Frankreich als Macrons Ballon

Die politische Situation in Frankreich deutet auf ein längeres herumwurschteln hin und Macron will trickreich weiterhin über allem schweben und an der Macht bleiben. Die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung sind vollkommen nachrangig.

Die Franzosen müssen sich wohl auf ein längeres Provisorium einstellen. Obwohl die Linke bei den letzten Parlamentswahlen weniger als 30 Prozent der Stimmen bekommen hat, erzielte die zur Abwehr des Rassemblement National (RN) rasch zusammengezimmerte Neue Volksfront (NFP) aus Linksradikalen, Kommunisten und Grünen aufgrund des ungerechten Mehrheitswahl-Gesetzes in zwei Wahlgängen mit 184 Sitzen den ersten Platz in der Pariser Nationalversammlung, aber bei Weitem nicht die absolute Mehrheit.

Das RN bekommt dagegen mit über 37 Prozent der Stimmen nur 143 Sitze und nimmt damit im Parlament nur den dritten Platz ein. Hinzuzählen muss man die 65 Sitze der gemäßigten Rechten, so dass die Rechten in der neuen Nationalversammlung eine klare Mehrheit haben, weil auch etwa die Hälfte der gewonnenen 166 Sitze des Wahlvereins des Präsidenten Emmanuel Macron der Rechten zugerechnet werden müsste. Dennoch hat Jean-Luc Mélenchon, der trotzkistische Führer der NFP, am Wahlhabend zunächst den Anspruch erhoben, den Premierminister zu stellen und das utopische Regierungsprogramm der NFP lückenlos umzusetzen.  

Mit diesem großmäuligen Anspruch kam Mélenchon nicht einmal im eigenen Wahlbündnis durch. Nachdem sich in der NFP eine Weile das Kandidaten-Karussell drehte, hat es die von Jean-Luc Mélenchon gegründete Bewegung „La France insoumise LFI“ (Rebellisches Frankreich) am Ende aufgegeben, einen eigenen Kandidaten zu präsentieren. Mélenchon, der ohnehin lieber gleich Staatspräsident als Premierminister würde, war früh aus dem Rennen, weil er den sozialistischen und Grünen Partnern in der NFP nicht vermittelbar ist. Denn er tritt auf wie der geborene Diktator und duldet in seiner Nähe nur absolut loyale Personen. Schon vor den Wahlen gab es in der LFI eine Säuberungswelle, die an die schlimmsten Zeiten des 20. Jahrhunderts erinnert. Bekannte Köpfe der LFI wie François Ruffin, Raquel Garrido und ihr Ehemann Alexis Corbière mussten sich eine neue politische Heimat suchen.

Haben sich Macron und Mélenchon abgesprochen?

Einiges spricht überdies dafür, dass Mélenchon sich selbst aus dem Rennen genommen hat. Denn angesichts der zerrütteten französischen Staatsfinanzen könnte er sich als Premierminister eines unumgänglichen Austeritäts-Regimes nur unbeliebt machen. Deshalb überlässt er diesen undankbaren Job lieber einem Vertreter beziehungsweise einer Vertreterin politischer Gruppierungen, die dem verhassten Staatspräsidenten Macron näherstehen. In den Präsidentschaftswahlen von 2027 könnte er sich dann als Retter aus dem bis dahin angeschwollenen Chaos anbieten. Macron wird nachgesagt, das mit Mélenchon abgesprochen zu haben, weil es ihm die Chance gibt, bis zum Ende seiner normalen Amtszeit ungestört an der Macht zu bleiben. 

Zwischenzeitlich hatten die Kommunisten Huguette Bello, die Vorsitzende des Regionalrates der Insel La Réunion, vorgeschlagen. Als diese sich entmutigt zurückzog, haben Sozialisten, Kommunisten und Grüne die nicht parteigebundene 73-jährige Wirtschaftsprofessorin Laurence Toubiana vorgeschlagen. Madame Toubiana war im Auftrag des Quai d’Orsay (Außenministerium) französische Verhandlungsführerin bei der Aushandlung des Pariser Klima-Abkommens von 2015 (COP21), das ihre Handschrift trägt, und leitete später die (berüchtigte) „European Climate Foundation (ECF)“, die nach Ansicht des Wissenschaftsjournalisten Axel Bojanowski wesentlich zur Gleichschaltung des Klima-Diskurses in der EU beigetragen hat.

Da sie auch die von Macron eingeführte „Convention citoyenne pour la transition écologique“ (Bürgerforum für die Große Transformation) leitete, muss sie nach Ansicht von Manuel Bompard, dem Koordinator der LFI, als verlängerter Arm Macrons betrachtet werden. Ihre Kandidatur wird deshalb von der LFI als „unseriös“ abgelehnt. Weitere Angaben über Laurence Toubiana finden sich im zitierten Buch von Axel Bojanowski. Würde sie Premierministerin, wäre es möglicherweise um Emmanuel Macrons mühsam durchgesetztes Programm des Baus von insgesamt 14 EPR-Kernreaktoren geschehen und ein europäischer Blackout würde wahrscheinlicher.  

Doch noch Sommerurlaub am Strand?

Emmanuel Macron hat zwar im Ministerrat am 16. Juli das Rücktrittsgesuch seines Ministerpräsidenten Gabriel Attal angenommen. Aber bei der Ernennung eines Nachfolgers zeigt er keine Eile. So bleibt die bisherige Regierung geschäftsführend im Amt. Eine Frist für die Ernennung eines neuen Premierministers gibt es nicht. Die vorzeitige Auflösung des Parlaments und dann Neuwahlen zur Nationalversammlung sind nach dem Gesetz erst in einem Jahr möglich. Emmanuel Macron macht die Ernennung eines neuen Premierministers von der Bildung einer dem „Gemeinwohl“ verpflichteten Koalition abhängig.

„Le sujet aujourd’hui ce n’est pas la question des egos et des places, mais de l’intérêt général et de l’utilité (…) Solutions, action, nation : les trois boussoles qui doivent nous guider“ (Heute geht es nicht mehr um die Egos und den Status, sondern um das Gemeinwohl und den Nutzen… Lösungen, Handeln und Nation sollten unsere Leitsterne sein), erklärte Macron kürzlich. Dabei war „Gemeinwohl“ bislang sicher einer der Begriffe, die dem ursprünglich als „Jupiter“ gefeierten Überflieger am seltensten über die Lippen kamen. Am 18. Juli tritt die Nationalversammlung zusammen, um zunächst ihren Präsidenten und die Vizepräsidenten zu wählen. Für Mélenchon und seine Leute ist das die nächste Gelegenheit, um in Absprache mit Macrons Unterstützern ihren Führungsanspruch durchzusetzen und die Vertreter des Wert schöpfenden Drittels der französischen Gesellschaft weiterhin von der Macht fernzuhalten.

Was in Frankreich während des Sommers sonst noch alles passieren wird, ist zurzeit nicht absehbar. Ursprünglich hatte die Linke im Verein mit der Gewerkschaft CGT Verkehrsblockaden während der Olympischen Spiele angekündigt, um das Regierungsprogramm der NFP durchzusetzen. Inzwischen hat die Regierung die Reform der Arbeitslosigkeitsversicherung und die für den 1. August angekündigte Erhöhung des Strompreises zurückgenommen, um Druck aus dem Kessel zu nehmen. Ob die Franzosen doch noch ihren Sommerurlaub am Strand oder im Gebirge genießen können?

 

Edgar L. Gärtner ist studierter Hydrobiologe und Politikwissenschaftler. Seit 1993 selbstständiger Redakteur und Berater, als solcher bis 1996 Chefredakteur eines Naturmagazins. Bis Ende 2007 Leiter des Umweltforums des Centre for the New Europe (CNE) in Brüssel. In Deutschland und in Südfrankreich ist er als Autor und Strategieberater tätig.

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Ilona Grimm / 19.07.2024

Das Gespräch von Ende Juni zwischen Dominik Kettner und Ernst Wolff erklärt sehr gut nachvollziehbar, warum überall – mit Schwerpunkt in der westlichen Welt - Chaos angerichtet wird, warum Macron die scheinbar irrsinnige Entscheidung für Neuwahlen getroffen hat, warum sich keine Regierung um die Interessen des Volkes kümmert, sondern ausschließlich um die Interessen gewisser „Komplexe“ (Kartelle…). Ernst Wolff erklärt, wer im tiefsten Abgrund des tiefen Staates die Fäden zieht und aus welchen Gründen. BlackRock (der unheimliche schwarze Fels) ist im wahrsten Sinne überall beteiligt. Und ein gewisser Herr Merz repräsentiert diesen schwarzen Brocken in der CDU, und keinen kümmert es. Außerdem erklärt Ernst Wolff, dass das angeblich todgeweihte WEF sich allerbester Gesundheit erfreut und blüht und gedeiht und Klaus Schwab fit ist wie eh und je und überhaupt nicht ans Aufhören denkt. Meiner Meinung nach sehr hörenswert:  || Ein Vergleich der Szenarien mit der Offenbarung des Johannes schadet nicht!

Ilona Grimm / 19.07.2024

@Thomin Weller: Die von Ihnen erwähnte Frau mit der Krone aus zwölf Sternen hat mit der EU nichts zu tun, was ich zu klären versucht habe. Allerdings hat nach meiner persönlichen Auslegung (die vielfach vertreten wird) der rote Drache alles mit der EU und ihren Tentakeln zu tun. Achten Sie mal auf seine Attribute. - - Die „Frau“ wird in der Wüste vor Verfolgung geschützt und 3½ Jahre lang versorgt. Dieser Ort dürfte Petra sein. Dem roten Drachen wird es nicht gelingen, die „Frau“ (= ISRAEL) zu vernichten. Am Ende von allem bildet Jerusalem den Nabel der Welt!

Gus Schiller / 19.07.2024

Die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung sind ihm nicht wichtig.  Das hat er noch bei seiner lieben Freundin Angela gelernt.

B.Jacobs / 19.07.2024

Macron ist erfolgloser Rothschild Mitarbeiter gewesen, Merkel mit der Rothschild Sippe über ihre Mutter verwandt. Ich bin auch gegenüber Trump kritisch, aber Trump hat schon einmal einen Weltkrieg auf der Straße von Hormus, wo KGE deutsche Soldaten schon entsenden wollte, in Zusammenarbeit mit Russland verhindert. Das ist auch meine Hoffnung, dass diese beiden Männer als größte Alliierte, da können die Hampelmänner Frankreich, Großbritannien als Alliierte die beiden kaum überstimmen, einen weiteren Krieg auf deutschem Boden verhindern. Es muss uns aber auch klar sein, weil wir die größten Nichtsnutze, viele ohne Ausbildung in die Regierung gewählt haben, das wir wieder Spielball zwischen den Weltmächten sein werden, danke liebe Wahltrottel, au ein da capo hätte ich verzichten können. Aber mit der unterbelichtesten, raffgierigen Regierung aller Zeiten wären wir ohne Hilfe von außen sowieso Kriegsspielball unter arroganten Reißbrettkriegern geworden. Der Preis, den wir dank unserer Politnieten zahlen werden ist hoch, aber nicht so hoch, wenn wir wieder in einen Krieg verwickelt werden.

Fritz kolb / 19.07.2024

Die sogenannte arbeitende Bevölkerung hat sich wieder einmal ins Bockshorn jagen lassen (rücksichtsvolle Formulierung für „verarschen lassen“). Man kann es auch Selbstmord aus Angst vor dem Tod nennen. Die von Macron beauftragten Kampagnen-Agenturen haben also ganze Arbeit geleistet. Nun wird bis zum Ende seiner regulären Präsidentschaft Nichtregieren stattfinden. Ich ahne bereits, daß wird nach den Wahlerfolgen der AfD im Osten der Republik ähnlich laufen, weil sich links und rechts, kommunistisch und ökosozialistisch gegen die pöse AfD vereinen werden. Wird das Wahlvolk dadurch wenigsten das helle Licht der Erkenntnis treffen? Ich muss das leider bezweifeln.

Rolf Mainz / 19.07.2024

“Neue Volksfront (NFP) aus Linksradikalen, Kommunisten und Grünen”. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, was für eine feine Gesellschaft. Schon der Name - unfassbar, ein Rückfall der westeuropäischen Kultur um einhundert Jahre, mindestens. Aber auch in Deutschland inzwischen leider Realität, schlimmer sogar: hierzulande steht lediglich das diesbezügliche “Outing” weiter Teile der vorgeblich konservativen CDU/CSU aus, welche tatsächlich ihre eigenen Wurzeln verraten hat und grün-rotem Zeitgeist hinterherhechelt. Frankreich hat wenigstens eine starke rechte Opposition - in Deutschland wird jene diskreditiert, diffamiert und diskriminiert. Der totalitäre Sozialismus, stets gescheitert, er ist in Westeuropa aus der Mottenkiste zurück - wie zuletzt 1949 und braun verkleidet 1933.

Nico Schmidt / 19.07.2024

Sehr geehrter Herr Gärtner, den deutschen Politikern sind die Bedürfnisse der Deutschen genauso egal. Es müßten normalerweise die Besten in die Politik gehen und nicht die Schlechtesten. MfG Nico Schmidt

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