Stefan Frank / 05.05.2025 / 16:00 / Foto: VOA / 6 / Seite ausdrucken

Frankreich: Sechzehn Monate Haft nach Angriff auf Rabbi

Antisemitische Angriffe in der Öffentlichkeit – oft von den Tätern selbst gefilmt – sind in Frankreich alltäglich. Jetzt wurde ein solcher Angriff eines jugendlichen Gewalttäters vor Gericht verhandelt.

Ein junger Antisemit, der vor fünf Wochen in Orléans einen Rabbiner angegriffen und verletzt hatte, ist von einem Jugendgericht zu sechzehn Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Täter hatte mit seinem Smartphone ein Video gemacht und Rabbi Arié Engelberg und seinen Sohn gefilmt, als die beiden auf dem Weg aus der Synagoge waren. Der Angreifer sei auf den Rabbi zugekommen, „während er sich selbst filmte“, bevor er ihn „zu seiner Religion“ befragte, während er „antisemitische Beleidigungen ausstieß und in seine Richtung spuckte“, so die Staatsanwältin von Orléans Emmanuelle Bochenek-Puren.

Der Rabbi näherte sich dem Täter und schob sein Telefon weg, um die Aufnahme zu stoppen. Daraufhin schlug der Täter ihm mehrmals ins Gesicht, umklammerte ihn und biss ihn ins Schulterblatt. Augenzeugen griffen sofort ein und riefen die Polizei. Nach der Tat hatte der Anwalt des Täters erklärt, sein Mandant sei als „unbegleiteter Minderjähriger vor weniger als einem Jahr ohne besondere Ausbildung nach Frankreich gekommen“. Während seiner Anhörungen bestritt der Teenager, „der Auslöser der Auseinandersetzung gewesen zu sein“ und beharrte darauf, sich „verteidigt“ zu haben – eine Position, die er während des gesamten Prozesses beibehielt.

Der Angreifer war den Gerichten bereits bekannt, da er „in drei Gerichtsverfahren verwickelt“ gewesen war, in denen es um Drogenhandel, vorsätzliche Gewalt in Marseille und schweren Diebstahl in Orléans ging. Bei jeder Festnahme „gab er eine andere Identität an“. Wegen der Gewalttaten gegen den Rabbiner sowie Diebstahls und Drogenkonsums wurde er nun zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt. Hinzu kommen weitere vier Monate Haft, da er sich während seines Polizeigewahrsams geweigert hatte, biologische Proben abzugeben, die seine Identifikation ermöglichen sollten.

Wie Orléans Tageszeitung La République du Centre berichtete, fand die Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und dauerte fast acht Stunden. Die Zweifel an der Identität und dem Alter des Angeklagten wurden nicht ausgeräumt. Im Polizeigewahrsam hatte der Jugendliche zunächst erklärt, sechzehn Jahre alt und marokkanischer Staatsbürger zu sein. „Wir haben keine Möglichkeit zur Identifizierung“, erklärte Isabelle Abreu, die Anwältin von Rabbi Engelberg. Nach Angaben seines Anwalts Nicolas Bouteillan ist der Täter siebzehn Jahre alt und im September 2024 in Frankreich angekommen.

„Die geforderte Strafe war überhöht“

Nachdem er nach der Tat in Untersuchungshaft genommen wurde, befand ihn das Gericht der vorsätzlichen Gewalt für schuldig, „die aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit des Opfers zu einer Religion begangen wurde“. Zudem ist er der „psychischen Gewalt“ gegen Arié Engelbergs neunjährigen Sohn für schuldig gesprochen worden.

„Er wird die die heutige Nacht im Gefängnis verbringen und das ist, was wir wollten“, sagte seine Anwältin Isabelle Abreu über den Angreifer. „Dieser Prozess hatte einen Zweck, denn es musste eine strafrechtliche Reaktion erfolgen und es gibt eine Strafe, die für einen jugendlichen Ersttäter nach wie vor erheblich ist“, so die Anwältin weiter. Die Staatsanwaltschaft hatte zwanzig Monate Haft gefordert. „Die geforderte Strafe war überhöht, sie wurde entsprechend der Schwere und der Persönlichkeit meines Mandanten reduziert“, erklärte der Anwalt des Angeklagten.

Der Täter wurde außerdem zu einem fünfjährigen Aufenthaltsverbot im Département Loiret verurteilt, einem dreijährigen Verbot der Kontaktaufnahme zu den Opfern und einem Hausverbot an Orten, wo seine Opfer anwesend sind.

Einer der Täter schlug ihm ins Gesicht

Vor der Verhandlung hatte Engelberg erklärt: „Meine Moral ist noch gut, aber wir werden nach dem Urteil weitersehen. Ich habe mich verteidigt, ich habe nicht aufgegeben, ich habe es für meinen Sohn getan, für mich selbst, für die jüdische Gemeinde. Es ist wichtig zu sagen, dass wir noch immer erhobenen Hauptes sind“, betonte er gegenüber mehreren Journalisten. Nach dem Prozess wollte er sich nicht mehr äußern.

Das Urteil erfolgte in einer Zeit, in der antisemitische Angriffe in der Öffentlichkeit – oft von den Tätern selbst gefilmt – in Frankreich alltäglich sind. In Villeurbanne bei Lyon hat der Stadtrat eine Untersuchungskommission eingerichtet, nachdem es innerhalb von vier Wochen drei antisemitische Angriffe auf offener Straße gegeben hatte. Einer davon ähnelte jenem von Orléans. Auch hier filmten die Täter sich dabei, wie sie ein Opfer antisemitisch beleidigten und angriffen.

Es war am Freitag, den 11. April. Der angegriffene Mann berichtete, er habe keine Kippa getragen, sondern nur eine Halskette mit einem Davidstern. Einer der Täter schlug ihm ins Gesicht und beschimpfte ihn gleichzeitig als „dreckigen Juden“. Währenddessen filmte der andere die Szene, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP von einer mit dem Fall vertrauten Quelle. Das Opfer sei jedoch nur leicht verletzt worden.

Angehörige der Jungen Garde?

Die beiden Personen hätten zwar von ihm abgelassen, zugleich aber damit gedroht, „zurückzukommen und mich zu finden, um mich zu töten“, erzählte der Angegriffene. Die Tat wurde als Morddrohung eingestuft. „Ich kann kaum glauben, dass das ein Zufall war. Es ist ein Parkplatz, und freitags sind dort nur sehr wenige Leute. Ich habe dem Bürgermeister von Villeurbanne gesagt, dass ich um meine Sicherheit fürchte. Das habe ich auch in meiner Beschwerde zum Ausdruck gebracht.“

Nach Angaben des Opfers behaupteten die Angreifer vor ihrer Flucht, der Jungen Garde anzugehören, einer 2018 in Frankreich gegründeten linksextremen Gruppe: „Sie sagten mir: Das ist die Junge Garde, du dreckiger Bastard! Sie sagten es mit einer Art Stolz in der Stimme.“

Die Präfektur teilte mit, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei Hinweise darauf gebe, dass die Tat mit der extremen Rechten oder der extremen Linken in Verbindung gebracht werden könne. Alle politischen Gruppen der Gemeindemehrheit von Villeurbanne, darunter die sozialistische, die kommunistische und die grüne Partei, verurteilten diesen „neuerlichen antisemitischen Angriff“ aufs Schärfste und forderten „harte Sanktionen gegen die Täter“. „Dieser Angriff stellt, wie auch die vorherigen, einen schweren Angriff auf unsere gemeinsamen Werte dar“, hieß es in einer Erklärung der Fraktionen. Derartige Taten seien „durch nichts zu rechtfertigen, unabhängig von den Konflikten und der internationalen Lage“.

Mitte März wurde in Villeurbanne eine Frau von einer anderen Frau geschlagen und mit antisemitischen Beleidigungen beflegelt. Am 8. März wurde ein Mann geschlagen, nachdem er zuvor als „dreckiger Jude“ beschimpft worden war.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

 

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).

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Leserpost

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Andy Malinski / 05.05.2025

Soso - dieses Subjekt kann sich also weigern, “biologische Proben” (zur DNA-Bestimmung) abzugeben, um eindeutig (wieder)erkennbar zu sein ... und das wahrscheinlich wegen der Menschenwürde - logischerweise des Beklagten. Die Menschenwürde aller Anderen, die das Verhalten ertragen müssen oder gar sein Opfer werden, zählt nicht.

Lutz Herrmann / 05.05.2025

Unsere Linksradikale können auch mit derart milden Strafen rechnen, obwohl es sich laut Gesetz eigentlich strafverschärfend auswirken müsste. Also Zeitgeist schlägt Gesetzestext!

Heiko Engel / 05.05.2025

In Deutschland und deren Demokratie hätte diese deformierte Figur wahrscheinlich eine Bürgergelderhöhung, Handschlag vom Oberstaatsanwalt ( Dr. Schramm ? ) und 6 Wochen Urlaub mit LH - Ticket in die längst vergessene Heimat erhalten. Kosten des Verfahrens hätte wahrscheinlich die jüdische Gemeinde am Tatort übernehmen müssen. Der Araber braucht eine vor den Latz. Ist die einzige Sprache, die er versteht und wir sparen den Dolmetscher. Aber natürlich nicht in der OPE. ( Offene Psychiatrie EU ). Sonnigen Nachmittag !

Franz Klar / 05.05.2025

Wäre Stoff für die Episode “Maigret und der beflegelte Rabbi”!

Marc Jenal / 05.05.2025

Werden solche Leute nur deswegen (Verurteilung zu Haft) ihre Denkweise ändern? Europäer scheinen blind, taub und stumm. Der Kommentar der Woche hat es leider treffend auf den Punkt gebracht, danke auch für die Hervorhebung! (Genauso wie wir beim Konflikt Israel-Hamas die eine Seite in Militärkleidung sehen, wollen wir die Kombattanten in Zivilkleidung nicht erkennen.) Wie viele trojanische Pferde haben wir bereits nach Europa geholt? Biedermann und die Brandstifter läuft hier scheinbar in vielen Landesteilen als Grossversuch. Die meisten arabischen Länder haben vorausschauend längst radikale Islamistengruppen wie die Muslimbrüder und ihre unzähligen Tarn-Organisation verboten. Wir natürlich nicht, wir haben nicht nur offene Scheunentore, wir winken alle herbei und finanzieren deren Verbreitung, kungeln mit den Schlimmsten. Die Grenzen von säkularen Muslimen, die der Moderne, der Aufklärung nahe stehen bis zu jenen, die im tiefsten Mittelalter bzw. den Kriegsjahren ihres Propheten leben wollen, scheint sehr fliessend zu verlaufen. Wir spielen konstant mit dem Feuer/Sprengstoff und es interessiert uns nicht, wenn aufgrund dieses Problems die Bomben hochgehen oder wenn zeitweise geschlachtet wird. Das starke Signal, das wir in die Welt sehen ist nicht eines der Toleranz, sondern der Ignoranz, Unbedarftheit, Feigheit und Schwäche, in manchen Fällen der kompletten Realitätsflucht. Warum schicken wir das Mittelalter nicht nach Hause und lassen es dort?

A. Ostrovsky / 05.05.2025

Ich überlege gerade, wie das Bild zum Thema passt. Also der Schwarze hat die Maschinenpistole griffbereit, Finger am Abzug, auf den großen Zeh des Weißen gerichtet. Der scheint unbewaffnet zu sein. Oder was ist das, was links am, Schwarzen hängt? Lässt er den seine MP tragen? Auf jeden Fall ist der Schwarze offenbar in direkter Feindberührung, andernfalls benimmt man sich doch nicht so martialisch. Die Franzosen sind schon seltsame Geschöpfe. Woraus die das Gefühl ihrer Sicherheit schöpfen, da wäre in meiner Kindheit in den Vororten noch die komplette Kinderschaar schreiend davon gerannt. Irgendwie sind da alle normalen Instinkte sediert. Dieses achselzuckende “wers mag” will mir nicht mehr geschmeidig durchs Denkkastl flutschen, weil ich nicht mehr verstehen kann, dass man so viel Militarismus und Repression mögen kann. Ich bin sicher, die ertragen es nur. Noch. Ich ertappe mich auch, dass ich keine Kokosmakronen mehr esse. Schon mehrere Jahre nicht mehr. Naja, früher gab es beim Bäcker sogar Amerikaner. Heute undenkbar! Wiener, Frankfurter, Berliner. Ich bin komplett weg von der Droge. Franzosen und Engländer fehlen im Werkzeugkasten. Auch die Idee, “die könnten meine Söhne sein” will mir schon lange nicht mehr auftauchen. Nein, könnten sie nicht!

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