße gewesen. Die Website People of Color in Tech berichtete:
„Robert Isom, CEO von American Airlines, führte die Liste mit einem Bonus von 520.000 US-Dollar an, der an die DEI-Ziele der Fluggesellschaft gekoppelt war. Dicht dahinter folgte Chris Kempczinski, CEO von McDonald’s, der für ähnliche Bemühungen 396.300 US-Dollar verdiente. Auch Führungskräfte von Coca-Cola und Alcoa erhielten beträchtliche Boni."
Zudem unterwarf sich McDonald’s dem Corporate Equality Index, kurz: CEI. Es wird von der Human Rights Campaign beaufsichtigt, der größten LGBTQ+-Lobbygruppe der Welt, die u.a. von George Soros’ Open Society Foundation und Walt Disney finanziert wird.
Die HRC vergibt oder zieht Punkte dafür ab, wie gut sich Unternehmen an die sogenannten „Bewertungskriterien“ halten. Unternehmen, die die maximale Gesamtpunktzahl von 100 erreichen, erhalten den begehrten Titel „Bester Arbeitsplatz für LGBTQ-Gleichberechtigung“. Bis zu 25 Punkte Abzug gibt es für Geldspenden an Gruppen, „deren Hauptaufgabe darin besteht, sich gegen die Gleichberechtigung von LGBTQ einzusetzen“, was laut einem Bericht der New York Post „nicht näher definiert ist, aber christliche Gruppen einschließen könnte“.
„Ära der Wokeness stirbt“
Diesem Index gehört McDonald’s nun nicht mehr an. Der bekannte Anti-D.E.I.-Aktivist Robby Starbuck — über den die New York Times am 1. November eine große Reportage brachte — feierte den Ausstieg von McDonald’s auf der Kurznachrichtenplattform X:
„Wir haben jetzt die Richtlinien bei Unternehmen im Wert von weit über 2,3 Billionen Dollar geändert, und viele Millionen Mitarbeiter haben dadurch ein besseres Arbeitsumfeld. Unsere Kampagnen sind so effektiv, dass wir die größten Unternehmen der Welt dazu bringen, ihre Richtlinien zu ändern, ohne dass ich vorher auch nur eine Story veröffentliche, die ihre „Woke“-Richtlinien aufdeckt. Unternehmen können sehen, dass Amerika die Vernunft zurückhaben will. Die Ära der Wokeness stirbt direkt vor unseren Augen. Die Landschaft der amerikanischen Unternehmen wandelt sich schnell in Richtung Vernunft und Neutralität. Wir sind der Trend, nicht mehr die Anomalie.“
Als einen der Gründe für das Ende der D.E.I.-Jahre nannte McDonald’s auch „eine sich verändernde Rechtslandschaft“. Der Supreme Court hatte 2023 entschieden, dass Rassendiskriminierung gegen Asiaten und Weiße, wie sie an amerikanischen Eliteuniversitäten jahrzehntelang üblich war, gegen die Verfassung verstößt.
Es ist möglich, dass das oberste Gericht auch eine gleichartige Praxis in Unternehmen für verfassungswidrig erklären könnte. Das könnte nachträglich Schadensersatzansprüchen von Klägern, die behaupten, benachteiligt worden zu sein, den Weg ebnen.
Im Juni 2023 sprach ein Bundesgericht der ehemaligen Starbucks-Managerin Shannon Phillips eine Entschädigung von 25,6 Millionen US-Dollar (knapp 25 Millionen Euro) zu. Sie hatte glaubhaft machen können, dass sie nur gefeuert worden war, weil sie eine Weiße ist. Der Hintergrund war, dass Starbucks 2018 in der Kritik gestanden hatte, weil der Leiter einer Filiale in Philadelphia die Polizei gerufen hatte, nachdem zwei Schwarze darum gebeten hatten, die Toilette benutzen zu dürfen, ohne etwas zu kaufen.
Weil Starbucks nun Rassismus vorgeworfen wurde, stand das Unternehmen unter Druck, der Öffentlichkeit ein entschiedenes Vorgehen dagegen zu demonstrieren, und feuerte die weiße Regionalmanagerin, obwohl diese mit dem Vorfall gar nichts zu tun gehabt hatte. Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass auch Rassismus gegen Weiße vor der amerikanischen Justiz hohe Geldstrafen nach sich ziehen kann und macht diesen darum zu einem wirtschaftlichen Risiko, dem McDonald’s sich offenbar nicht mehr länger aussetzen will.
Supermarktkette hält an D.E.I. fest
Wie sich der Wind gedreht hat, zeigt das Beispiel des Supermarktkonzerns Costco: Über ihn wird derzeit berichtet, weil er als einer der wenigen entgegen dem Trend unter Großunternehmen an seiner D.E.I.-Politik festhalten will (das macht ihn offenbar zur Kuriosität). Einige Aktionäre und konservative Lobbyisten wollen diese auf der anstehenden Hauptversammlung Ende Januar kippen. Der Vorstand empfiehlt den Anteilseignern, diese Initiative abzulehnen.
Auch diejenigen, die mit Wokeness Geld verdienen, spüren den Wandel. So berichtet die Tageszeitung Miami Herald über die in der Kleinstadt Miami Shores lebende Roni Bennett, die 2015 die Consulting-Firma South Florida People of Color gegründet hatte, „um Unternehmen und Universitäten über marginalisierte Gemeinschaften aufzuklären und ihnen zu helfen, zu verstehen, warum Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion – kurz DEI – für die Grundlage jedes Unternehmens oder jeder Organisation wichtig sind“. Wie sich herausstellt, ist dies plötzlich nicht mehr so wichtig. Die Zeitung schreibt:
„Ein Jahrzehnt später sieht Bennett ihre Arbeit durch die von Floridas Gouverneur Ron DeSantis unterstützte Gesetzgebung zu DEI eingeschränkt, darunter der Stop W.O.K.E. Act von 2022. Sie schätzt, dass sich ihr Jahresumsatz, der einst bei etwa 300.000 Dollar lag, wegen der Gesetzgebung halbiert hat. ‚Wir sind in Schwierigkeiten‘, sagt die 54-jährige Bennett.“
Das Gesetz besagt u.a., dass es in Florida verboten ist, zu lehren, dass Angehörige einer Rasse, Hautfarbe, Nationalität oder eines Geschlechts Angehörigen einer anderen Rasse, Hautfarbe, Nationalität oder eines anderen Geschlechts „moralisch überlegen“ seien; dass ihr „moralischer Charakter“ von dieser Zugehörigkeit abhänge; dass sie in „Unterdrücker“ und „Unterdrückte“ einzuteilen seien; dass sie deshalb „Privilegien“ zu beanspruchen oder „Schuldgefühle“ zu haben hätten; und dass sie das Recht hätten, Angehörige einer anderen Rasse, Hautfarbe, Nationalität oder Geschlechts „ohne Respekt“ zu behandeln.
Angst vor Trump
In wenigen Tagen wird der neue US-Präsident Donald Trump ins Amt eingeführt werden. Es wird erwartet, dass er Vorschriften und Gesetzen, deren Ziel es ist, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Präferenzen zu bevorzugen oder zu benachteiligen, den Garaus machen wird. Aus diesem Anlass weist Farah Stockman, eine Redakteurin der New York Times, auf etwas hin, dass ihr rätselhaft scheint:
„Der für die Leitung der Bürgerrechtsabteilung im Justizministerium ausgewählte Harmeet Dhillon – von dem erwartet wird, dass er dem Thema ‚Wokeness‘ den Kampf ansagt – ist ein in Indien geborener Sikh. Sogar MAGA braucht anscheinend Einwanderer.“
Selbstverständlich werden die gebraucht. Trumps Berater Elon Musk ist bekanntlich aus Südafrika. Was die Redakteurin nicht verstanden hat (bzw. so tut, als ob): Es geht Donald Trump eben nicht darum, bestimmte Gruppen von der Macht fernzuhalten; sondern darum, das Missverständnis zu beenden, dass die Gesellschaft besser oder friedlicher würde, wenn aufgrund von Merkmalen wie Ethnie, Hautfarbe oder Geschlecht diskriminiert wird. Mehr und mehr wird erkannt, dass dieses Weltbild und der Wunsch, es durchzusetzen, vielmehr von der Lösung der Probleme ablenkt.
Ein viel diskutiertes Beispiel ist das Versagen der Sicherheitsdienste bei dem Terroranschlag von New Orleans am Neujahrstag mit mindestens 15 Toten und 35 Verletzten. Ehemalige FBI-Mitarbeiter haben sich zu Wort gemeldet und behauptet, das FBI würde nicht mehr die fähigsten Kandidaten einstellen, sondern diejenigen, die „Diversitäts“-Kriterien genügten. Die republikanische US-Senatorin Masha Blackburn aus Tennessee teilte in diesem Zusammenhang einen Tweet des FBI New Orleans von Oktober 2024. Darin zu sehen ist ein Foto, auf dem offenbar die Arme, Hände und Handgelenke von FBI-Agenten zu sehen sind, die sich bunte Armbänder gebastelt haben, die sie stolz der Öffentlichkeit präsentieren. Blackburn kommentiert:
„Dies ist, was das FBI in New Orleans getan hat. Das FBI soll sich wieder seiner Aufgabe widmen, gegen Kriminelle und Terroristen zu ermitteln.“
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).