Erik Lommatzsch, Gastautor / 10.03.2020 / 17:00 / Foto: Achgut.com / 69 / Seite ausdrucken

Frau Pastor will stürmen

Was macht der Verfassungsschutz eigentlich am Wochenende? Genau weiß man es nicht. Verständlich, schließlich handelt es sich um einen Geheimdienst. Allerdings kann man nun via Ausschlusslogik die These wagen, dass er am Sonnabend zu fortgeschrittener Stunde zumindest nicht das „Wort zum Sonntag“ im „Ersten“ verfolgt. Ansonsten hätte er tätig werden müssen, und zwar gleich in der Nacht.

Nun galten die mal nachdenklichen, mal platt-salbungsvollen regelmäßigen Gedanken eines Kirchenvertreters nie als spannungsschwerer Quotengarant. Es wurde sogar behauptet, dass der durchschnittliche Fernsehzuschauer die wenigen Minuten gern anderweitig nutzte, was Wasserwerksmitarbeiter vielleicht bestätigen könnten. Insofern kann man es Herrn Haldenwang und seinen Mitarbeitern nicht verübeln, wenn auch sie am letzten Wochenende die engagiert vorgetragenen Worte von Pastorin Annette Behnken aus Loccum ausgelassen haben.

In diesem Fall haben sie allerdings etwas verpasst. Angesichts des Propagandawertes, der Diffamierungen und des Aufrufs zum gewalttätigen Verfassungsbruch dürfte sogar das gesamte Team von „ttt“ (früher ein Kulturmagazin, sogar ein sehr gutes) vor Neid erblassen. Zwar hatte man hier unlängst schon ganz gut vorgelegt. Trotz deutlich aufwendigerer Produktion – die niedersächsische Pastorin toppt das, in kürzerer Sendezeit und im Alleingang.

„Menschlichkeit an der Grenze“ ist das „Wort zum Sonntag“ vom 7. März betitelt. Ausgangspunkt: Die Migranten – die Pastorin spricht natürlich von „Flüchtlingen“ – an der griechisch-türkischen Grenze. Das Stadium der dümmlich-weltfremden Blauäugigkeit hat Frau Behnken überwunden oder vielleicht von vorn herein übersprungen. Sie ruft zum handfesten Kampf gegen das Böse auf. Wir haben uns gefälligst um ausnahmslos alle Beladenen, Bittsteller und Forderer dieser Welt zu kümmern. Ohne Wenn und Aber. Steht auch so in der Bibel. Basta.

„Mit Verlaub, ich könnte kotzen“

Was hat uns die Theologin im Einzelnen mitzuteilen? Von Frau Europa, die einst von Zeus begehrt wurde, ist zunächst die Rede. Allerdings habe die Gute gerade ein hässliches Gesicht. An Europas Grenze zeigt sich die Grenze unserer Menschlichkeit. An der türkisch-griechischen Grenze verkaufen wir in diesen Tagen unsere grundlegenden Werte: Menschenrechte und Menschlichkeit. Stark betonte „Mensch“-Zusammensetzungen gibt es in der… nun ja, nennen wir es Ansprache, recht viele. Es wird mit Menschenleben geschachert, im politischen Geschäft zwischen Türkei und EU, Flüchtlinge benutzt als Verhandlungsmasse in einem dreckigen Deal. Unsere Werte seien im Ausverkauf. Die nun entstandene, arg mulmige Stimmung hebt Frau Behnke kurz, indem sie darauf verweist, dass es tatsächlich auch Gutes gibt. Bald wird ein Schiff auslaufen, gekauft und flott gemacht von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, initiiert von der Kirche, um Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten. Das legt den Finger so richtig in die Wunde… Menschen in Not zu helfen. Dass man das überhaupt sagen muss… Flüchtende werden mit Gewalt zurückgedrängt. Dass dies an einer Landesgrenze geschieht, die ebenso gewaltsam gestürmt wird, scheint nicht so von Belang zu sein. Wir sehen nur einen Bruchteil des Elends in den hoffnungslos überfüllten Flüchtlingslagern. Deshalb der Appell an die Gesamtverantwortung: Angesichts dessen sollte sich jedem einzelnen Europäer Tag und Nacht der Magen umdrehen. Jeder Europäerin auch, da passt Frau Behnken schon auf.

Jetzt kommt die Passage für Herrn Haldenwang, es wird innenpolitisch. Wir müssen auf die Straßen gehen. Every day for future and humanity. Wir müssen die Parlamente stürmen, in denen Neofaschisten sitzen und uns in Schreckstarre verfallen lassen, genauso wie das Corona-Virus. Abgesehen vom Schreckstarre-Neofaschismus-Unfug nochmal die Hauptaussage: Wir müssen die Parlamente stürmen… Geäußert von einer Pastorin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im März 2020. Ist das Grundgesetz noch in Kraft? Hat das keinerlei Konsequenzen?

Frau Behnken verweist dann auf die biblische Samariter-Geschichte. Jenseits der bekannten Klischee-Stichworte bietet sich das Gleichnis (wer nachlesen mag: Neues Testament, Lukas 10, 25-37) nur sehr bedingt zum Vergleich mit der Situation der „Flüchtlinge“ an, zumal der Samariter sich möglicherweise auch nicht an einem Parlamentssturm beteiligt hätte. Aber da kann man im Eifer des Gefechts schon mal etwas übersehen, vor allem, wenn man eine Botschaft hat: Schutzbedürftigen ohne Wenn und Aber, unhinterfragt und sofort zu helfen, wenn das nicht der kleinste gemeinsame Nenner ist, was denn dann?!

Dafür sieht Frau Behnken Dinge, die andere nicht sehen. Es gibt viele, die wollen helfen und können nicht. Städte, Kommunen, Kirchgemeinden, zivilgesellschaftliche Gruppen werden ausgebremst von politischen Strukturen und der jüngsten Entscheidung des Bundestags, nicht einmal die Schwächsten der Schwächsten aufzunehmen, Kinder auf der Flucht. Mit Emphase: Ich verstehe das nicht! Und die EU zahle, um uns Menschen in Not vom Hals zu halten. Fazit: Mit Verlaub, ich könnte kotzen. Offenbar, um die Gefahr, dass sich der nächste „Wort-zum-Sonntag“-Sprecher nicht wirklich ins Studio erbrechen muss, sowas ist immer etwas unangenehm, wurde Frau Behnken inzwischen zumindest teilweise, zumindest vom Koalitionsausschuss erhört. Sie hatte ja auch nochmal gut nachgekartet und eigentlich viel mehr gefordert. Jetzt müssen Politiker zeigen, wes Geistes Kind sie sind. Vor allem: Jetzt muss ganz Europa all seine Kräfte aufbringen, um jedes einzelne Kind, jede einzelne Frau und jeden einzelnen Mann aus der Not zu retten. Jeden. Sagt Frau Behnke. Jedes, jede, jeden. Die Erklärung, worum es sich bei ganz Europa handelt, kommt dann auch, dem einen oder anderen dürfte sie bekannt vorkommen: Und wenn Europa das nicht einhellig hinkriegt, dann müssen es die tun, die dazu bereit sind. Zum Schluss erfolgt noch einmal ein Verweis auf jemanden, der vor 2.000 Jahren gelebt hat.

Darf man bei diesem „Wort zum Sonntag“ von schwerstem Amtsmissbrauch sprechen? Das müsste die Kirche regeln. Aber wenn es nicht einmal staatliche Stellen für nötig halten, einem öffentlichen Aufruf zum Sturm auf die Parlamente etwas entgegenzusetzen, steht da wohl ebenfalls nichts zu erwarten.

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Wilfried Cremer / 10.03.2020

Frau Pastor will das Neue. Neu ist, dass man niederschlägt und anschließend auf Köpfe eintritt. Das liest man jeden Tag, und was man liest, ist nur ein Bruchteil. - Frau Pastor leitet dahin ihren dekadenten Hass und Selbsthass ab, als Menschlichkeit getarnt, das versteht sich als Pastorin, und schlägt den Sermon an den Staatsfunk ab. - Und es trieft das Schädelblut. Ist das gut?

Hans-Peter Dollhopf / 10.03.2020

Solch verständnisvoller Umgang mit diesem Pfäfflein! Wer wollte bei einer dieser letzten Gelegenheiten nicht doch noch endlich abfallen von der Kirchensteuer[!] und atheisten? Mir kommt jener Witz mit dem Hundehalter in Erinnerung. “Der tut nichts“ ...  “der will nur spielen“ ... “also das hat er ja noch nie gemacht!“ Vor ein, zwei Wochen ist der liebe Bruder Ernesto - “bürgerlich” Ernesto Cardenal - entschlafen, lobet den Herrn. Ein Behnken weniger.

Mike Loewe / 10.03.2020

Der Sturm aufs Parlament ist geschenkt, sicher würde sie sich herausreden, dass sie Wählerstimmen, Petitionen oder ähnliches meint. Obwohl es sie wahrscheinlich nicht stört, wenn sie mit dem Spruch nebenbei auch ein paar Linke radikalisiert.

Mike Loewe / 10.03.2020

Woran erkennt man Schutzbedürftige? Daran, dass sie illegal und gewaltsam Grenzen übertreten? Diese Pastorin ist eine empathielose Gestalt, denn sie ignoriert völlig die hunderte Millionen wirklich Schutzbedürftigen dieser Welt, die gar keine Möglichkeiten haben und niemals haben werden, sich in ein westliches Land auf den Weg zu machen, weil ihnen die Mittel (Schleppergeld, Smartphone, Gummiboote) dazu fehlen. Die ärmsten Familien in Afrika, Indien oder Südostasien sind wesentlich bedürftiger, treten jedoch nicht in Erscheinung. Und diese wirklich bedürftigen Menschen sind sogar meist so bescheiden und anständig, dass sie wissen, dass man sich nicht einfach anderen Menschen aufdrängt, andere nicht bestiehlt und Grenzen zu respektieren hat. Frau Pastorin ignoriert sie kaltherzig und geht lieber ein Bündnis mit den lauten, aufdringlichen, geldgeilen und teilweise gewalttätigen Migranten ein, die nur so tun als ob, und die zum allergrößten Teil nicht bedürftig sind. Schämen Sie sich, Frau Behnken!

Matthias Fischer / 10.03.2020

Vielleicht sollte Frau Pastorin Behnke hin und wieder mal in der Bibel nachlesen. Da heißt es in einem der Paulusbriefe sinngemäß, dass Christen sich zu allererst um ihre Glaubensbrüder sorgen sollen. Das hat Frau Behnke wohl übersehen. Ich bekenne mich als AFD-Wähler und als Christ. Die Kirche in ihrer gegenwärtigen Verfassung ist allerdings der beste Grund gerade für Christen, aus ihr auszutreten. Das scheinheilige Getue einiger ihrer Vertreter, allen voran Herrn Bedford-Strohms, ist für einen Christen einfach nur unerträglich, weil die eigene Glaubensgemeinschaft m.E. mit jedem aus deren Mund kommenden Wort verraten und verhöhnt wird. Kein Wort über in Syrien verfolgte Christen, die sich unter dem Assadregime einigermaßen frei bewegen und ihrem Glauben nachgehen konnten! Aber jede Menge Unterstützung für Moslems auf deren Weg in unser Land.  Diese Kirche - evangelisch ebenso wie katholisch - erscheint mir als eine von 68ern im Marsch durch die (besser: in die ...) Institutionen mit Linken, Grünen und Kommunisten durchsetzte Organisation. Von Gott und Jesus ist nur die Rede, wenn man sie für gesellschaftlich zerstörerische Zwecke instrumentalisieren kann. Es fällt mir von Jahr zu Jahr schwerer, die Kirchensteuer zu zahlen. Und das Schiff zum Aufsammeln von Menschen, die sich freiwillig in Gefahr begeben, um aus “Seenot” gerettet zu werden? Ich mache mir ernsthafte Gedanken, Strafanzeige gegen die EKD zu stellen, sofern sie unsere Steuern für die fragwürdige Seenotrettung zweckentfremdet. Um nicht missverstanden zu werden: Seenot muss sein und ist vollkommen berechtigt internationales Recht. Dazu gehört aber auch, sich nicht mutwillig in diese Situation zu begeben. Die nun auch von der Kirche aufgenommene “Seenotrettung” hat deshalb in erster Linie den Charakter einer international rechtswidrigen Schleppertätigkeit. Leider reflektieren die Kirchenoberen in ihrer selbstverliebten Verblendetheit nichts, was Zweifel an ihrer fragwürdigen “Haltung” hervorruft.

Franck Royale / 10.03.2020

So ganz unrecht hat Frau Pastor ja nicht. Mir wäre es auch lieber gewesen, diesen unsäglichen Deal mit dem Islamisten Erdogan hätte es nie gegeben, stattdessen einen Grenzschutz der den Namen verdient, dann könnte er auch nicht Migranten aus aller Welt als Verhandlungsmasse gegen die EU ausspielen. Und ja, vielen Europäern dreht sich Tag und Nacht der Magen um, wenn sie sehen, wie verantwortungslos und weltfremd Deutschland, linke Medien und die Kirchen hierzulande agieren.

Peter Holschke / 10.03.2020

Hysterischen Weibern keine aufs Maul geben, das ist wahre Ritterlichkeit. Was würde die große Hildegard zu der Gutfrisierten sagen? Wohl irgendwas Lebensnahes. Sie wissen schon. Es sind auch schon Frauen zwischen Ponnyhof und Dornröschenschloß im Morast stecken geblieben. Halleluja! Oder es ist gar keine Hysterie, sondern nur altersfromme Moralprostitution? Darauf ein OMG!

Alexander Schilling / 10.03.2020

Wenn es nur das wäre! Da kommt ja noch einiges auf den ‘sozialen’ Medien (in der Vogelsprache: Zwitscher und Fratzenbuch) hinzu: eben die Tenken, die bekanntlich jede Behnken von sich gibt…

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