Volker Seitz / 29.04.2021 / 11:00 / Foto: Superikonoskop / 9 / Seite ausdrucken

Frankreich ehrt einen zuverlässigen Despoten

Marschall Idriss Déby Itno, wie er sich zuletzt offiziell nannte, hatte den Tschad 31 Jahre mit harter Hand regiert. Mitte April ist der Langzeitherrscher, der sich 1990 an die Macht putschte, unter nicht geklärten Umständen bei einem Frontbesuch ums Leben gekommen. Eine Rebellengruppe, die sich Front für Wandel und Eintracht in Tschad (FACT) nennt und an der nördlichen Grenze zu Libyen stationiert ist – der Tschad liegt teils in der Wüste –, hatte einen Grenzposten angegriffen und war hunderte Kilometer nach Süden bis kurz vor die Hauptstadt N’Djamena vorgerückt. Déby war Oberbefehlshaber der Armee und verstand sich mehr als Militär denn als Präsident. Der Ausbau der militärischen Stärke war in erster Linie auf die Niederschlagung der Opposition im Inneren gerichtet. Noch am selben Tag setzte das Militär – als wäre der Tschad eine Monarchie – einen von Débys Söhnen als dessen Nachfolger ein.

Kritiker, Oppositionspolitiker und Journalisten wurden während Débys Amtszeit inhaftiert, ermordet oder ins Exil getrieben. Brutal ging er nicht nur gegen die Opposition vor, zunehmend schränkte er auch die Meinungsfreiheit ein. Gleichgültig waren ihm Menschenrechte, gleichgültig war ihm auch das Wohl der Bevölkerung. Jedermann wusste, dass in seinem repressiven Regime die reichen Ölvorkommen im Land fast ausschließlich seiner ethnischen Gruppe, der Zaghawa, und dem Militär zugute kamen. Der Tschad bleibt eines der ärmsten Länder der Welt, die Bevölkerung hat vor allem ein Ziel: das tägliche Überleben.

Déby blieb trotz Menschenrechtsverletzungen an der Macht, weil Frankreich ihn ließ – oder sogar ermutigte. Einen zivilen, demokratischen Staatsaufbau hat der Tschad nie gekannt. Es gab noch nie einen geordneten Machtwechsel. Trotz demokratischer Fassade ist Tschad kein demokratisches Land. Wenn es um den Tschad ging, galt in Frankreich schon immer die Devise: Keine Experimente. Als Déby 2012 eine weitere Frau heiratete und die Kosten laut französischen Medien sich auf 18 Millionen Euro beliefen, gab es keinerlei Kritik. Frankreich versprach sich von Déby Stabilität und wollte von ihm Unterstützung in der Anti-Terror-Politik.

So war es nur folgerichtig, dass der zuverlässige Despot Déby als „mutiger Freund“ Frankreichs gewürdigt wurde. „Der Tschad verliert einen großen Soldaten und einen Präsidenten, der ohne Unterlass über drei Jahrzehnte hinweg für die Sicherheit des Landes und die Stabilität der Region gearbeitet hat.“ Das teilte das Amt von Staatschef Emmanuel Macron am 21. April 2021 in Paris mit.

Macron erweist als einziger westlicher Staatschef dem Potentaten Déby die Ehre

Der französische Präsident Emmanuel Macron gab dem tschadischen Diktator am 23. April 2021 in N’Djamena sogar das letzte Geleit. Er war der einzige westliche Staatschef, der dem Potentaten diese Ehre erwies. In einem Kommuniqué würdigte Macron den Staatschef als „tapferen Freund“ und „großen Soldaten“. Es hat offenbar nicht genügt, einen Minister nach N'Djamena zu entsenden. Frankreich will seine eigene Militärstrategie in Afrika retten.

Bedenklich ist, dass Macron nur in der Theorie die Demokratie hochhält – und in der Praxis geht er nicht etwa auf den nach der tschadischen Verfassung als Déby-Nachfolger vorgesehenen Senatspräsidenten zu, sondern auf Débys Sohn. Die Verfassung sieht vor, dass der Präsident der Nationalversammlung den Nachfolge-Posten innehaben müsste. Aber Mahamat Idriss Déby, 37 Jahre alt und ein Vier-Sterne-General, hat die Macht an sich gerissen. Das erinnert an die Nachfolgeregelungen in Togo, Kongo und Gabun, wo ebenfalls die Söhne das Regime vom Vater übernahmen.

Macrons Vorgehen ist im Grunde eine Demonstration für extrem politisch-anstößiges Verhalten eines demokratischen europäischen Präsidenten. Damit wird der politischen Opposition im Tschad jede Möglichkeit genommen, sich zu äußern. Sie steht schon wieder in Opposition zur aktuellen Regierung und zu Frankreich. Bei Protesten gegen die Machtübernahme durch den Militärrat im Tschad sind bereits mindestens fünf Menschen getötet worden.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: SuperikonoskopCC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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E Ekat / 29.04.2021

Gold und Uranvorkommen, auf die die Chinesen bereits ein Auge geworfen haben. Der Tschad hat einen Migrationspakt mit der EU. Hätte man erwähnen können. Eine Demokratie ist der Tschad nicht.  Könnte dennoch Gründe haben, was Macron da macht.

Rolf Menzen / 29.04.2021

Mit der Demokratie ist das in Afrika so’ne Sache. Es klappt ja nicht mal bei uns so richtig.

Hans Friedrich Tomaschek / 29.04.2021

Prof. Illy: soo blöd ist der Entwicklungsminister auch wieder nicht.  Ich habe mehrere Jahre im Tschad verbracht und war obendrein noch mehrmals für kurze Aufenhalte dort. Deutsche Interessen habe ich nicht feststellen können.  Für Frankreich sieht das anders aus, denn es unterhält dort eine Garnison in beträchtlicher Stärke zur Stützung seiner Afrikapolitik.

Volker Franzen / 29.04.2021

Der Kernsatz des Beitrags von Volker Seitz ist: “Frankreich will seine eigene Militärstrategie retten.” Es ist nichts anderes als der Versuch, die Macht der Herrschenden im Tschad zu zementieren. Und diese sog. Strategie wird von Macron in unglaublicher Weise ohne Rücksicht auf die Partner Frankreichs durchgesetzt. Das ist mehr als peinlich vor allem für die EU. Wie will die EU glaubhaft gegenüber Putin, Lukaschenko und anderen Politikern dieses Kalibers auftreten? Die wollen auch ihre eigene Militärstrategie und damit ihren Macherhalt retten. Wir machen uns doch lächerlich. Macron verpasst allen Demokraten in Europa mit seinem Verhalten eine Ohrfeige! Er macht unsere Politik damit unglaubwürdig.

Prof.Dr. Hans Ferdinand ILLY / 29.04.2021

Warum ist nicht auch unser Etwicklungsminister Gerd Müller nach Ndjamena geflogen , um die deutschen Interessen dort zu vertreten ?

Hermine Mut / 29.04.2021

Wie sieht die “Unterstützung in der Anti-Terror Politik”, die Frankreich hier erhält , aus ? Kann dies erläutert werden ? Und Togo, Kongo, Gabun - geschieht hier etwas gegen den islamistischen Terror ?  oder können die französischen / sonstigen polit. Verbindungen halt als deals mit warlords gesehen werden ?  Welche Rolle spielen Rohstoffe , Geopolitik , Sonstiges ?

Hartmut Laun / 29.04.2021

Der Grund ist klar. Der Mann muss einen sehr großen Nutzen für die Interessen Frankreichs in der Region gehabt haben.

Jochen Selig / 29.04.2021

Die französische Demokratie galt schon immer nur für (reiche) Franzosen. Alle anderen sind nicht gleichwertig in ihren Augen. Die “Grande Nation” ist genau so überzeugt von ihrer einzigartigen Überlegenheit wie die angloamerikanische Welt. Denen ist es völlig wurscht, ob sich irgendwelche Afrikaner, Asiaten usw. meucheln.

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