Henryk M. Broder / 01.06.2018 / 16:00 / 26 / Seite ausdrucken

Frankfurts Grüne im Überschwang der Gefühle

Stellen Sie sich bitte einmal vor, sie gehen in Zürich über den Freiheitsplatz und hören plötzlich hinter sich eine laute Stimme: „Frau/Herr Soundso, ich würde Sie bitten, den Platz zu verlassen. Wir wollen heute den Sieg unserer Fußballmannschaft feiern, und Sie sind hier unerwünscht. Verlassen Sie bitte den Paradeplatz.“

Sie schauen sich um und sehen eine Frau mittleren Alters, die Ihnen folgt und die Szene mit einem Smartphone aufnimmt. Mit einer schon heiseren, sich überschlagenden Stimme schreit sie Ihnen nach: „Es wäre supernett, wenn Sie einfach versuchen würden, Richtung Limmatquai zu gehen.“

Unmöglich, werden Sie sagen, so etwas kann doch in Zürich nicht passieren. Stimmt, in Zürich nicht, in Frankfurt am Main aber schon. Dabei ist die Stadt nicht nur eine Banken- und Handelsmetropole. Hier tagte 1848/49 in der Paulskirche das erste deutsche Parlament, hier findet die weltgrößte Buchmesse statt, hier wird jedes Jahr der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels vergeben. Seit 1998 nennt sich die fünftgrößte Stadt der Bundesrepublik „Europastadt Frankfurt“ und will damit nicht nur einen Beitrag zur europäischen Integration leisten, sondern auch signalisieren, dass sie liberal, tolerant und weltoffen ist.

Außer, wenn Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD, zu Besuch kommt. Dann kann es passieren, dass er zur Persona non grata ausgerufen wird, obwohl er nichts gemacht hat, was anstößig, ordnungswidrig oder verboten wäre. Er war einfach nur da. Die Person, die ihm den Platzverweis erteilt hatte, stellte das Video gleich darauf ins Netz und feierte ausgelassen ihren Sieg: „Den hab’ ich erfolgreich aus der Altstadt vertrieben…, dieser Arsch darf heute nicht dabei sein.“

Wer war’s? Die Geschäftsführerin der Frankfurter Grünen, Daniela Capelluti. Schaut man sich ihre Homepage an, erfährt man, dass sie Sozialarbeit studiert hat und „Assistentin von Daniel Cohn-Bendit in Frankfurt und Brüssel“ war, bevor sie sich „im Eventbereich selbständig“ gemacht habe. Gut, könnte man sagen, die Frau hat einen an der Klatsche, aber was sagt ihre Partei zu der Aktion?

Sie habe nicht im Namen der Partei agiert, erklärte ein Sprecher der Frankfurter Grünen, sondern „als Privatperson nach ihrer Façon“ und „im Überschwang der Gefühle“ gehandelt. 

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Jochen Brühl / 01.06.2018

Ob man dieses Argument der AFD im umgekehrten Fall durchgehen ließe?

Kevin Reimann / 01.06.2018

Wann kommt im Fussball (darum ging es ja als Aufhänger) denn nun endlich die Europaliga und die Abschaffung von WM und EM? Fußballvereine wie Frankfurt sind doch bunt, weltoffen und antinationalistisch. Dafür verzichten die Vereine doch sicher gerne auf die lukrativen Zusatzeinnahmen in der Champions-Leagu und spielen stattdessen ausser Bayern München in der Regionalliga “Deutschland.

Leo Hohensee / 01.06.2018

Das ist nicht zu fassen. So viel Dummheit macht mich sprachlos: das ist ideologische Vorherrschaftsbesoffenheit !

Frieda Wagener / 01.06.2018

Ich möchte mal etwas Positives über Frau Capelluti loswerden: Mir imponiert kolossal, daß sie sich offenbar nicht der brutalen Gleichschaltungsdiktatur gebeugt hat, sondern statt des dümmlichen „selbstständig”, das wegen der vielststenst Konsonstansten kaum aussprchststbarst ist, das klassische „selbständig” verwendet. Da sage ich doch: „All attention!” Im übrigen fand ich es doppelt gemein von der genannten Person, auch noch die gehbehinderte Begleiterin Herrn Gaulands in ihren Verbalangriff hineinzuziehen. Ist das Barrierefreiheit in grün oder einfach nur Kollateralschaden?

Alexander Brandenburg / 01.06.2018

Wen wundert diese grüne Geschmacklosigkeit? Habeck verhindert mit Antifa-Einsatz den Bürgern den Besuch einer ihm nicht genehmen Partei-Veranstaltung, und eine namenlose Geschäftsführerin der Frankfurter Grünen verhindert dem Vorsitzenden ebendieser Partei den Besuch der Frankfurter Innenstadt. Die Ereignisse haben einen Abstand, doch ein gemeinsames Fundament: die Verachtung der persönlichen Freiheitsrechte und die Verfolgung jedes Andersdenkenden.

Joachim Lucas / 01.06.2018

Wir hatten früher einen Freud’schen Witz, wenn jemand einen an der Klatsche hatte: “Wer ist bei dir dran schuld? Dein Vater oder deine Mutter?” Dieses spätpubertäre Verhalten dieser “Event-Managerin” lässt sich wohl nur mit ihrem Vaterkomplex erklären. Da musste halt der arme Herr Gauland herhalten. Aber sie ja jetzt symbolisch ihren Vater besiegt. Eine arme Würstin, aber dafür mit überschwänglichen Gefühlen.

Viola Heyer / 01.06.2018

Man kann es drehen und wenden wie man will, aber das ist Faschismus. Wahrscheinlich komme ich jetzt auf eine Liste der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com