Frankreich: Leben mit und ohne Pass Sanitaire

Nach zwei weiteren Demonstrations-Samstagen und an Tag 10 der Einführung des „Pass Sanitaire“ folgt ein neuer Bericht mit persönlichen Eindrücken aus Frankreich.

Von Marie Dufond.

Am 7. August war ich den vierten Samstag in Folge zur Demonstration in Montpellier. Dort standen zum ersten Mal die CRS bereit, die Compagnies Républicaines de Sécurité, ein Verband, der mit der deutschen Bereitschaftspolizei vergleichbar ist. Wie an den vorangegangenen Samstagen begleiteten die Polizisten den Demonstrationszug nicht, sie standen wartend an drei Plätzen herum, mit größerem Aufgebot vor der Präfektur. Die CRS-Polizisten waren mit Schildern und Schlagstöcken ausgestattet. Sie trugen Masken, einige von ihnen allerdings etwas abseits des gewünschten Sitzes. Manche spielten an ihren Schilden herum, andere lehnten sie an die Autos. Der Demonstrationszug zog vorbei, von Vorfällen habe ich nichts gesehen und nichts vernommen.

Eine demonstrierende Frau trug ein Schild mit dem Portrait eines jungen Mannes, der Text lautete: „Maxime, 22 Jahre, tot nach der Impfung mit Pfizer.“ Die Frau, die das Schild trug, ist die Mutter von Maxime. Eine Gruppe von etwa 16 Feuerwehrleuten lief mit, sie hatten sich rot-weiße Absperrbänder umgelegt, auf denen „sapeurs-pompiers“ aufgedruckt ist, denn sie dürfen nicht in ihren Uniformen demonstrieren. Ein Feuerwehrmann erzählte mir, dass 80 Prozent der französischen Feuerwehr Ehrenamtler sind. Damit verpflichtet die französische Regierung also auch Bürger zur Impfung, die zusätzlich zu ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in den unterschiedlichsten Berufen als ehrenamtlicher Feuerwehrmann zur Verfügung stehen und Einsätze fahren.

Nun sollte man sich im Umkehrschluss einmal klar machen, was passieren würde oder wird, wenn die Noch-Nicht-Geimpften trotz des Drucks der französischen Regierung Nicht-Geimpfte bleiben möchten. Angekündigt wurde ja, das gesamte medizinische Personal, das sich nicht impfen lassen möchte, in unbezahlten Urlaub zu schicken und nach zwei Monaten Uneinsichtigkeit einen Kündigungsprozess anzustrengen. Im Terminus „medizinisches Personal“ sind inbegriffen: Ärzte, Pfleger und Reinigungskräfte in Krankenhäusern und Altenheimen, mobiles häusliches Pflegepersonal, Pfleger in Behinderteneinrichtungen sowie auch pflegende Familienangehörige und ehrenamtliche Nachbarschaftshilfen.

Bleibt es bei den aktuell circa 30 oder 40 Prozent Ungeimpften in diesen Berufsgruppen und wirft man sie tatsächlich raus, stehen diese Fragen im Raum: Wie sollen die Krankenhäuser weiterarbeiten? Unter welchen personellen Bedingungen soll die Feuerwehr vollgelaufene Keller leerpumpen und Brände löschen?

Demonstrieren in einer Kleinstadt von 40.000 Einwohnern

Samstag, den 14. August demonstrierte ich in der Kleinstadt Alès. Mit einer Gruppe Krankenschwestern unterhielt ich mich dort, sie sind sehr verärgert, dass sie „pauschal geimpft“ werden sollen, ohne dass vorher getestet wird, ob sie nicht Genesene sind und die Impfung gar nicht bräuchten. Und dass sie Genesene seien, sei schließlich höchst naheliegend bei ihrer Arbeit.

Die Demonstranten bewiesen ein bewundernswertes Durchhaltevermögen beim Gehen, die Strecke war lang, wir hatten 36 Grad im Schatten. Alte Damen winkten von ihren Balkonen, applaudierten, eine schwang mit zittriger Hand ein weißes Nachthemd. Von den dünn besuchten Terrassenplätzen der Restaurants wurden den Demonstranten feindselige Blicke zugeworfen, aber ein Bistrobesitzer brüllte die vorbeiziehenden Demonstranten an: „Heute hier ohne Pass Sanitaire! Kommt was trinken bei mir, heute ohne Kontrolle, ohne Pass Sanitaire!! Jaja, 's ist sonst natürlich obligatorisch... also nur heute ohne!“ und er lachte verschmitzt.

In Alès waren auch viele Leute aus anderen Regionen. „Wir sind ja eigentlich im Urlaub und auf Rundreise, aber jeden Samstag schauen wir, wo und wann die nächstgelegene Demonstration ist und gehen dann dorthin.“ Die Polizei fuhr zu viert in einem Auto langsam hinter der Demonstration her. Parkte immer wieder am Rande, der Fahrer tippte in seinem Smartphone herum, zwei weitere Beamte plauderten zusammen. Eine Beamte entdeckte aus dem Polizeiauto heraus Bekannte im Demonstrationszug und stieg aus, umarmte mehrere, lachte, verteilte Küsschen. Dabei trug übrigens niemand eine Maske, obwohl der Präfekt der Region Okzitanien einen Tag zuvor wieder eine Maskenpflicht für Draußen verhängt hatte, wenn viele Leute zusammenkommen.

Pass Sanitaire und Gastronomie

Am Montag, den 9. August, am Tag 1 der Einführung des Pass Sanitaire, wollte ich mit einer Freundin auf einer Terrasse essen gehen. Man musste drinnen bestellen. Der Angestellte erfragte vor der Aufnahme unserer Bestellung den Pass Sanitaire. Meine Freundin, aus Deutschland zu Besuch, streckte ihr Smartphone mit ihrem QR-Code hin, er scannte ihn mit seinem Smartphone. Ich sagte dann, ich hätte keinen Pass Sanitaire. Er antwortete, dann, leider, könne er nur zum Mitnehmen anbieten. Ich antwortete, dass wir dann, leider, nichts bei ihm bestellen wollen. 100 Meter weiter kamen wir zu einem arabischen Imbiss mit Tischen und Stühlen davor. Zwei der drei Angestellten arbeiteten ohne Maske, der Dritte nutzte seine Maske als Kehlkopfschutz. Kein Aushang Pass Sanitaire, keine Fragen, nach der Bestellung ein herzliches „Setzen Sie sich doch bitte, es wird etwas dauern!“

Am Dienstag, den 10. August, Tag 2 nach der Einführung des Pass Sanitaire, aßen wir in einem Falafellokal, das von groovigen Mittdreißigern betrieben wird. Dort hing schwer zugänglich und leicht zu übersehen am Ende des Bestelltresens eine Aufforderung zum Einscannen des Pass Sanitaire. Es war sehr viel los, wir warteten über 20 Minuten auf unser Essen, ich sah keinen einzigen Gast den ausgehängten QR-Code benutzen. Nachmittags war der Kaffeedurst sehr groß. Hinter dem großen Platz mit vielen Restaurants, wo wir am Abend zuvor von jenem Restaurant abgewiesen wurden, gingen wir in eine Seitengasse, setzten uns und genossen Kaffee und Kuchen in konspirativer Ignoranz der Regeln, gute Laune und Geplauder mit Wirt und anderen Gästen inbegriffen.

Heute ist in meinem 400-Einwohner-Dorf ein kleines Fest auf dem Bouleplatz. Das Vorzeigen des Pass Sanitaire ist Pflicht. Alternativ könnte man auch mit einem negativen Testergebnis teilnehmen. Dafür müsste ich 27 km einfache Strecke zu einer Teststation fahren, dort bis zu 2 Stunden anstehen, dann 27 km zurück und dem freudigen Mittun auf dem Dorffest stünde nach meiner fünfstündigen Vorbereitung nichts mehr entgegen. Ist das nicht schön.

 

Marie Dufond lebt nach 27 Jahren in Süddeutschland, fünf Jahren in der Schweiz und 14 Jahren in Norddeutschland seit Februar 2020 in Südfrankreich. Sie ist studierte Expertin für Kommunikation, Stimme und Sprache.

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J. Ambrosius / 20.08.2021

Die Franzosen waren schon immer weniger obrigkeitsgläubig als die Deutschen und haben sich häufiger erfolgreich widersetzt (siehe 1798). Auch in der jüngeren Zeit bringen sie immer wieder unbeliebte Erscheinungen der Regierung zu Fall (Erhöhung des Renteneintrittalters etc). Das sehe ich bei den Deutschen nicht. Sie haben entweder zu viel Angst oder lassen sich leichter moralisch verführen. Ich hoffe inbrünstig, dass die Franzosen es schaffen, die Sache zu Fall zu bringen und ihre Freiheiten zurückzugewinnen. Falls nicht, sehe ich wenig Chancen für Deutschland.

Gert Greiner / 20.08.2021

Das gefällt mir einfach an den Franzosen … der Mut und der unbändige Trotz zum zivilen Ungehorsam. Ähnliches habe ich vor wenigen Wochen im Urlaub in der Provence erlebt. Sei es durch Kunden, die ohne Maske die Läden betreten haben, oder durch Ladenangestellte bzw. -besitzer, die ohne Maske ihrer Arbeit nachgegangen sind und nicht einmal habe ich es erlebt, dass diese Menschen von Maskenträgern gemaßregelt wurden. In Deutschland leider unvorstellbar.

Chris Kuhn / 20.08.2021

Nein, in Deutschland wird das nicht so laufen, außer innerhalb geschlossener Ethnien. Ansonsten werden die ewigheutigen Mitläufer und Spitzel schon dafür sorgen, daß es keine Abweichler unter den Landsleuten gibt. Es verlangen ja mittlerweile schon öffentliche Büchereien “3G”. Nun denn, so es denn der Volksbildung aufhilft - bzw. besser gesagt Amazon, Netflix und Maxdome.

Hartwig Hübner / 20.08.2021

Über Irland ist zu hören, Kranke, die auf eine Organtransplantation warten, würden von der Liste gestrichen, falls diese sich weigern, sich den Gen-Dreck einspritzen zu lassen. # Es wären solche Fälle bekannt geworden. # Lassen sich diese Fälle verallgemeinern? Wird jeder jetzt dort in Irland so behandelt? # Die Linken haben Irland erst vor kurzem “knacken” können: Der eiskalt geplante Mord an ungeborenem Leben ist auch dort jetzt en vogue, gehört zur bestmöglichen “bürgerlichen” Erziehung. Das macht Spaß.

Boris Kotchoubey / 20.08.2021

@Jason King: Deutschland ist der nächste Land nach Vatikan, in dem der zivile Ungehorsam auftreten kann.

Milan Viethen / 20.08.2021

Liebe Fr. Dufond, ich sagte schon zu einem ehemaligen franzoesischen Polizisten, wenn es so weiter geht, wird man am ehesten in den sogenannten “Quartiers sensibles” frei leben koennen, man wird sich nur an die dortige Kleidung und den Muezzin gewoehnen muessen . Oder glauben Sie, dort wuerde sich die CRS und Co blicken lassen ? Der Grossteil der Bevoelkerung auch in F interessiert sich nur noch fuer Urlaub und Resto , eigenstaendiges Denken ist zu anstrengend wie in D . Wurde mir gestern mal wieder bewusst, als ich aus Langeweile eine Folge ” Bares fuer Rares ” gesehen habe. ” Wofuer moechten Sie das Geld verwenden ?” Raten Sie mal , faengt mit U an…..... Bonne continuation et surtout bonne chance !!

Bernd Sauer / 20.08.2021

Ein schöner Bericht. Vielen Dank, Frau Dufond. Die deutschen halten ja nicht auf diese Art und Weise zusammen. Sie knicken ein und wählen dieselben Schlächter noch einmal, weil sie Probleme bei der Digitalisierung und dem Baumsterben sehen. Tja. Aber wem schreib ich das? Mich für eine Bratwurst impfen lassen? Armseliges Deutschland.

Jason King / 20.08.2021

So wie es ausschaut setzt sich (hoffentlich) der zivile Ungehorsam durch! Ich denke in Deutschland kann es ähnlich laufen, wenn ein guter Teil der Leute ähnlich verfährt. Lassen wir den Pass Sanitaire und Entsprechendes zu einen Rohrkrepierer werden!

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