Robert von Loewenstern / 31.08.2018 / 15:18 / Foto: Superbass / 63 / Seite ausdrucken

Frau Barley, lassen Sie es gut sein

Wer am Folgetag einer Talkshow die Rezensionen liest, fragt sich so manches Mal, ob der Autor möglicherweise eine andere Sendung gesehen hat. So auch diesmal nach „Maybrit Illner“. Bei ihr ging es am Donnerstagabend erwartbar um Chemnitz. Nicht minder erwartbar lief die Empörungsmaschine auf Hochtouren, die „Hetzjagden“ wurden einhellig verurteilt und allgemein der Untergang des Abendlandes beschworen. 

Justizministerin Katarina Barley, irgendein unvermeidbarer „Rechtsextremismus-Experte“, ein stammelnder CDU-Mann und eine Rassismus-Zeugin reihten Phrase an Phrase und Stanze an Stanze. Eher nachdenklich präsentierte sich Matthias Manthei, ehemaliger AfD-Landesvorsitzender, jetzt im Landtag Mitglied der Fraktion „Bürger für Mecklenburg-Vorpommern“. 

Einzig die Ex-Grüne Antje Hermenau stemmte sich deutlich gegen den Strom des Generalverdachts, der sich über die angeblich so besorgten, abgehängten, rechtsextremen Ossis ergoss. Ruhig, aber bestimmt ging sie gegen pauschale Sachsen-Diffamierung an, wies auf tatsächliche Probleme der Massenzuwanderung hin, die jahrelang als „gefühlt“ abqualifiziert wurden („Der Bürger erlebt, dass seine Kritik nicht gehört wird“), und stellte klar, wo hier eine Mitverantwortung liegt: „Der besorgte Bürger wurde verspottet.“ Kurz: Antje Hermenau war die Entdeckung des Abends. 

Barleys „besonderer Moment“

Nicht so beim „Stern“. Unter der Überschrift „Illners Sendung hätte diesmal besser ,Katarina Barley‘ geheißen“ überschlägt sich der Rezensent mit Liebeserklärungen an die SPD-Frau: „Die Ministerin zeigte, wie emotional Politik sein kann, wenn es ums Ganze geht.“ Mehr noch: „Mit ihren engagierten Analysen avancierte die Bundesjustizministerin zum Star des Abends.“

Anschließend widmet „Stern“-Autor Dieter Hoss der Hochgejubelten einen Abschnitt unter der Zwischenüberschrift „Der besondere Moment“:

Dass ihr die Debatte um Chemnitz und Neonazi-Aufmärsche nahe geht, war der Ministerin in der gesamten Sendung anzumerken. Plötzlich aber wurde Katarina Barley emotional: „Was mich auf die Bäume und wieder runter treibt ist, dass es den Rechten gelungen ist, aus den zwei Worten ,gut‘ und ,Mensch‘ ein Schimpfwort zu machen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. (…) Das ist wirklich eine Strategie, das muss man sich klar machen, die wollen, dass wir uns fühlen wie in einer Gesellschaft von Schafen und Wölfen, das sagen die auch. 

Und wer ein guter Mensch ist, der ist doof, das Schaf, wird gefressen. Das ist deren Ziel, so eine Gesellschaft wollen die haben; das hatten wir schon mal. Und dann muss man sich klar machen, dass das ganz geplante Schritte sind. Und wir sind jetzt wieder an einem Tiefpunkt angekommen, wo sich jeder Mensch in unserer Gesellschaft entscheiden muss: will ich das oder will ich das nicht. Und wenn ich das nicht will, dann muss ich jetzt aufstehen.“ Das Publikum applaudiert.

Upps, es waren die Linken!

„WeLT“ erhob Barleys emotionalen Rant gegen Rechts heute sogar zur Überschrift: „Rechten ist es gelungen, ,Gutmensch‘ in etwas Schlechtes zu verwandeln.“ 

Leider kam weder einer der Talk-Teilnehmer noch der Rezensenten auf die Idee, aus Barleys Analyse von „wirklich eine Strategie“ mit einem Stich die Luft herauszulassen. Dies sei hiermit nachgeholt, auf dass die Bundesjustizministerin nicht ewig ein „doofes Schaf“ bleibe:

Nein, liebe Frau Barley, den „Gutmenschen“, einer der Kandidaten für das "Unwort des Jahres“ 2011, haben „die Rechten“ weder erfunden noch zum Schimpfwort erhoben. Es waren scharfzüngige, ausgewiesene Linke, die sich mit diesem Begriff über die gutmeinende Einfalt in den eigenen Reihen lustig machten. 

Bereits vor einem knappen Vierteljahrhundert erschien nämlich „Das Wörterbuch des Gutmenschen. Zur Kritik der moralisch korrekten Schaumsprache“ von Klaus Bittermann, Gerhard Henschel und Wiglaf Droste. Das Buch der Satiriker aus dem „Titanic“-Umfeld wandte sich gegen „Betroffenheitsjargon und Gesinnungskitsch“. 

Klingt, wie für Katarina Barley gemacht. Bitte hier entlang, Frau Ministerin.

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Leserpost

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Frank Holdergrün / 31.08.2018

Mein Gott, habe ich mich erschrocken: welch ein Paar Augen voll brennender Inbrunst und recht unverhohlener Vernichtungslust. Gut, dass Frau Barley Ihren Schaum jetzt richtig kanalisieren kann.

Nele Siebenbrei / 31.08.2018

Kann man Frau Barley nicht nicht mögen? Diese Klarheit in der Analyse von Fremd- und Drittbeobachtungen. Einfach wunderbar. Diese Ich-Echauffiere-mich-mal-wieder-Variete-Nummer, weil die Frau der groben Sprache, unsere liebe Andrea, gar nicht eingeladen war. Und wir ahnen auch warum. Oder war die Ministerin gar unerkannterweise vor Ort und hat gegen die Bös-Menschen etwas unternommen? Und wenn ja, was hätte sie wohl gemacht? Den Mob mit bloßer Willenskraft angehalten und den sofortigen aufrechten und nur an Fakten orientierten Diskurs gefordert? Oder den Bösen mit spontaner Heilung gedroht, mit Fakten und Worten, und natürlich nicht durch Handauflegen. Und dann ihre Emotionalität, gepaart mit sportlicher Note. Baum hoch und wieder runter. In Bestzeit? Vielleicht eine schöne Erweiterung für den Frauen-Siebenkampf? Einfach wunderbar. Und was bleibt. Nichts. Gar nichts, wie immer. Außer, dass wieder einmal klar wurde, dass die Bösen per se böse sind, und die Guten immer gut sind. Applaus, Applaus, Die Muppet-Bande hat wieder das Richtige gesagt. Darauf läßt sich eine Ideologie oder gar eine neue Religion fundieren, aber zu lösungsorientierter Polititk reicht das nicht einmal als Überschrift.

Oliver Förstl / 31.08.2018

Die WELT treibt es mittlerweile fast so “bunt” wie die TAZ. Einzig Broders Kolumnen dort sind lesenswert.

Horst Jungsbluth / 31.08.2018

Frau Barley ist nicht nur Bundesjustizministerin, sondern sogar noch ausgebildete Juristin und da erwartet man als einfacher Bürger, dass sie sich erst äußert, wenn der gesicherte Tatbestand ermittelt ist und dass sie Begriffe, die weder im GG noch im StGB zu finden sind, besser nicht verwendet. Man hat fast den Eindruck, dass die hysterische Berichterstattung über die Vorfälle in Chemnitz verdecken sollen, dass (wieder) ein Asylbewerber einen Menschen erstochen und zwei weitere verletzt hat.  Wir Berliner kennen diese Aufmärsche und Gewaltexzesse seit 50 Jahren, die teilweise aus nichtigen Gründen anberaumt wurden und   wo brutal weder auf Sachen noch auf Menschen Rücksicht genommen wurde. Es waren und sind hier (fast) immer die sogenannten Linken und man fragt sich als Bürger, was hat die Politik die eigentlich getan, um die Bürger vor solchen Übergriffen zu schützen?  Der “Achse” liegen die Kopien von Dokumenten über erschreckende Vorkommnisse in der Berliner Justiz vor,  die Aufschluss darüber geben, was hier in diesem Land schief läuft und leider bewusst schief läuft. Da muss angesetzt werden, was soviel bedeutet, dass unsere ewig Unverantwortlichen bei sich selbst anfangen müssten.

Christian Sporer / 31.08.2018

Alles im grünen Bereich Frau Barley. Ihre Ministerkollegin für Gedöns, Giffey heißt sie , war ja heute in Chemnitz und hat Finanzmittel für die politische Bildung der aufständischen Sachsen zugesagt.  “Der Bund werde Programme zur Demokratieförderung unterstützen, auch wenn alle Kameras weg seien und die Situation wieder ruhiger sei” Problem gelöst, der Sachse wird einsehen dass Messermorde halt unvermeidbare Kollateralschäden sind, insgesamt also gut angelegtes Geld.

Frank Stricker / 31.08.2018

Also , das letzte mal wo ich Katharina Barley “emotional” erlebt habe , war bei Markus Lanz vor der Bundestagswahl, wo sie ihren Karmann Ghia begeistert beschrieben hatte.  Ansonsten sehe ich Frau Barley als einer der Hauptgründe für die SPD-Kampagne 15 % - X an. Dicht gefolgt von so Koryphäen wie Rotkäppchen-Nahles und Pöbel-Ralle.

Bernie Johnson / 31.08.2018

Jeder Depp kennt den Unterschied zwischen “Gutmensch” und “guten Menschen”. Auch die Oberschlauen, aber die wollen nicht. Was für Deppen.

F. Jung / 31.08.2018

Klasse. Dazu gibt es sogar einen recht neutralen Wikipedia-Eintrag. Aber das zählt ja Alles nicht, wenn es im Kampf gegen “Rrrräääächts” zu punkten gilt. Der Empfänger der medialen Botschaft wird sich nicht die Mühe machen, nachzuschauen. Dem reicht immer noch, was er von ÖR vorgesetzt bekommt.

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