Stefan Frank / 29.07.2024 / 06:20 / Foto: Montage achgut.com / 14 / Seite ausdrucken

Frankreich: Immer mehr Juden wollen nach Israel auswandern

Heuer erwartet Israel rund dreitausend neue Einwanderer aus Frankreich, das ist mehr als das Dreifache des Vorjahres. Vor allem junge französische Juden zieht es nach Israel, nachdem der antijüdische Hass in Frankreich ihr dortiges Leben gefährdet.

Die französische Tageszeitung Le Figaro berichtete in einem aktuellen Artikel über Juden, die vor der Entscheidung stehen, Frankreich für immer zu verlassen, um künftig in Israel zu leben. „Seit einigen Monaten haben wir jeden Tag Anträge auf Eröffnung einer Akte, insbesondere von jungen Leuten“, stellt Emmanuel Sion, Direktor der Jewish Agencyin Frankreich, fest. Die Dimensionen von der Zeit nach den Pariser Anschlägen im November 2015 seien aber bei Weitem nicht erreicht, fügt er einschränkend hinzu. Damals machten innerhalb eines Jahres fünftausend Juden Alija, wie die Auswanderung von Juden nach Israel genannt wird.

Dieses Jahr erwartet Israel rund dreitausend Olim Hadashim (neue Einwanderer) aus Frankreich; mehr als das Dreifache im vergangenen Jahr. Der 30-jährige Jeremy (Name geändert) hatte bereits über seine Alija nachgedacht; dafür ausschlaggebend waren die Ergebnisse der Parlamentswahlen, bei denen das Wahlbündnis Nouveau Front Populaire unter Führung der linksradikalen La France Insoumise (LFI) und unter Einschluss der Kommunisten mit 180 von 577 Sitzen eine relative Mehrheit gewann. 92 Prozent der französischen Juden sind laut einer Umfrage der Ansicht, LFI fache den Antisemitismus in Frankreich an. „Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, denn wir haben keinen Platz mehr in Frankreich“, sagt Jeremy. Seine Auswanderung ist für September geplant.

Laut dem israelischen Ministerium für Einwanderung und der Jewish Agency eröffneten seit dem 7. Oktober letzten Jahres rund 6.440 französische Juden eine Einwanderungsakte, im Vergleich zu 1.057 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der Antrag auf Eröffnung einer Einwanderungsakte ist Voraussetzung für die Alija, bedeutet aber nicht, dass alle Antragsteller auch tatsächlich bzw. sofort diesen Schritt setzen. Die Zahl der Anträge ist daher nicht gleichzusetzen mit der Zahl der Auswanderer.

Der Minister für Einwanderung und Integration, Ophir Sofer, begrüßte die Entscheidung der Einwanderer, „trotz der schwierigen Umstände“ nach Israel zu kommen und würdigte „die Stärke ihres zionistischen Engagements“.

Die Neue Volksfront als größte Bedrohung für französische Juden

Allein am Montag, den 15. Juli, kamen rund hundert französische Juden in Israel an, berichtete das französische Magazin L’Opinion, weitere werden im Laufe des Sommers folgen. „Antisemitische Taten haben den größten Anstieg seit den 2000er Jahren erlebt. Die Juden in Frankreich müssen sich verstecken und fühlen sich ständig in Gefahr“, so der Historiker Marc Knobel gegenüber Le Figaro. Da sie das Gefühl hätten, dass es keinen Sinn mehr habe zu kämpfen, zögen sie es vor, Frankreich zu verlassen.

„Vor zehn Jahren hätte ich nie daran gedacht, Frankreich zu verlassen, aber jetzt bereite ich meine Alija vor“, erzählte Rachel, Mutter von zwei Kindern im Alter von fünf und sieben Jahren. Sie habe „ständig Angst“, ihnen könnte etwas Schlimmes zustoßen: „Wenn ich sehe, dass linksradikale Fanatiker an die Macht kommen könnten, verstärkt das nur meinen Wunsch zu gehen. Auch wenn Israel ein Land ist, in dem Krieg herrscht, ist es der einzige Ort, an dem ich meinen Platz wiederfinden kann.“

Das Linksbündnis Nouveau front populaire (Neue Volksfront, NFP) und deren größte Partei, La France Insoumise (LFI), hätten den „antijüdischen Hass zu einer Wahlkampfstrategie“ gemacht, schrieben französische Intellektuelle Anfang Juli in einem offenen Brief. Darin heißt es: „Wir sind angewidert von der Trivialisierung des Antisemitismus und fordern eine Brandmauer gegen die Neue Volksfront, eine Koalition, die unserer Meinung nach heute die größte Bedrohung für die französischen Juden und im weiteren Sinne für Frankreich darstellt.“

Verschwörungstheorie „Himmelsdrachenmenschen“ 

Als Beispiel wird der Abgeordnete David Guiraud genannt, der zugibt, als junger Mann durch Videos des Schweizer Holocaustleugners Alain Soral geprägt worden zu sein und die Israelis bezichtigte, die Gräueltaten der Hamas letzten Oktober in Wahrheit selbst verübt zu haben. Bei einer Veranstaltung in Tunis (unter dem Titel Kann man die Palästinenser in Frankreich noch verteidigen?) sagte er: „Das Baby im Ofen, das wurde von Israel gemacht. Die aufgeschlitzte Mutter, das wurde, das ist wahr, von Israel gemacht.“

Guiraud spricht auch von den die Welt beherrschenden „Himmelsdrachenmenschen“ (auch: Weltaristokraten), die in dem Manga One Piece als reiche und mächtige Kaste die Welt regiert. In Frankreich ist der Begriff in den sozialen Netzwerken zu einem antisemitischen Code geworden, um Juden zu bezeichnen. Der offene Brief enthält weitere Beispiele für den Antisemitismus einiger LFI-Abgeordneter bei gleichzeitiger Begeisterung für die Hamas.

Hanna (Name geändert) aus Val-d’Oise schilderte Le Figaro ihre Bestürzung, als sie auf den Toilettenwänden ihrer renommierten Pariser Universität Tags wie „Free Palestine“ und „Fuck le Crif“ (Interessenverband der französischen Juden) vorfand. Die aktuelle Situation, die sie als „zu gewalttätig“ empfindet, veranlasst sie dazu, Frankreich widerstrebend zu verlassen: „Ich weiß, dass das Leben dort hart ist, aber ich habe lieber eine schlechtere Situation in Israel, als mich in Frankreich verstecken zu müssen.“

Zionismus als Hauptgrund für Alija

Langfristig – also auf Sicht von mehreren Jahrzehnten – hätten Frankreichs Juden keine andere Wahl, sagte Rabbi Dov Maimon vom zionistischen Thinktank Jewish People Policy Institute im Gespräch mit der Moderatorin des frankophonen israelischen Senders i24 Français. Als Gründe nannte er die „demografischen Veränderungen“, den „wirtschaftlichen Abstieg“ und das „Wiederaufleben des Antisemitismus“. Er verwies darauf, dass Frankreich Präsident Emmanuel Macron ausgerechnet die Armee des Emirats Katar, des größten Sponsors der Hamas und der islamistischen Ideologie in Europa, wie er betonte, angeheuert habe, um während der Olympischen Spiele in Paris für Sicherheit zu sorgen.

Emmanuel Sion, Direktor der Jewish Agency France, möchte lieber eine positive Botschaft vermitteln. Der Hauptgrund, der die Menschen dazu bringen, Alija zu machen, sei der Zionismus, sagte er der Jerusalem Post; Sorgen über Antisemitismus trügen lediglich dazu bei. Französische Juden seien sehr zionistisch eingestellt und hätten starke Verbindungen zu Israel, und viele wollten schon seit Langem nach Israel ziehen und beim Aufbau des Staates helfen. Neue Programme würden dies erleichtern.

Ein solches stellten Sion und andere Offizielle der Jewish Agency und des Einwanderungsministeriums kürzlich örtlichen französischen Juden vor. Die Jerusalem Post schilderte die Atmosphäre: „Die blau-weiße Stimmungsbeleuchtung und die Dekoration füllten den Saal, während die Gäste tanzten, sangen und ein überraschendes Wiedersehen zwischen einem allein [nach Israel; Anm. Mena-Watch] ausgereisten französisch-israelischen IDF-Soldaten und seinen Eltern feierten. Obwohl die Veranstaltung unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und Polizeischutz stattfand, wurde Antisemitismus von den Verantwortlichen nicht erwähnt.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno“. „Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).

Foto: Montage achgut.com

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Sam Lowry / 29.07.2024

Jetzt, in Koblenz: “Mit einer Häufigkeitszahl von 14.920 Fällen auf 100.000 Einwohner war Koblenz demnach die gefährlichste Großstadt. Insgesamt wurden in den PKS in der Stadt an der Mosel 17.198 Straftaten aufgeführt.” Sicher mag es weltweit Probleme geben, aber diese sind akut und VOR ORT!

Ralf Pöhling / 29.07.2024

So sehr ich den Zionismus als Rechter unterstütze, so muss ich dennoch warnen: In der jetzigen Ausgangslage und den sich entwickelnden Mehrheitsverhältnissen, ist Israel keineswegs mehr so sicher, wie es immer schien. Ich erinnere an den 7. Oktober 2023. So lange es in Nahost keine wirkliche Friedensperspektive gibt, wird sich das Pulverfass nur weiter mit Pulver füllen. Und dummerweise füllt sich das selbe Pulver ja auch hier bei uns im Westen immer mehr an, was auch uns immer unsicherer macht. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht allein beim Militär bzw. der physischen Macht, sondern auch in den entsprechenden Mehrheitsverhältnissen. Das ist ein knallharter Vergleich, aber zwingend nötig: Ich erinnere an den Zweiten Weltkrieg und die Wehrmacht, die in Strategie, Mann- und Materialqualität dem Gegner zunächst haushoch überlegen war. Das war aber letztlich irrelevant, denn die Masse schlägt irgendwann immer die Klasse. West und Ost Alliierte haben uns am Ende einfach gemeinsam mit ihrer Masse überrannt. Es kann kurzfristig sinnvoll sein, ein bestehendes Feuer anzufachen. Wenn der Gegner aber mehr Holz vor der Hütte hat, wird er am Ende gewinnen. Die Juden allein werden so viel Holz gar nicht aufschichten können. Dafür braucht es mehr Hände, die die Juden aufgrund ihrer geringen Anzahl gar nicht haben. Und das bedeutet, wir müssen auch in Europa endlich ordentlich Holz vor die Hütte legen, sonst geht das schief. Und da sind wir immer noch viel zu langsam. Hier will man eine stille Kriegserklärung/Unterwanderung immer noch mit zivilen Mitteln bekämpfen. Das wird uns erst in Europa und dann Israel in den Untergang führen, wenn sich daran nicht alsbald was ändert.

Walter Weimar / 29.07.2024

Viele Juden wollen nach Israel auswandern. Dürfen sie nicht? Ist es verboten? Läßt sie Israel nicht rein? Nach dieser monströsen Olympiafeier denkt wohl Gläubige, er hat den falschen Glauben. Je Land bitte nur eine Religion. Warum wird Deutschland dann vollgepumpt mit Religionen? Damit Deutsche auch weg wollen?

Joerg Machan / 29.07.2024

Warum nimmt man eigentlich den Judenhass einfach so hin? Wo sind die ganzen Soziologen, die uns die Ursachen und Hintergründe erklären? Warum benennt man nicht die genauen Gründe? Hat es was damit zu tun, dass Juden häufig schlauer sind, mehr Nobelpreisträger haben und sich auch nicht vor einer Hölle fürchten? Oder ist es vielleicht einfach nur der bloße Neid auf eine überlegene Kultur?

M.-A. Schneider / 29.07.2024

Wie verzweifelt über ihre Lebenssituation müssen die jüdischen Mitbürger sein, dass sie es vorziehen, lieber in ein Land zu ziehen, in dem Krieg herrscht als in Frankreich, ihrer bisherigen Heimat, zu leben.  Wie beschämend!

S. Marek / 29.07.2024

@ gerhard giesemann, sie sind verwirrt ? Ja, das merkt man bereits seit langem. Es sind die Nachwirkungen der traumatisierten der „Handschar“  und deren Nachkommen da der große Traum von eigenem Reich ins Wasser fiel,

Franz Klar / 29.07.2024

@gerhard giesemann : Die AfD ist der ideale Partner für Putin und Wagenknecht ! Dreieinfältigkeit live ....

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Stefan Frank / 13.01.2025 / 14:00 / 45

Los Angeles: Jetzt brennt es auch in der Politik

Beim schlimmsten Brand in der Geschichte der Stadt Los Angeles starben bis Sonntag mindestens 16 Menschen, Tausende Gebäude wurden ein Opfer der Flammen. Es stellt…/ mehr

Stefan Frank / 09.01.2025 / 06:15 / 25

Free Burger! Woke-Wirtschafts-Wende

Lange Zeit war es in der Wirtschaft opportun sich an die Spitze der Woke-Bewegung zu setzen. In USA firmierte das unter "Diversity, Equity and Inclusion" (DEI). Jetzt…/ mehr

Stefan Frank / 19.12.2024 / 16:00 / 1

Erneut antisemitischer Anschlag in Australien

In einem jüdischen Viertel in Sydney hat eine weitere antisemitische Gewalttat die jüdische Gemeinde erschüttert. Am 11.12. 2024 gab es dort eine schwere Brandstiftung, Sachbeschädigung…/ mehr

Stefan Frank / 17.12.2024 / 16:00 / 6

Wegen US-Unterstützung für Israel – Attentat auf christliche Schulkinder

Im nordkalifornischen Oroville hat ein 56-jähriger Weißer einen Angriff auf eine konfessionelle Schule verübt, weil er diese mit Waffenlieferungen an Israel in Verbindung brachte. Mit…/ mehr

Stefan Frank / 10.12.2024 / 12:00 / 15

Mord an Samuel Paty: Französischer Prozess um „Online-Fatwa“

In Paris findet ein Prozess wegen Bildung einer terroristischen kriminellen Vereinigung statt. Im Zentrum steht der Vorwurf einer „Online-Fatwa“ gegen den Lehrer Samuel Paty, die dessen Ermordung zur Folge hatte. „Hätte es mich…/ mehr

Stefan Frank / 03.12.2024 / 06:05 / 48

Trump und die Trans-Volleyballer

In den USA tobt eine Auseinandersetzung um männliche Spieler im Damen-Volleyball. Von einer „Invasion des Frauensports“ ist die Rede. Im Mittelpunkt der Debatte steht derzeit der Volleyballspieler Blaire…/ mehr

Stefan Frank / 30.11.2024 / 14:00 / 14

Antisemitische Ausschreitungen in Montreal

Bei einer Anti-NATO-, Anti-Israel- und Pro-Russland-Demonstration in der kanadischen Metropole Montreal gab es am Freitag vergangener Woche antisemitische Ausschreitungen. Anlass der Zusammenrottung war eine Konferenz, die am Wochenende…/ mehr

Stefan Frank / 26.11.2024 / 14:00 / 6

Die Tradition deutschen Zögerns bei der Israel-Hilfe

Deutschland hatte im März praktisch aufgehört, Waffen nach Israel zu liefern. Schon in den 1960er und 1970er Jahren tat sich die deutsche Bundesregierung schwer damit,…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com