News-Redaktion / 09.01.2019 / 12:00 / Foto: Matthias Laurenz Gräff / 15 / Seite ausdrucken

“Frau Merkel, das iranische Volk braucht Sie!”

Entgegen der US-Politik versucht die EU eigentlich das umstrittene Atomabkommen mit dem Iran um jeden Preis zu retten. Es entsprach auch deutscher Außenpolitik, den gegenseitigen Handel trotz der US-Sanktionen zu fördern. Grundsätzlich hat sich daran auch nichts geändert. Auch die jetzt von der EU wegen geplanter Terroranschläge auf Exil-Iraner in Frankreich und Dänemark verhängten Sanktionen gegen Teheran richten sich konkret nur gegen zwei iranische Staatsbürger sowie gegen den Geheimdienst des Landes.

Dabei sollte der Westen, sollte Deutschland nach Meinung vieler Iraner viel deutlicher reagieren und zwar nicht nur wegen dieser Terrorpläne oder einer drohenden atomaren Bewaffnung des Mullah-Regimes. Allein schon die brutale Verfolgung von Regime-Gegnern, die willkürlichen Verhaftungen und Folterungen wären Grund genug, den Charakter des Mullah-Regimes klar zu benennen und seine Vertreter nicht länger als Partner zu hofieren.

Die Exil-Iranerin Mina Ahadi hat nun einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben, der zwar mit einer sicherlich unrealistischen Maximalforderung beginnt, aber sehr deutlich macht, warum mindestens mehr Distanz zu den Machthabern in Teheran geboten ist. 450 Unterstützer sollen Ahadis Brief mitunterzeichnet haben. Wir dokumentieren ihn hier:

Offener Brief

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,

mit diesem offenen Brief bitte ich Sie, die diplomatischen Beziehungen zum Folterregime im Iran abzubrechen!

Ismail Bakhshi ist einer der populärsten Arbeiterführer im Iran. Sein Name wurde besonders während des großen Streiks der Arbeiter der Zuckerrohrfabrik Haft-Tappeh in den letzten Monaten der Öffentlichkeit bekannt. Bakhshi trat in den Vordergrund, als er als Sprecher von tausenden Arbeitern, gerichtet an die islamische Regierung sprach und die Zahlung der Lohnrückstände der Arbeiter und die Achtung ihrer Grund- und Menschenrechte forderte.

Er verteidigte unabhängige Arbeiterorganisationen wie Gewerkschaften und Betriebsräte und forderte, das Unternehmen Haft-Tappeh den mafiösen Fängen der jetzigen Besitzer zu entreißen und dessen Privatisierung rückgängig zu machen. Er sprach von der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, von der Vernichtung vieler Arbeitsplätze und der monatelangen Nichtzahlung der Arbeitslöhne.

Das islamische Regime ließ Ismail Bakhshi und die Journalistin und Aktivistin Sepideh Gholyan verhaften. Sie wurden schließlich nach mehreren Wochen nach einer großen Protestwelle freigelassen.

Ismail Bakhshi schwieg eine Weile, aber am 4. Januar 2019 veröffentlichte er auf Instagram einen offenen Brief, in dem er auch detailliert von brutalen Folterungen der Beamten an ihm selbst und an Frau Ghalyan berichtet, von Erniedrigungen, Beschimpfungen die sie ertragen mussten und von schweren körperlichen und psychischen Schäden, die ihm zugefügt wurden.

Er fragt die Regierungsverantwortlichen nach dem Grund, warum sie dies getan haben, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu verteidigen. Er fragte zudem, warum sie ihn einfach vom Moment der Verhaftung an geschlagen haben und ihn drei Tage lang so gefoltert haben, dass er nicht mehr wusste, wo er war und Tag und Nacht nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Und schließlich fordert er den Geheimdienstminister der islamischen Regierung zu einem Fernsehduell auf, um ihn zur Rede zu stellen.

Die Verbreitung dieses Briefes hat den Finger auf die chronischen und tiefgreifenden Schmerzen in der iranischen Gesellschaft gelegt und großes Aufsehen in der Bevölkerung erregt.

Jetzt rufen die Gefolterten dieses Regimes eine Kampagne aus und sprechen über die Folterungen, die sie in diesen vierzig Jahren in den Gefängnissen erlitten haben. Jetzt reden die Erniedrigten und Vergewaltigten über diese Verbrechen.

Die Familien all dieser Menschen, Ismail Bakhshi sowie die iranischen Arbeiter und alle Opfer dieses Staates erwarten von den Menschen in der Welt, dass sie sich an die Seite der Opfer stellen und gegen die Folterer Position beziehen.

Wir in Deutschland lebende Iraner, wir Menschen, die gegen die islamische Regierung protestieren, fragen Sie, wo Sie bei dieser Auseinandersetzung und diesem Kampf stehen wollen, der die iranische Gesellschaft beschäftigt. Wollen Sie immer noch den islamischen Staat Iran verteidigen und wollen Sie zu diesem erschütternden Brief schweigen, der ein neues Kräftegleichgewicht zwischen der Bevölkerung und dem islamischen Staat im Iran widerspiegelt?

Frau Merkel,

Die Bevölkerung im Iran befindet sich auf heroischer, moderner und humaner Art im Kampf gegen ein islamisches, faschistisches Regime. Ein Regime, das vom ersten Tag an durch systematische Folter, Hinrichtungen und Repression am Leben erhalten wurde.

Diese Menschen kämpfen in den Fabriken und Universitäten, in Stadt und Land gegen islamische Gesetze. Frauen kämpfen gegen Zwangsverschleierung, Arbeiter für Organisations- und Streik-Freiheit und die rechtzeitige Zahlung ihrer Löhne sowie gegen Plünderung und Diebstahl öffentlicher Reichtümer durch die Regimeangehörigen. Die Familien von zu Tode Verurteilten kämpfen gegen die Todesstrafe. Und das Echo dieser Kämpfe ist sicherlich auch bis zu Ihnen und der deutschen Regierung durchgedrungen.

Wir fordern eine umfassende Revision der Politik der deutschen Regierung gegenüber dem Islamischen Staat Iran und betrachten den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Regime als die beste Revision.

In diesen Tagen, in denen sich die iranische Gesellschaft mit dem Phänomen der Folter und Gegenmaßnahmen beschäftigt, möchten wir Sie auffordern, die Ismail Bakhshis zu verteidigen und die Islamische Republik Iran unverzüglich zu verurteilen.

Unterschriften: Mina Ahadi 

Dieser Brief wurde bereits von 450 Personen unterschrieben.

06.01.2019

Minaahadi26@gmail.com

Foto: Matthias Laurenz Gräff, Unfromme Wünsche (Ausschnitt)

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Susanne antalic / 09.01.2019

Es interesiert unsere “Eliten” nicht,  die “Menschenrechte” in Iran, es interesiert sie nicht, dass sie Israel vernichten wollen, das passt alles. Es ist verständlich, den die “Eliten” in Deutschland schauen bewundernt an diese Diktatur und ehrlich gesagt, viele andere “Freunde ” haben sie auch nicht mehr. Man sieht tagtäglich in Deutschland, wie die Demokratie schwindet, wie Politiker die sich für ihre Länder einsetzen, diffamiert werden, wie Kritiker der deutsche Politik abgesegt und diffamieret werden und die mit der “richtige Haltung” mit Preisen überschüttelt werden. Irgent welche Vorbilder müssen sie haben. Kinderehen in D. werden geduldet, Frauenfeindlichkeit auch und die Migranten scheinen die besseren Menschen sein, weil es wird ihnen alles vergeben. Islamisten dürfen sich in Moshes treffen und gegen Westen hetzen und man nennt diese Unterwerfung WELTOFFEN.

beat schaller / 09.01.2019

Merkel und die EU lassen freundlich grüssen. Mass wird das so weiterleiten und Junker wird wohl einen kräftigen Schluck darauf nehmen. Schuld daran ist ja Trump. Ein Trauerspiel und ich gehe davon aus, dass dieser Hilfeschrei im Hohlraum der EU Politiker verhallt, weil es dort kein Hirn zu finden gibt. Eine echte Hohlraumbehandlung also.  b.schaller

Herbert Müller / 09.01.2019

Ich schätze mal, dass Frau Merkel nichts unternehmen wird. Die wirtschaftlichen Interessen der deutschen Industrie sind zu groß. Man wird argumentieren, dass ein Abbruch der Beziehungen die wirtschaftliche Lage der Masse der Bevölkerung - auch die jener Arbeiter - noch weiter verschlechtern würde. Das will man aber auf gar keinen Fall riskieren. Nichtstun wird wieder als positves Handeln verkauft.

Ivan de Grisogono / 09.01.2019

Frau Merkel ist nicht aufgefallen durch Sorgen für eigenes Volk oder Christentum! Sie hat nur eine einzige Sorge, diese Sorge hat mit Volk, Nation und Eid nicht zu tun, aber beansprucht ihre ganze Kraft und Gedanken! Iranischem Volk können primär USA und Israel helfen. Offensichtlich weiss die Kanzlerin noch nichts von Absichten die iranische Marineeinheiten im Atlantik operieren zu lassen?

Martin Stumpp / 09.01.2019

Ich enttäusche Frau Ahadi nur sehr ungern, aber ich fürchte Kim Jong Un darum zu bitten in Nordkorea freie Wahlen abzuhalten, wäre erfolgversprechender.

Wolfgang Kaufmann / 09.01.2019

Wenn ein Aktivist, den die politische Polizei erst einschüchtert und dann wieder freilässt, mit der Führung so wenig kooperiert, dass er bald wieder in den sozialen Medien die Missstände benennt, dann kann er auf keinerlei Verständnis bei in der DDR sozialisierten Kadern hoffen. Er zerstört die Harmonie, er stiftet Unfrieden, er beschmutzt das Nest. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!

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