Wolfgang Meins / 03.08.2019 / 06:25 / Foto: Brian Barbutti / 66 / Seite ausdrucken

Frauen sind anders. Männer auch.

Nach Artikel 3 des Grundgesetzes sind Männer und Frauen „gleichberechtigt“. So weit, so gut. Aber Artikel 3 geht noch weiter: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Damit fangen allerdings die Probleme an. Denn schon längst geht es nicht mehr bloß um die zweifellos wünschenswerte Herstellung von tatsächlicher Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern, sondern mehr und mehr um die Gewährung von Ergebnisgleichheit, etwa über irgendeine Quote oder andere Vergünstigungen für die Frauen. Sieht man einmal von dem speziellen Problem einer religiös-kulturell bedingten Benachteiligung von Mädchen und Frauen mit einem bestimmten Migrationshintergrund ab, ist in Deutschland die Gleichberechtigung im Sinne von Chancengleichheit mittlerweile doch wohl zumindest ganz, ganz überwiegend verwirklicht.

Dass trotzdem Männer und Frauen in verschiedenen beruflichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen nicht jeweils ungefähr hälftig repräsentiert sind, hat folglich andere Gründe, wie etwa Schwangerschaft und Kindererziehung, aber auch unterschiedliche körperliche und psychologische Voraussetzungen. Bei den Unterschieden auf dem psychologischen Gebiet ist die Persönlichkeitsstruktur – um die es hier gehen soll – von besonderer Bedeutung und darüber hinaus auch gut untersucht. In der öffentlichen Diskussion allerdings scheint diese spezielle Thematik kaum eine Rolle zu spielen.

Das liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass das Thema Persönlichkeitsunterschiede zwischen Mann und Frau per se politisch nicht sonderlich korrekt ist. Wenn Frauen im Geschlechtervergleich dann auch noch teils ungünstiger abschneiden, natürlich erst recht nicht. Und dass gut die Hälfte der Persönlichkeit eines Menschen – egal ob Mann oder Frau – angeboren ist, macht die ganze Angelegenheit auch nicht gerade korrekter.

Die fünf Faktoren der Persönlichkeit

Bei der „Vermessung“ der Persönlichkeit geht es um die Zuschreibung von möglichst stabilen Eigenschaften, die Menschen charakterisieren – anhand von eindeutig definierten, empirisch überprüfbaren Begriffen. Nach einem jahrzehntelangen Forschungsweg hat sich bereits seit längerer Zeit das sogenannte Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit etabliert und bewährt. Die fünf Faktoren können in ihrer individuellen Ausprägung recht unkompliziert mit verschiedenen Selbsteinschätzungs-Fragebögen gemessen werden, die sich unterscheiden in Genauigkeit, Differenziertheit  und dem für die Bearbeitung erforderlichen Zeitaufwand.

Die fünf voneinander unabhängigen Persönlichkeitsfaktoren werden heute bezeichnet als Neurotizismus (früher auch als Emotionale Labilität), Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit (gegenüber neuen Erfahrungen). Wie hätte man sich nun die Persönlichkeit von jemandem vorzustellen, der in allen fünf Faktoren überdurchschnittliche hohe Werte aufweist? Als ängstlich und verletzlich; als herzlich und gesellig; als freimütig und entgegenkommend; als ordentlich und pflichtbewusst; als offen für neue Ideen und Handlungen. Bei unterdurchschnittlicher Ausprägung gilt entsprechend die entgegengesetzte Eigenschaft, zum Beispiel für Neurotizismus: kaum oder gar nicht ängstlich, verletzlich, reizbar, depressiv oder sozial befangen.

Das obige Beispiel mit jeweils hoher Ausprägung in allen fünf Faktoren kommt in der Praxis so gut wie nicht vor, weil eine hohe Ängstlichkeit – also eine hohe Selbsteinschätzung in Bezug auf Neurotizismus – kaum vereinbar ist mit einer ansonsten geselligen, freimütigen und offenen Persönlichkeit. Überhaupt ist der Faktor Neurotizismus in vielerlei Hinsicht besonders wichtig. Er charakterisiert beispielsweise auch markant den häufigsten Persönlichkeitstypus, nämlich den resilienten, oder auch flexiblen und stressresistenten. Dieser Typus zeichnet sich durch wenig Neurotizismus, hohe Gewissenhaftigkeit und Extraversion aus, bei weder in die eine noch andere Richtung besonders ausgeprägter Offenheit und Verträglichkeit.

Starker Risikofaktor für Depressionen

Die Kenntnisse über Persönlichkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen in verschiedenen Kulturen basieren im Wesentlichen auf zwei groß angelegten Studien mit insgesamt knapp 41.000 Teilnehmern und sehr ähnlichen Ergebnissen. Demnach beurteilen sich Frauen als neurotischer, aber auch als verträglicher. Bei den anderen drei Persönlichkeitsfaktoren gibt es keine durchgehenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sondern nur in einzelnen Facetten der jeweiligen Faktoren: Während Männer sich als offener gegenüber neuen Ideen einschätzen, äußern Frauen eine stärkere Offenheit gegenüber neuen Gefühlen. In Bezug auf Extraversion stufen Frauen sich als herzlicher, Männer sich dagegen als durchsetzungsstärker ein. Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch in den Faktoren und Facetten, in denen sich Männer und Frauen unterscheiden, gibt es breite Überlappungen zwischen den Geschlechtern. Der Unterschied bezieht sich auf die jeweilige durchschnittliche Ausprägung in den beiden Gruppen, also den Mittelwert.

Mit ihrer stärkeren Ausprägung von Verträglichkeit punkten im Geschlechtervergleich zweifellos die Frauen, denn diese Eigenschaft korreliert positiv mit erfolgreichem Kundenkontakt und Teamfähigkeit. Die im Vergleich höhere Durchsetzungsfähigkeit der Männer kann sich dann als Vorteil erweisen, wenn sie nicht extrem hoch ausgeprägt ist. Denn darunter leidet die soziale Kompetenz, also die Fähigkeit, gut mit anderen Menschen zurechtzukommen.

Der auch in praktischer Hinsicht wohl bedeutsamste Persönlichkeitsunterschied zwischen den Geschlechtern dürfte sich auf den Neurotizismus beziehen. Denn dieser Persönlichkeitsfaktor hat nicht nur enge Bezüge zu psychischen Erkrankungen, sondern ist auch für das Arbeitsleben von großer Bedeutung. Neurotizismus sagt in Bezug auf das Arbeitsleben vielfältige Schwierigkeiten vorher: schnelle subjektive Überforderung, Probleme im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern sowie häufige Arbeitsplatzwechsel. Im privaten Bereich ist (hoher) Neurotizismus der Hauptrisikofaktor für instabile und unglückliche Partnerschaften. Dabei reagieren Personen mit einem hohen Neurotizismuswert nicht nur stärker auf Stress, sondern ihr erhöhtes Stressniveau hält auch länger an. Jeder kennt das, wenn auch noch am nächsten Tag man selbst, der Kollege oder die Kollegin die Lappalie vom Vortag nicht „vergessen“ hat, sondern sich – und damit meist auch andere – erkennbar immer noch quält.

Auch dass Frauen laut aktuellem DAK-Gesundheitsreport im Jahr 2018 beachtliche 62 Prozent mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen aufweisen als Männer – bei einem um 12,5 Prozent vergleichsweise geringer erhöhten Gesamt-Krankenstand –, hängt nicht unwesentlich mit ihrem stärker ausgeprägten Neurotizismus zusammen. Denn dieser Persönlichkeitsfaktor ist ein starker Risikofaktor sowohl für Depressionen und Angststörungen als auch für bestimmte Persönlichkeitsstörungen.

Unerwartete Befunde

Nicht immer, wenn die Psychologie mit besonders interessanten oder gar unerwarteten Ergebnissen überrascht, sind diese so solide belegt wie die folgenden: Entgegen der Erwartung der Forscher fallen die oben berichteten Persönlichkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen desto stärker aus, je entwickelter eine Gesellschaft ist – also je höher die Lebenserwartung und der materielle Wohlstand und je gleichberechtigter der Zugang zu Bildung sind. Unter nicht so guten sozialen und ökonomischen Verhältnissen schwächen sich angeborene Persönlichkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen also ganz offensichtlich ab, während in höher entwickelten Gesellschaften Persönlichkeitszüge weniger durch gesellschaftlichen Druck und ökonomische Zwänge eingeengt werden und deshalb stärker voneinander abweichen. Weniger gut erforscht ist bisher, wie sich die aufgeführten Persönlichkeitsunterschiede zwischen den Geschlechtern vielleicht auch segensreich ergänzen können.

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Marie-Jeanne Decourroux / 03.08.2019

Der Norweger Harald Eia hat die Hypothesen der Gender-Forschung so nachhaltig falsifiziert und das Lächerliche dieser »Disziplin« unter Beweis gestellt, dass sie - wissenschaftlich - mausetot ist [siehe: »Das Gleichstellungsparadox«; youtube]. Dass sie an den Universitäten dennoch fortlebt, demonstriert daher zweierlei: 1.  dass es in Wahrheit um Ideologie geht, 2.  in welch erschreckendem Maß das wissenschaftliche Niveau der Universitäten gesunken ist!

Hjalmar Kreutzer / 03.08.2019

@Andreas Rochow: „Männer werden meist nicht so alt, wie Frauen ...“. Das war aber selbst in Europa bis ins späte 19./ frühe 20. Jh. noch anders. Mangelnde Hygiene und Ernährung, Wochenbettsterblichkeit, hohe Kinderzahl bei gleichzeitiger körperlich harter Feld- oder Fabrikarbeit führten außerhalb der wohlhabenden Schichten immer noch zu einer höheren Sterblichkeit unter den Frauen, auch im Vergleich zu Männern, als heutzutage. Die höhere Lebenserwartung von Frauen breiterer Bevölkerungsschichten kam doch erst mit der verbesserten Ernährungs- und Hygienesituation und Familienplanung im 20. Jh.? Gibt es eigentlich Untersuchungen über die evtl. unterschiedlich hohe Lebenserwartung von hyperfertilen Frauen aus Südosteuropa oder nichteuropäischen Ländern im Vergleich zu Mitteleuropa? Aus einer Zahnarztpraxis wurde mir kürzlich wieder über das absolute Unwissen einer arabischen Mutter von immerhin fünf Kindern über Mundhygiene, Zahngesundheit und Zahnentwicklung ihrer Kinder berichtet. Verlangte diese Mutter vom Zahnarzt doch, die ausgefallenen, aber schon völlig kariösen Milchzähne eines Kindes „wieder einzukleben“. Genau die Art Einwanderer, von denen es hieß, diese würden einmal die Renten der Pegida-Demonstranten und AfD-Wähler bezahlen.

Roland Stolla-Besta / 03.08.2019

@ Rex Schneider Sie sprechen da ein Phänomen an, daß mich schon lange beschäftigt, denn auch bei unserer örtlichen Müllabfuhr oder auch unseren Totengräbern habe ich noch nie eine weibliiche Arbeitskraft gesehen. Das mag natürlich damit zusammenhängen, daß diese und auch die von Ihnen genannten Berufe für schön geformte und lackierte Fingernägel eher abträglich sind.

toni Keller / 03.08.2019

Ich kann es nicht mehr hören mit der Unterdrückung der Frau! Auf jeden Fall machen die jungen, bekopftuchten, den Kinderwagen schiebenden jungen Damen einen glücklicheren und entspannteren Eindruck als all die Chefinnen mit denen ich im Laufe meines Lebens zu tun hatte. Meines Erachtens ist die klassische Ehe für den Mann! die schlechtere Option, weil er verantwortlich ist für Frau und Kind, diese auch zu verteidigen hat und gleichzeitig an diese eine Frau gebunden ist. Genau deshalb sind es eigentlich die Männer gewesen, die die Emanzipation angestoßen haben (Erfahrung aus der Uni, damals vor langer Zeit) und die Frauen sind dumm genug gewesen, genau das sich auf die Fahnen zu schreiben, also die Männer aus der Verantwortung (Pille sei Dank) für ihre Sexualität zu entlassen. Dass die Situation keinem gut tut, das gehört zu den großen Tabus unserer Zeit. Der allergrößte Witz an der öffentlichen Diskussion ist, dass es nun mal so ist, dass kleine Kinder haben, schwer anstrengend ist, und kleine Kinder im Hort haben erst recht. Aber für junge Mütter ist ja arbeiten gehen, vielleicht auch noch anstrengend arbeiten gehen, ja der reinste Jungbrunnen, während es für alle anderen Maloche ist. Dass die Frauen genau das auch glauben,  das ist es, was einem so fassungslos macht. Die ersten Feministinnen aus den 50ern forderten lediglich, dass die Tätigkeit der Mutter und Hausfrau geachtet und honoriert wird, draus geworden die die Verachtung der Frauen für sich selber. Sowas bringen nur Kulturen fertig, die keinen Boden mehr unter den Füßen haben, der Aufprall wird aber kommen und dass er kommt weiß man seit 1964! (Pillenknick)

Fritz kolb / 03.08.2019

Ich sage immer schon: gäbe es nicht den schönsten Zeitvertreib der Welt, dann wäre die linke Erdhälfte nur von Frauen und die rechte nur von Männern bewohnt. Alles andere Harmoniegetue ist künstlich herbei geführt.

Yvonne Flückiger / 03.08.2019

Frauen leiden an Neurotizismus. Mag sein. Es kann aber auch sein, dass Frauen trotz hoher Intelligenz mit ständigen Konkurrenzsituationen, samt Intrigen und Mobbing am Arbeitsplatz einfach mehr Mühe haben, da sie vielleicht einfach verwundbarer sind. Wenn dann noch ein Kind krank ist und die Mutter langsam dement wird, ist Frau schnell am Anschlag. Besonders da alle zwischenmenschlichen und haushälterischen Belange immer noch fast alleine auf ihren Schultern liegen; und sie für das Funktionieren alleine zuständig ist. Ausserdem ist der Druck auf Frauen und Mütter in den letzten 20 Jahren enorm gewachsen. Sie soll überall “ihren Mann” stellen, hübsch sein, immer charmant lächeln und gefälligst glücklich sein, dass sie überhaupt arbeiten darf. Das mag einen gewissen Neurotizismus hervorbringen.

Sabine Schönfeld / 03.08.2019

Das tägliche Frauenbashing gibt uns heute - geht es jetzt besser? Es gibt tatsächlich nicht ein Persönlichkeitsmodell, sondern viele konkurrierende. Und erstens sind diese Eigenschaften willkürlich definiert, wer sagt schon was “verträglich” bedeutet? Also haben wir schon einmal das Problem der Definition - für die einen ist ein verträglicher Mensch jemand, der sich alles gefallen lässt, mit Magengeschwüren. Für jemand anderen hat dieser die Kompetenz zu streiten und in jedem Fall seine Außengrenzen zu verteidigen - das Miteinander wird so verhandelt und man findet Kompromisse. Verträglich könnte auch bedeuten, dass der Mensch zwar nicht in offenem Konflikt steht, aber seine Ziele durch Intrigen erreicht. Dann haben wir das Problem der Messbarkeit, was ist denn konkret ein Zeichen für Verträglichkeit? Und wie messe ich den Grad dessen? Jede Art der Psychologie, die mit Zuschreibungen arbeitet, ist in meiner Sicht darüber hinaus längst gescheitert. Der Mensch ist hochkomplex, die Reduktion auf gerade mal fünf Eigenschaften einfach nur lächerlich. Weiterhin geht das Modell ausschließlich von diesen wie auch immer gemessenen Persönlichkeitseigenschaften aus aber nicht von der komplexen Interaktion mit der Umwelt. Modelle, die den Menschen ohne sein soziales Umfeld, nahes Umfeld aber vor allem auch gesamtgesellschaftliche Faktoren und Einflüsse sehen und dadurch auch die Sozialisation einbeziehen, sind von vorgestern und längst gescheitert. Welche Rolle wird von einem Menschen in einer Gesellschaft erwartet und wie beinflusst ihn das? Auch das ist schon in keinen zwei Gesellschaften gleich. Es gibt in der Psychologie übrigens auch emanzipatorische Modelle, von denen alle profitieren, Männer wie Frauen. Die Zuschreibung von Eigenschaften hilft niemandem und ist vor allem schädlich. Ich würde übrigens beim nächsten Mal gleich: “Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes” von Julius Möbius empfehlen. Damit geht dumpfplumpes Frauenbashing noch viel besser.

Gereon Stupp / 03.08.2019

»... segensreich ergänzen« — ist natürlich nicht nur wünschenswert, sondern der eigentliche Zweck dessen, was die Evolution da geschaffen hat. Aber es läßt sich mit dem »dividere« der Geschlechter halt so schön »imperare« — Mann und Weib, und Weib und Mann, reichen an die Gottheit an. Mehr Mozart und weniger Merkel tät schon helfen.

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