„Fortschrittsverweigerer und Angsthasen“?

Von Manfred Knake.

Stefan Bergmann ist Chefredakteur der Emder Zeitung. Er äußert sich in einem Kommentar, der von einigen Lokalzeitungen an der Küste übernommen wurde, zu den angekündigten Entlassungen beim Windkrafthersteller Enercon; 3.000 Stellen sollen bundesweit wegfallen. Ein „bigottes Land“ überschreibt Bergmann seinen Kommentar, hier ein Auszug:

„Es sind vor allem die vielen Menschen in Deutschland, die nichts mehr akzeptieren und alles ablehnen, mit ihrem übergroßen Ego gegen alles anrennen, was sie auch nur im geringsten in ihrer wohlig-naiven Befindlichkeit stört: Hochspannungsleitungen, Windkraftanlagen, Erdkabel – bestimmt finden sie bald auch noch Menschenrechtsverletzungen, verursacht von Elektroautos und Ladestationen. Deutschland zeigt sich immer mehr als ein bigottes Land aus Fortschrittsverweigerern und egomanischen Angsthasen. Und große Teile der Politik bedienen diese Gefühle und verstärken sie noch. Willkommen im Mittelalter.“ (unter anderem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 11 Nov. 2019)  

So einfach ist das also: Wenn sich lärmgeschädigte Windparkanlieger gegen den gesundheitsschädlichen tieffrequenten Schall der Anlagen oder den Wertverlust ihrer Häuser durch die Nähe zu Windkraftanlagen wehren, sind sie „bigott“. Ist es kein Menschenrecht, auf der gesundheitlichen Unversehrtheit zu bestehen, wenn nötig mit Hilfe von Gerichten? Wenn man auf den Verlust von Lebensräumen von Vögeln oder gar den tausendfachen Tod von Fledermäusen oder Vögeln und den damit verbundenen Artenrückgang aufmerksam macht, ist man dann „bigott“?

Bigott ist man dann auch, wenn man auf die gigantische Landschaftszerstörung mit über 200 Meter hohen Windkraftanlagen hinweist, vom Meer über die Marschen bis in die Wälder und auf die Hügelkuppen. Ist man bigott, wenn man auf die innigen Verflechtungen von Kommunalpolitikern mit Investoren von Enercon-Anlagen aufmerksam macht? Kommunalpolitiker stellen nachweisbar zum Beispiel in Ostfriesland den Windparkinvestoren über Flächennutzungspläne die potenziellen Windkraftflächen in ihren Kommunen gegen den Widerstand der Bevölkerung zur Verfügung, die der Investor dann mit Enercon-Anlagen zubaut. Dafür dürfen sich dann auch die selben Kommunalpolitiker als Kommanditisten dieser Windkraftfirmen am Ertrag beteiligen. Das ist nicht „Mittelalter“, sondern windige Realität der energiegewendeten Neuzeit. 

Windlobby: Propaganda statt Fakten

Kommentator Bergmann übersieht, dass die Windenergiewirtschaft stets von der Zwangsabgabe für alle Stromkunden aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz profitierte. Diese Zwangsabgabe verteuerte den Strom enorm, sicherte aber Enercon die Aufträge und lieferte den Projektierern satte EEG-basierte Gewinne. Das wurde nun durch die Änderung der Ausschreibungsmodalitäten anders. Die Vergütungshöhe des
sogenannten „erneuerbaren“ Stroms wird ab 2017 nicht wie bisher staatlich festgelegt, sondern durch Ausschreibungen am Markt ermittelt. Ziel: Der „Ökostrom“ soll sich dem Wettbewerb stellen. Gefördert wird der, der am wenigsten für den wirtschaftlichen Betrieb einer neuen Erneuerbare-Energien-Anlage fordert. Und wer am Markt nicht bestehen kann, muss weichen – oder, wie am Beispiel Enercon: Wer zu teuer ist, fliegt raus. So geht Marktwirtschaft. 

Dazu kommt, dass es eng für neue Windkraftwerke im Land wird. Bürgerproteste und Einwendungen von Naturschützern sind nicht mehr zu überhören. Gerichte haben schon oft Windkraftprojekte aus Artenschutzgründen gekippt. Die Windlobby hält mit platter Propaganda „Windenergie ist Klimaschutz ist Artenschutz“ dagegen, obwohl Windkraftanlagen, weil wetterabhängig, keinen Einfluss auf das Klima haben können und auf Wärmekraftwerke als Regelenergie zur Stabilisierung des Stromnetzes (50 Hertz, 230 Volt) angewiesen sind. Ganglinien, die man im Netz abrufen kann, geben über die völlig unregelmäßige Windstromeinspeisung Auskunft. Das Problem der Netzstabilität wird sich noch verschärfen, wenn Atom- und Kohlekraftwerke in Deutschland aus klimaideologischen Gründen abgeschaltet werden.

Die lobbydurchsetzte Bundesregierung will nun durch Abbau von Genehmigungshemmnissen und Änderungen des Naturschutzgesetzes die Genehmigspraxis für die Windbranche, die sich wie ein Staat im Staate aufführt, gesetzlich erleichtern. Kritiker vermuten deshalb, dass die angekündigte Entlassung von 3.000 Enercon-Mitarbeitern den Zweck haben soll, noch mehr Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Das wäre ein perfides Spiel. Chefredakteur Bergmann von der Emder Zeitung hat sich zum Sprachrohr einer nimmersatten Lobby gemacht, die trotz der fast 30 Milliarden Euro EEG-Umlage aller der Stromkunden (jährlich!) nicht in der Lage ist, zu einer verlässlichen Stromversorgungen beizutragen – Geld, das buchstäblich nutzlos in den Wind geworfen wurde. Sein Kommentar ist deshalb nicht nur töricht, er ist, mit Verlaub, strunzdumm! Da weiß man doch, woher in Ostfriesland – im Enercon Country – der Pressewind weht.

 

Manfred Knake betreibt den Blog Wattenrat Ostfriesland, wo die "Wattenpresse" veröffentlicht wird. Der "Wattenrat" ist ein lockerer Zusammenschluss verbandsunabhängiger Naturschützer aus der Küstenregion Ostfrieslands, der aus der „Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände“ (gegründet 1979) hervorgegangen ist.

Foto: www.windkraft-sinntal-so-nicht.de

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Leserpost

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Martin Wessner / 12.11.2019

Bigott ist der Herr Bergmann, der in seinem wohligen Emdener Stadtviertel edlen Wein schlürft und sich über über die unfreiwilligen Wassertrinker erregt, denen man der ländlichen Provinz eine trübe Schmutzbrühe vorsetzt.

Werner Baumschlager / 12.11.2019

Wem fallen denn bei „Fortschrittsverweigerer und Angsthasen“ nicht als erstes die deutschen Atomkraftgegner ein?

Jörg Werda / 12.11.2019

Das “übergroße Ego” hat der Autor (Bergmann ist bezüglich der EE ein netter Wortwitz) wohl selbst, und Mittelalter gewandt ist eine unzuverlässige Energiequelle wie der Wind, nicht umsonst wurde bei der Industrialisierung auch auf Wasserkraft gesetzt, während Windmühlen verschwanden.

Walter Neu / 12.11.2019

Möglicherweise beabsichtigt der Herr Chefredakteur der Emder Zeitung ja, sich zukünftig auch an weiteren “Bürger”-Windparks zu beteiligen.

Steffen Rascher / 12.11.2019

Nun stecken die Grün*Innen ihre bunten Rüssel auch noch in die EEG – Geldtröge und lassen es sich gut gehn. Wieviel CO2 dafür in die Luft gepustet wird und wieviel Strom kostenpflichtig entsorgt werden muss, ob die Stromversorgung sicher ist, beschäftigt die Gutmenschen offenbar nicht. Lieschen Müller muss ja über die EEG Umlage blechen, für sich und wenn es schlimm kommt, auch für ihre Kinder. Früher fand ich die aufmüpfigen Typen mit der Sonnenblume taff – früher konnte man ja auch den Himmel nicht mehr sehen, das Atmen fiel schwer und im Fluss schwammen nur sehr selten Fische und wenn, dann oft mit dem Bauch nach oben. An CO2 Vergiftung sind die damals nicht gestorben. Der Himmel ist nun wieder klar, die Flüsse fast sauber nur die Grünen*Innen machen jetzt Lärm und Dreck. Alles was wir fabrizieren, auch wenn es überflüssig ist oder einfach nur dumm, jeder Euro, den wir abführen müssen, macht böses CO2, Müll und frisst unsere Lebenszeit auf und hält uns davon ab uns um die Kinder zu kümmern. Ich finde das abstoßend und mehr als bedauerlich. Die Sonnenblumen sind welk.

Max Wedell / 12.11.2019

Ich stimme dem Autor zu, daß das Adjektiv “bigott” in seiner Bedeutung “scheinheilig” im Zusammenhang mit Windradverhinderern deplaziert ist, solange man nicht noch mehr über den Windradverhinderer weiß und den Wortgebrauch nur an der Tatsache des Windradprotests festmacht. Weiß man aber über den Windradverhinderer zusätzlich, daß er grün wählt, auf seine Kinder unbändig stolz ist, weil sie bei FFF mithüpfen, und daß auch er (oder sie) selber alle naselang die Backen aufbläst über die Unfähigkeit der Politik, den Klimawandel zu bekämpfen, wird die Verwendung des Wortes “bigott” für diese Person praktisch zur Pflicht. Die Meinungsforscher erklären uns, daß der Klimawandel für eine große Mehrheit der Deutschen Anlaß zu großer Sorge ist, aber gleichzeitig kommt der Ausbau der Windkraft nicht unerheblich durch Bürgerproteste praktisch zum Erliegen. Schikaniert hier eine kleine Minderheit die ganz große Mehrheit, oder handelt es sich um einen Fall von Massenbigotterie? Wenn ich die Augen aufmache und das persönliche Umfeld von ganz doll Klimarettungsbewegten bevölkert sehe, die gleichzeitig regelmäßig ihre fetten Limousinen für alle nur denkbaren Arten von Juxfahrten gebrauchen, ergibt sich die Antwort auf diese Frage für mich von selber, ganz ohne Windrad-Vorm-Haus-Nein-Bloß-Nicht-Protest. “Bigottes Land” - unterschreib ich sofort!

Walter Neumann / 12.11.2019

Es ist eine bodenlose Frechheit, dass jetzt beim Niedergang der Schrott-Technologie Windenergie der Staat eingreifen soll, um Firmen wie Enercon vor der Pleite zu bewahren. Der Gründer von Enercon ist laut SZ durch diese Anlagen zum Millliardär - nicht Millionär! - geworden, weil wir das alles über die Umlage auf den Strompreis bezahlt haben. Damit er und all die Lobbyisten weiterhin richtig Kohle machen, müssen Natur und Vogelwelt sterben. Geht’s noch ?

K.H. Münter / 12.11.2019

Man könnte doch dem havarierten Windrad die 3 Rotorblätter soweit kürzen daß man damit weiter, also immer mal wieder, etwas Strom erzeugen kann. Wegen der kürzeren Rotorblätter wären auch die Fliehkräfte im System geringer und das kupierte Windrad könnte noch bei höheren Windgeschwindigkeiten sich weiter lustig drehen. Was dann lauter ist, der Sturm oder das Gebrumm der 3 Stummel-Propeller, wer weiß.

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