Frankreich ist das letzte Land, das sich nun doch auch dazu herabgelassen hat, diejenigen Vertreter des Medizin- und Pflegebereiches, die wegen fehlender „Corona-Impfung“ suspendiert worden sind, zu reintegrieren.
Seit Beginn des Jahres 2023 vernahm man in den Medien nur halbgare Aussagen des Präsidenten Macron und seines Gesundheitsministers François Braun. Über die Reintegration des Gesundheitspersonals könne man reden, wenn die Wissenschaftler sich einig seien. Das müsse man dann sehen. Man müsse die Einschätzung der Experten abwarten. Und dann wandte man sich wieder anderen Themen zu. Nicht ohne ab und zu fallen zu lassen, dass die Suspendierten sicher nicht den Personalmangel in den Krankenhäusern und Altenpflegeheimen lösen würden, deren Anzahl sei „peanuts“ im Vergleich zu den offenen Stellen. Und daher hätte das auch nicht Priorität. Der Hinweis, dass diese Leute unter unhaltbaren Bedingungen leben, wurde damit abgetan, es sei ihre Wahl gewesen, sich und andere nicht vor dem Virus schützen zu wollen.
Während der großen Protestdemonstrationen gegen die Rentenreform sah man vereinzelt mutige Menschen mit einem Schild „Reintegriert die Suspendierten!“. Vielfach wurden sie angefeindet oder geschnitten, vor allem von solchen, die in weißen Kitteln gegen die Rentenreform demonstrierten. Sprach man sie freundlich an, sanken sie vor Freude und Dankbarkeit in den Knien ein, dass sich noch jemand für die Suspendierten interessiert. Es waren mal Angehörige von Suspendierten, mal unerschrockene Gelbwesten.
„Jedes Recht verwirkt“, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren
Seit drei Monaten werden auf Großplakaten Anzeigen in den Kommunen geschaltet: „Werde jetzt Krankenschwester! Altenpfleger! Pflegehelfer! Komm in unser Team!“ schreit es einem an Ampelkreuzungen entgegen, an Haltestellen oder an Ausfallstraßen, wo man nachmittags im Stau steht.
Im März schließlich wurde unerwartet eine Empfehlung der Gesundheitsbehörde Haute Autorité de la Sante (HAS) veröffentlicht, das suspendierte Personal wieder an die Arbeitsplätze zurückkehren zu lassen. Gesundheitsminister François Braun, Arzt, Notfallmediziner, ehemaliger Leiter der Notfallstation eines Krankenhauses in Metz, verlautbarte, man müsse behutsam vorgehen.
Verbände und Gewerkschaften aus dem Gesundheitssektor schrieben offene Briefe gegen diese Empfehlung und kotzten sich auf Twitter und Facebook aus. Ein sehr lauter Anteil der „geimpften“ Angestellten im Gesundheitswesen sind der Überzeugung, dass die „Anti-Vax-Kollegen“ sie „im Stich gelassen“ hätten, ihnen durch ihre „egoistische Entscheidung“ Mehrarbeit aufgebürdet hätten und dass sie demnach „jedes Recht verwirkt“ hätten, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.
Welle der Empörung
Doch Verbände der Suspendierten kämpften weiter, diese Empfehlung reichte ihnen nicht aus. Ihre Arbeitgeber meldeten sich ohnehin in keiner Weise bei ihnen. Die Suspendierten wollten sichergehen und forderten, dass das Gesetz, das die Impfpflicht vorschreibt, aufgehoben wird. Sie fanden in drei Abgeordneten der linken Partei NUPES Unterstützer: Davy Rimane, Jean-Victor Castor und Moetai Brotherson erarbeiteten einen Gesetzesvorschlag und legten ihn am 4. Mai der Nationalversammlung zur Abstimmung vor.
Das Ergebnis wurde als großer Erfolg gefeiert. Und so sieht dieser Erfolg aus: 157 Abgeordnete stimmten dafür, 137 Abgeordnete dagegen, zwei enthielten sich. Die Nationalversammlung hat 577 Abgeordnete. Nicht einmal die Hälfte der gewählten Volksvertreter ist zu dieser Abstimmung erschienen. Nun liegt der Gesetzesvorschlag beim Senat.
Die positive Abstimmung der Nationalversammlung führte erneut zu einer Welle der Empörung von Einzelpersonen und von verschiedenen Verbänden. Die Reintegration der „Ungeimpften“ stelle sowohl eine Gefahr für die Patienten als auch für die Kollegen dar, vor allem, falls eine neue Variante auftauchen sollte, die „noch gefährlicher ist als das Wuhan-Virus“. Eines dieser Papiere können Sie hier im Original lesen, es stammt vom Krankenhausverband FHF.
Kombinations-„Impfung“ gegen Grippe und COVID als Pflicht
Es ist erstaunlich, wie hier in Frankreich auch von ausgebildetem medizinischen Personal die Erzählung aufrechterhalten wird, dass die „Impfung“ genannten Produkte einen Beitrag zum Schutz von Patienten leisteten.
Schließlich erließ der Gesundheitsminister am 13. Mai 2023 ein Dekret, das besagt, dass die Suspendierten ab dem 15. Mai wieder zu ihren Arbeitsplätzen zurückkehren können. Wie das vonstatten gehen sollte, wurde nicht ausgearbeitet. Das Dekret sieht die Suspendierung des Impfpflicht-Gesetzes vor, nicht dessen Aufhebung. Ein linguistisches Festmahl: Die Suspendierung des Gesetzes soll die Suspendierten reintegrieren. Die Regierung will das Gesetz beibehalten, vorgeblich, um „im Falle einer erneuten Welle ein Werkzeug zur Hand zu haben“.
Im Übrigen wird in Frankreich seit Monaten mehr oder weniger laut darüber nachgedacht, ab Herbst 2023 eine Kombinations-„Impfung“ gegen Grippe und COVID zur Pflicht für das Gesundheitspersonal zu erklären.
Ab 15. Mai sollte die Reintegration durchgeführt werden. Nur einzelne Arbeitgeber haben ihre suspendierten Angestellten daraufhin kontaktiert. Das Dekret sieht vor, dass, falls die ehemalige Stellen „nicht mehr verfügbar“ seien, die Angestellten auf einer „vergleichbaren“ Stelle zu beschäftigen seien. Von einer rückwirkenden Auszahlung der ausgesetzten Gehälter ist nicht die Rede. Am 19. Mai hat eine Anwältin für drei Mandanten Recht erstritten: Ihnen wird das Gehalt zurückerstattet und sogar die Prozesskosten werden übernommen.
In meinem folgenden Artikel werde ich von einigen Suspendierten berichten. Davon, wie sie die vergangenen eineinhalb Jahre erlebt und überlebt haben und wie sie seit dem 15. Mai 2023 leben. Ich werde auch von Dr. Grégory Pamart berichten, dessen Video-Appell der Kollege Manfred Haferburg in diesem Artikel übersetzte.
Marie Dufond lebt nach 27 Jahren in Süddeutschland, fünf Jahren in der Schweiz und 14 Jahren in Norddeutschland seit Februar 2020 in Südfrankreich. Sie ist studierte Expertin für Kommunikation, Stimme und Sprache.