Robert Bourgi war über Jahrzehnte ein einflussreicher Strippenzieher hinter den Kulissen der französischen Afrikapolitik. In seinen Memoiren enthüllt er, dass afrikanische Staatsoberhäupter regelmäßig große Summen Bargeld für französische Politiker gespendet haben.
Robert Bourgi ist ein echtes Relikt aus einer anderen Epoche. Der 79-jährige französisch-libanesische Anwalt und Lobbyist hat seine Memoiren veröffentlicht, unter einem Titel der bedrohlich klingen soll. „Ils savent que je sais tout, ma vie en Francafrique“ (Sie wissen, dass ich alles weiß, mein Leben in Francafrique), Verlag Max Milot, 2024.
Das Buch wirft ein interessantes Licht auf die französisch-afrikanischen Beziehungen. Bourgi sagt, dass er mit dem Buch „sein Gewissen reinwaschen will“. Er spricht – in Form eines Interviews – über sein jahrzehntelanges Lobbying auf höchstem Niveau. Er war der diskrete Mann im Schatten der französischen Staatschefs Mitterand bis Sarkozy. Mit den afrikanischen Präsidenten hat er – oft unter Vermeidung des offiziellen Weges – methodisch Beziehungen aufgebaut und davon auch finanziell profitiert. Wenn Jacques Chirac oder Dominique de Villepin mit afrikanischen Präsidenten sprachen, benutzten sie seinen Spitznamen „Bob“ (S. 80). Für Villepin benutzte z.B. Omar Bongo den Codenamen „Mamadou“ (S. 209)
Geldbote für französische Politiker
Als Francafrique wird jenes Herrschaftssystem bezeichnet, das Frankreich nach der formalen Unabhängigkeit der französischen Kolonien entwickelte, um seinen Einfluss in Afrika aufrechtzuerhalten. Der Begriff wurde in den 1960er Jahren von Jacques Foccart, dem Afrika-Beauftragten von Charles de Gaulle, geprägt. Foccart war der Lehrmeister von Bourgi. Seit 1990 war er für die Geldbeschaffung aus Afrika südlich der Sahara für die Wahlkämpfe französischer Präsidenten zuständig.
Robert Bourgi war über Jahrzehnte ein einflussreicher Strippenzieher hinter den Kulissen der französischen Afrikapolitik. In seinen Memoiren enthüllt er, dass afrikanische Staatsoberhäupter regelmäßig große Summen Bargeld für französische Politiker gespendet haben und er der Geldbote gewesen sei. Er schildert, wie die Scheine in Djembe-Trommeln versteckt wurden und wie sich Chirac über die zu kleinen Scheine mokierte.
Er war gut bekannt mit Félix Houphouet-Boigny (Côte d’Ivoire), Omar Bongo (Gabun), Mobutu (Kongo), Laurent Gbagbo (Côte d’Ivoire), Blaise Compaoré (Burkina Faso), Denis Sassou Nguesso (Kongo Brazzaville) bis zu den beiden Senegalesen Abdoulaye Wade und Macky Sall. Das Buch liest sich wie ein Spionageroman, gespickt mit skurrilen Anekdoten, und zeichnet die Windungen des berühmten Franceafrique, das alle gerne begraben würden.
Bourgi beschreibt detailliert, wie afrikanische Präsidenten französische Politiker mit Geld versorgten, das der Entwicklung ihrer Länder vorenthalten wurde. Er bezeichnet sich als Lobbyist. Vom französischen Staat habe er kein Geld genommen (S. 201). Bezahlt wurde er u.a. von den Firmen Bolloré Africa Logistics und Air France.
Robert Bourgi wurde aber vor allem von den afrikanischen Präsidenten honoriert. Bongo und sein Nachfolger haben ihm bis 2013 50.000 Euro plus Spesen monatlich bezahlt. Bongo schickte Bourgi auch in die USA ("pour redorer son image et celle de la gouvernance gabonaise„ / "um sein angeschlagenes Ansehen und das seiner Regierung zu verbessern") (S. 131). Die Summen der anderen Präsidenten wie Denis Sassou Nguesso (ehemaliger Schwiegervater von Bongo) bis Abdoulaye Wade nennt er nicht. (S. 223). Hintergrund zu der USA-Mission: Die Affaire 2007 um die „biens mal acquis“ (unrechtmäßig erworbene Vermögenswerte) traf besonders Bongo, dem 33 Appartements in Frankreich gehörten. Dies war auch in den USA ein Thema. (S. 215)
Gewisse Dienste für afrikanische Regime
Als Gegenleistung stützten französische Regierungen autoritäre und korrupte Staatsoberhäupter vor Umsturzversuchen. In meiner Anfangszeit im diplomatischen Dienst gab es in den früheren französischen Kolonien immer noch zahlreiche „Berater“ in den wichtigsten Ministerien. Drei der im Buch erwähnten französischen Botschafter habe ich später als Kollegen erlebt.
Bourgi vermittelte gewisse Dienste („Services") für die Afrikaner, wie direkten Zugang zu den französischen Präsidenten oder hohen Beamten, Mitsprache bei Besetzung von Ministerposten (!) (S. 211). Auch die Entlassung von zwei Ministern. Die Entwicklungsminister Jean-Pierre Cot (1982) und Jean-Marie Bockel (2008) ging auf den Druck von Bongo zurück. Das war bekannt, wird aber von Bourgi noch einmal ausführlich bestätigt. (S. 234 ff.)
Bongo spielte den Gutmütigen und gab sich manchmal als etwas grantiger, im Grunde wohlwollender Chef. Dieser Ruf war ihm außerordentlich von Nutzen, sowohl in Afrika als auch in Frankreich. Seinen Nachfolger Ali hielt er für faul („ il a un poil dans la main“). Auch gab es Gerüchte, Ali sei nicht sein leiblicher Sohn. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn seine Tochter Pascaline (sie war 15 Jahre seine Kabinettschefin) ihm nachgefolgt wäre (S. 195). Die 56 Jahre andauernde Herrschaft der Familie Bongo wurde 2023 durch einen Militärputsch aber ohnehin beendet.
Jacques Chirac oder Dominique de Villepin, unter anderen, sammelten mehr oder weniger diskret kolossale Bargeldsummen von „Papa Omar“ ein. So nannte Bourgi Omar Bongo. Während Bongo ihn „Fiston“ (Sohn) nannte. Ich frage mich, wer war der „Pate“? Bongo mit seinem undurchsichtigen Regime von 1967 bis zu seinem Tode 2009 oder jeweils die französischen Präsidenten von de Gaulle bis Sarkozy?
"Ich will sicher sein, den Gewinner zu haben"
Bongo schmierte aber auch linke Politiker. Als Bourgi ihn fragte, weshalb er das tue, antwortete er „Fiston je joue comme aux courses, sauf que mise sur tous les cheveaux pour etre certain d’avoir le gagnant“ ("Sohn, ich spiele wie beim Pferderennen und setze auf alle Pferde. Ich will sicher sein, den Gewinner zu haben.“) (S. 88)
Sehr stolz war Bourgi auf die Verleihung des Ordens der Légion d’honneur (er hat ihn – wie er schreibt – nach den Ordensregeln selbst beantragt), der ihm von Nicolas Sarkozy angeheftet wurde und ihm von Emmanuel Macron 2017 wieder entzogen wurde.
Über etliche französische Politiker hatte Bongo – laut Le Monde – genügend belastendes Material in der Hinterhand. Bongo nutzte Gabuns Reichtümer, vor allem die strategischen Ressourcen Öl, Uran und Holz, auch zum Nutzen Frankreichs. Wie die meisten anderen Länder des ehemaligen Kolonialreichs stimmte auch Gabun bei den Vereinten Nationen stets im Sinne Frankreichs ab. Seit Nicolas Sarkozy hat jeder französische Präsident das Ende von Francafrique versprochen. Bourgi versichert, dass sein Freund Sarkozy kein Geld genommen hat.
Frankreichs Einfluss schwindet
Sicherlich existiert das, was Bourgi in seinen Memoiren beschreibt, nicht mehr. Die Einflusssphäre besteht jedoch fort. Deshalb dient Frankreich inzwischen als Sündenbock, weil viele Menschen im frankophonen Afrika glauben, dass die ehemalige Kolonialmacht sie bis heute ausbeutet. Frankreichs Einfluss schwindet in Afrika. Die Militärputsche in Niger, Gabun, Mali, Burkina Faso und Guinea – alles Ex-Kolonien Frankreichs – zeigen, dass – insbesondere von der jungen Bevölkerung – die strategische Interessenpolitik von Paris nicht mehr akzeptiert wird.
Es ist an den Afrikanern, dafür zu sorgen, dass sie ihre eigenen Interessen verteidigen, die bisher von ihren Partnern so oft auferlegten Verträge ablehnen und nicht mehr für ein paar Krümel die immensen Ressourcen des Kontinents an Franzosen, Chinesen, Amerikaner oder an internationale Konzerne verkaufen.
Volker Seitz, ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage) Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.
Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.
Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.