Schulden beschränken die Souveränität, die Herrschaft im eigenen Haus. Nicht nur die Griechen können ein Lied davon singen. Auch in Deutschland und in Frankreich haben die Politiker gelernt, am Gängelband archaischer Reiche zu gehen. Zu verführerisch sprudelt ihr Reichtum einfach so aus der Erde, ohne Fortschritt, Demokratie und Menschenrechte.
Weil die „Mächtigen“ Europas sich ihre Macht mit immer neuen Wahlgeschenken erkaufen müssen, weil sie sich in ihren Großmachtphantasien auf ein Euro-Experiment eingelassen haben, dessen Kosten die Leistungskraft jeder ehrbaren Wirtschaft übersteigen, müssen sie auf die Schleimspur der Potentaten und Diktaturen dieser Welt kriechen, den vorzeitlich herrschenden Scheichs und Mullahs ihre untertänigste Aufwartung machen.
Für jedes noch so windige Geschäft müssen sie sich verbiegen, vorführen und bisweilen demütigen lassen in der Hoffnung, dass dabei einige Steuercent für die Staatskasse, die eigene Hofhaltung, teure Gipfel und anderes mehr abspringen.
Kaum dass es den Ajatollahs wieder einmal gelungen war, den Westen bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in die Tasche zu stecken, und Frank-Walter Steinmeier in der gewohnten Rolle des Hanswurst als Erfolge verkündet hatte, was er halluzinierte, machte die „mächtigste Frau der Welt“ ihrem Wirtschaftsdackel Beine. Sigmar Gabriel, der einstige Pop-Beauftrage der SPD, wurde nach Teheran abkommandiert, um den Mullahs um den Bart zu gehen. Die Besuchten nahmen’s gelassen und ließen sich in ihrem Kampf gegen Israel und die USA davon nicht beirren. Wer hier Hund und wer Herr ist, haben sie längst verstanden.
Als das saudischen Königshaus unlängst den Strand vor seiner Villa an der Cote d’Azur, unweit von Vallauris, wo einst Picasso gelebt und gearbeitet hatte, kurzerhand absperrte und den öffentlichen Zugang mit hohen Gittern verriegelte, kamen die arabischen Hoheiten gar nicht mehr auf den Gedanken, sich diese Landnahme vorher von den französischen Behörden genehmigen zu lassen. Das wollte nicht allen gefallen. Die Bürgermeisterin protestierte und wurde zurückgepfiffen. Höheren Orts beeilten sich die Beamten, dem saudischen König im Nachhinein eine Genehmigung für den Rechtsbruch zu erteilen. Es gebe, so hieß es, ein „übergeordnetes nationales Interesse“ am ungestörten Urlaub seiner Majestät.
Mit anderen Worten, man möchte die guten wirtschaftlichen Kontakte nicht gefährden, nicht mit einem der reichsten Ölländer des Kontinents. Auch nicht mit einer islamisch verfassten Gesellschaft, in der die öffentlich vollzogene Auspeitschung und Hinrichtung ebenso zum täglich geübten Strafvollzug gehört wie das Abhacken menschlicher Gliedmaßen.
Und wer, fragt man sich da, wer wird den Saudis in die Arm fallen, sollten sie demnächst versucht sein, diese Traditionen urtümlicher Strafjustiz auch am okkupierten Strand der Cote d’Azure, nahe von Cannes, zu pflegen. Schließlich: wer zahlt, bestimmt. So gebietet es die politische Ökonomie des neuen Europa, seine Werte sind verhandelbar.