Frank A. Meyer, Gastautor / 07.11.2009 / 23:39 / 0 / Seite ausdrucken

Bürger Moslem

Von Frank A. Meyer

Sind die Muslime in Europa heute, was die Juden gestern waren? Eine verfolgte und gefährdete Minderheit? Sind Islamfeindlichkeit und Judenfeindlichkeit also letztlich dasselbe? Handelt, wer den Islam bekämpft, wie ein Antisemit?

In der Debatte um ein Minarettverbot fallen Sätze wie der von Hisham Maizar, Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz: «Es gibt eindeutige Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Etwa die Sündenbockmentalität: Wenn in Afghanistan jemand hustet, dann ist der Schweizer Muslim dafür verantwortlich.»

In Afghanistan wird nicht gehustet. In Afghanistan wird gemordet: durch schwer bewaffnete Stammeskrieger, durch Selbstmordattentäter, durch die Taliban, durch grausamste Fundamentalisten. Dagegen wird vom Westen Krieg geführt. Es ist ein Krieg für ein bisschen Freiheit und ein bisschen Gleichheit: für ein menschenwürdiges Dasein der Frauen, für Schulen, die auch Mädchen offenstehen.

Niemand macht Schweizer Muslime für den Terror in Afghanistan - für das «Husten» der Taliban - verantwortlich. Auch nicht für andere Untaten, die im Namen Allahs begangen werden.

Zwischen Islamgegnerschaft und Antisemitismus herrscht ein sehr wichtiger Unterschied:
Ziel des Antisemitismus war stets die Verweigerung von gleichen Rechten. Juden wurden gesellschaftlich geächtet, indem man sie stigmatisierte, ihnen Kleidung aufzwang, die sie auf den ersten Blick als Juden erkennbar machte; indem man den Kontakt mit ihnen mied, christliche Kinder nicht mit jüdischen Kindern spielen liess; indem man Juden in Ghettos ausgrenzte; indem man sie verfolgte durch die Inszenierung von blutigen Pogromen.

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Verweigerung von Freiheit und Gleichheit, von Teilhabe und Mitbestimmung: Juden sollten nicht Bürger unter Bürgern sein - für die Nazis nicht einmal Menschen unter Menschen. Sie sollten vom Erdboden verschwinden, ausgerottet werden wie Ungeziefer. Antisemiten in ganz Europa waren die willigen Helfer von Hitlers Holocaust.

Was hat die Kritik an der mächtigen Weltreligion Islam mit der jahrhundertelangen Verfolgung ohnmächtiger jüdischer Minderheiten zu tun?

Geht es den Islamgegnern um die Ausgrenzung der Muslime? Geht es um die Verweigerung von Freiheit und Gleichheit für Menschen, die sich gen Mekka verneigen? Will man ihnen das Recht vorenthalten, Bürger unter Bürgern zu sein?

Nein. Um das Gegenteil geht es.

Die Muslime sollen sich in unsere Gesellschaft integrieren. Sie sollen Freiheit und Gleichheit unserer rechtsstaatlichen Demokratie akzeptieren, indem sie sich lösen aus der religiösen Unterdrückung, die Koran und Scharia bedeuten. Sie sollen die Gleichberechtigung ihrer Töchter und Frauen akzeptieren, wie sie unsere Rechtsordnung gebietet. Sie sollen ihre Kinder ermutigen, sich zu modernen jungen Bürgern zu entwickeln, verantwortungsbewusst, leistungsbereit, ehrgeizig, auf ihr berufliches Fortkommen bedacht.

Die Muslime sollen Bürgerinnen und Bürger werden wie die Bürgerinnen und Bürger ihres Gastlandes, mitgestaltende Menschen einer säkularen, einer offenen Gesellschaft.

Islamkritiker im Geiste von Freiheit und Gleichheit ringen darum, dass die Muslime die Freiheit unserer Kultur akzeptieren, sie ringen darum, dass die Muslime diese Freiheit in ihrem täglichen Leben praktizieren.

Islamkritik ist Kämpfen für Integration - der Muslime; Antisemitismus ist Kämpfen gegen die Integration - der Juden. Islamgegnerschaft ist deshalb das präzise Gegenteil von Antisemitismus.

Doch die paradoxe Gleichsetzung von Islamgegnerschaft und Judenfeindschaft entfaltet Wirkung, denn sie berührt das schlechte Gewissen der westlichen Gesellschaft. Islamische Organisationen haben sich zusammengefunden in einem «Zentralrat der Muslime in Deutschland» - eine bewusste Gleichsetzung mit dem «Zentralrat der Juden in Deutschland».

Die Verniedlichung der islamischen Weltmacht zu einer verfolgten Religion, die Stilisierung der Muslime in Europa zu verfolgten und gefährdeten «Juden» des 21. Jahrhunderts ist absurd - und ein schamloser Missbrauch des schrecklichen Schicksals der Juden für politische Propaganda.

© SonntagsBlick, Zürich

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Frank A. Meyer, Gastautor / 23.10.2016 / 12:10 / 9

Mal wieder ein neues Deutschland - eine Endlosschleife

Von Frank A. Meyer Wie steht es um Deutschland? Nicht gut. Jedenfalls, wenn man dem Politologen Herfried Münkler glaubt. Sein aktuellstes Buch, mit seiner Gattin Marina verfasst, trägt…/ mehr

Frank A. Meyer, Gastautor / 16.02.2016 / 10:10 / 4

Heiko Maas: Verschleiert Euch!

Von Frank A. Meyer Wie kann man sagen, was man nicht sagen soll, nicht sagen darf in diesem Deutschland? Vielleicht mit einer Illustration: Eine junge Frau, bekleidet mit einem…/ mehr

Frank A. Meyer, Gastautor / 30.08.2010 / 00:40 / 0

Im Namen der Freiheit

Frank A. Meyer Der Erziehungsrat des Kantons St.?Gallen empfiehlt den Gemeinden, muslimischen Mädchen beim Schulbesuch das Tragen des Kopftuchs zu verbieten. Nach Auffassung der Eidgenössischen…/ mehr

Frank A. Meyer, Gastautor / 05.12.2009 / 21:52 / 0

Ein Minarett ist ein Zeichen, kein Minarett ist auch ein Zeichen

Von Frank A. Meyer Die deutsche Tageszeitung «Die Welt» publizierte am Samstag ein grosses farbiges Foto. Zu sehen waren zwei Mädchen im Alter zwischen acht…/ mehr

Frank A. Meyer, Gastautor / 05.12.2009 / 16:00 / 0

Die Linke hat völlig versagt

Von und mit Frank A. Meyer In der Frage der Menschenrechte verzichten die Sozialdemokraten, die Grünen und die Feministinnen auf jede Kritik am Islam. Sie…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com