Die Bindung der Geschlechtszugehörigkeit an die biologische Disposition trägt dem Common Sense, dem gesunden Menschenverstand, Rechnung. Ihm wird in Großbritannien hohe Bedeutung beigemessen, wie ein Urteil des Obersten Gerichtshofes zeigt.
Die Engländer haben sich besonnen: Back to the roots. In Großbritannien gibt es nur noch zwei amtlich anerkannte Geschlechter, weiblich und männlich. Alles, was dazwischen liegt, die Trans-Sexuellen, haben keinen Anspruch, diesem oder jenem Geschlecht beitreten zu können. Gleiches gilt für jene, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben. So hat es das Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs in einem Grundsatzurteil entschieden. Ein Mann muss Mann bleiben, auch wenn er gern eine Frau wäre. Und eine Frau ist Frau, wenn sie biologisch entsprechend veranlagt ist.
Damit wurde der großzügigen Auslegung von Trans-Rechten eine Absage erteilt. Ganz deutlich: Wer als Mann geboren wurde und später lieber eine Frau sein möchte, bleibt ungeachtet seines Verlangens ein Mann, und umgekehrt genauso. Frau und Mann sind juristische geschützte Begriffe und keine Verhandlungsmasse. Sobald das Geschlecht eine Frage der „Selbstidentifikation“ sei, erklärten die Richter, könne es keinen Schutz der verschiedenen Geschlechter geben. Insbesondere Frauen würden in Gefahr schweben, wenn Männer, die sich zu Frauen erklärt haben, biologisch aber weiterhin Männer seien, plötzlich Zugang zu den Schutzräumen der Frauen erhielten, zu Frauenhäusern, in die viele vor häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch bedrohte Frauen flüchten. Die Bestimmungen zum Schutz von Trans-Personen gegen Diskriminierung gelten freilich weiter.
Alles ganz klar und eindeutig. Die Bindung der Geschlechtszugehörigkeit an die biologische Disposition, an das, was sich aus der Naturgeschichte ergeben hat, trägt lediglich dem Common Sense, dem gesunden Menschenverstand, Rechnung. Ihm wird in Großbritannien mehr Bedeutung als auf dem Festland, zumal in Deutschland, beigemessen. Die Berufung auf den Common Sense besitzt bei den Britten und mehr noch bei den Amerikanern juristische Relevanz. Das von Thomas Paine verfasste Pamphlet „Common Sense“ zählt zu den Gründungsdokumenten der Vereinigten Staaten. Die von Thomas Jefferson verfasste Unabhängigkeitserklärung, unterzeichnet 1776, ist wesentlich von Paines Schrift beeinflusst. Entscheidend darin der demokratische Ansatz. Das heißt: Was vielen, egal welcher Stellung und Schicht sie angehören mögen, von vornherein einleuchtet, sozusagen aus einer angeborenen Vernunft, muss rechtens sein.
Ein Geschenk des Himmels
Das folgte aus dem Geist der europäischen Aufklärung. Immanuel Kant nannte den gesunden Menschenverstand „ein Geschenk des Himmels“. Anders ausgedrückt, es gilt die ursprüngliche Erfahrung. Und dass eine Frau eine Frau ist, ist die erste eines jeden Neugeborenen.
Auf dem Kontinent jedoch wollte man im Verlauf des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts nicht mehr viel auf die natürliche Urteilskraft des gesunden Menschenverstandes geben. Er passte nicht in die Epoche der großen Ideologien und wurde schnell als „Bauchgefühl“ belächelt oder abgetan. Bereits der Prophet aller Linken, der Sozialisten wie der Kommunisten und auch der Grünen, Karl Marx, urteilte, der gesunde Menschenverstand sei eine Form historischer Dummheit und ein Instrument der herrschenden Klasse. Er musste die natürliche Vernunft verleumden, weil sie seiner Ideologie zur Begründung einer totalen Macht, der „Diktatur des Proletariats“, den Boden entzieht.
Alle Ideologien, die Religionen eingeschlossen, sind Konstrukte, die nicht aus der Wirklichkeit hergeleitet werden, vielmehr einen Gegenentwurf darstellen. Zuerst verfallen diesen scheinbar idealen Konzepten jene, die sich an den Rand gedrängt fühlen. Im Panzer der Ideologie werden sie mutig und entwickelten ungeahnte Kräfte, um andere zu beherrschen. Das verhielt sich bei Marx, Lenin und Stalin, auch bei Hitler nicht anders als bei den woken Eliten unserer Tage. Natürlich kann man, um gleich allen absichtlichen Missverständnissen vorzubeugen, die Aufgezählten nicht in einen Topf werfen. Der zu Teilen humanistische Anspruch der einen ist so unbestritten wie die menschenfeindliche Haltung der anderen. Darum geht es nicht, was aber auch nichts daran ändert, dass die woken Eliten der im Wohlstand lebenden Communities moderner Großstädte einen intellektuellen Führungsanspruch erheben, der keine geistige Konkurrenz zulässt. Sie allein halten sich für die Erwählten der bürgerlichen Gesellschaft unserer Tage. Wer ihnen in die Quere kommt, wird auf allen Kanälen des öffentlichen Diskurses verfolgt.
Blödsinn im Namen der Kultur
Das gilt auch, um nun wieder zum Anlass unserer Überlegungen zurückzufinden, für die Vorherrschaft im Kampf um die Geschlechter-Diversität. Bisher sollte außer Frage stehen, dass es bei der tradierten Vorstellung von zwei Geschlechtern auf eine Diskriminierung Dutzender Trans-Geschlechter hinauslaufen müsse. Folgsam gewöhnte sich das eingeschüchterte Volk ans Gendern, an Sternchen in der Mitte vieler Worte, genau da, wo sie nicht hingehören. Die Kultur nahm Schaden, selbst wenn der Blödsinn im Namen der Kultur propagiert wurde, meist von MaulheldInnen, die Mühe haben, drei deutsche Sätze halbwegs gerade aufs Papier zu bringen.
Wer sich in seiner Haut nicht wohlfühlen mag, weil er als Junge lieber mit Puppen und als Mädchen lieber mit Feuerwehrautos spielte, wer weder als Frau noch als Mann eins mit sich ist, gewinnt unter dem geistigen Diktat der „Woken“ unverhofft Selbstbewusstsein, wird ihm in Aussicht gestellt, dass es nicht nur zwei, sondern siebzig und mehr Geschlechter gibt. Die Mauerblümchen blühen auf, die Schüchternen fassen Mut, Frauen anzusprechen.
Dagegen ist im Grunde auch nichts zu sagen, solange es sich im Privaten abspielt. Die von der Ideologie, gleich welcher, Befeuerten entwickeln aber als Kompensation früher Randständigkeit in der Regel einen heftigen Bekehrungseifer. Die Illusion, die ihnen half, aus dem Dunkel ins Licht zu treten, soll eine allgemeingültige werden. Ihre Überzeugungen entwickeln sich zum Dogma. Noch der augenscheinliche Blödsinn wird fanatisch verfochten, womit wir wieder beim Gendern und der Behauptung wären, es müsse sehr viel mehr als die zwei biologisch manifestierten Geschlechter geben.
Alles Folgen der Wohlstandsverblödung
Wer nach dem praktischen Nutzen dieser Aufregung fragt, wird keine Antwort bekommen. Es gibt ihn nicht. Die öffentliche Debatte um die Anerkennung verschiedenster Geschlechter, die steigende Zahl von Geschlechtsumwandlungen, das Gendern: alles Folgen der Wohlstandsverblödung einer auf die Befriedigung egoistischer Bedürfnisse fixierten Konsumgesellschaft.
Weil es nichts mehr gibt, mit dem man nicht schon versucht hätte, sich die Langweile zu vertreiben, schießen absurde Ideen ins Kraut. Dass das Oberste Gericht Großbritanniens dem jetzt einen gesetzlichen Riegel vorgeschoben hat, weckt Hoffnung, zumal auch die Verbreitung der Gender-Ideologie an Schulen untersagt ist. Kinder dürfen nicht länger mit erwünschten Namen und Pronomen angesprochen werden. Dem Wahnsinn, dass alles bis hin zum eigenen Körper wechselnden Moden und dem Geltungstrieb einzelner zu folgen hat, soll vorgebaut werden.
Keir Stamer hatte schon vor Monaten gesagt, dass „99,9 Prozent der Frauen natürlich keinen Penis haben“. Der inzwischen zum Premier aufgestiege Vertreter der Labour-Party wollte sich nicht länger für dumm verkaufen lassen. Ebenso hatte bereits Tony Blair vor dem unsinnigen Treiben geltungssüchtiger Hochstapler und Hochstaplerinnen gewarnt. Tatsächlich sind es ja vor allem die fraulich aufgebrachten Frauen, die das Thema der freien Geschlechtswahl mit hysterischen Beiträgen bedienen.
Toni Blair indessen reagierte auf die Ideologie mit dem Common Sense, als er schlicht und bündig daran erinnerte, dass „eine Frau eine Vagina hat und ein Mann einen Penis.“ Warum sich Politiker gleichwohl damit schwertun würden, begrifflich zu definieren, was eine Frau ist, wollte Blair nicht einleuchten. Denn: Frau bleibt Frau, Mann bleibt Mann.
Dr. Thomas Rietzschel, geboren 1951 bei Dresden, Dr. phil, verließ die DDR mit einer Einladung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Er war Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ und lebt heute wieder als freier Autor in der Nähe von Frankfurt. Verstörend für den Zeitgeist wirkte sein 2012 erschienenes Buch „Die Stunde der Dilettanten“. Henryk M. Broder schrieb damals: „Thomas Rietzschel ist ein renitenter Einzelgänger, dem Gleichstrom der Republik um einige Nasenlängen voraus.“ Die Fortsetzung der Verstörung folgte 2014 mit dem Buch „Geplünderte Demokratie“. Auf Achgut.com kommt immer Neues hinzu.