Thomas Rietzschel / 21.03.2016 / 18:06 / Foto: Pink Sherbet / 1 / Seite ausdrucken

Flüchtlinge - En gros und en détail

Am 4. April soll der große Flüchtlingsumtausch beginnen. Für jeden, der der Türkei dann zurückgegeben wird, weil er illegal (wie sonst?) nach Griechenland gelangte, wird in Europa einer abgenommen, der über syrische Papiere (unterdessen auf jedem größeren Basar zu erwerben) verfügt. Da der Plan vorsieht, den Handel en détail - nach „Einzelfallprüfung“ - abzuwickeln, werden dafür Heerscharen von Beamten benötigt, neben Fachkräften der Verwaltung vor allem Juristen und Dolmetscher, die der verschiedenen Sprachen, wenn nicht gar der Dialekte der Arabischen Halbinsel und Nordafrikas, mächtig sind. Ist es doch nicht die polyglotte Bildungselite, die da von Kontinent zu Kontinent  en gros verschoben wird, auch wenn uns anfangs die Zuwanderung Tausender syrischer Ärzte und Ingenieure versprochen wurde.

Insgesamt geht man heute in Brüssel von mehr als 4.000 Stellen aus, die für „die Umsetzung des Flüchtlingspaktes mit der Türkei“ geschaffen werden müssen. Keine zwei Tage zuvor war noch von gut 2.000 die Rede; und wenn sich Bedarf schließlich auf 5.000, 6.000 oder 8.000 erhöhen sollte, wird das vermutlich niemanden verwundern.

Oder wer hätte bisher auch nur drei Minuten darüber nachgedacht, wie sich das EU-Türkei-Abkommen logistisch bewältigen lässt, wo die Beamten über Nacht herkommen sollen, ob man die nötige Organisation überhaupt so mir nichts dir nichts aus dem Boden stampfen kann? Sind wir doch nicht einmal in der Lage, hierzulande lokale Polizeieinsätze bei größeren Silvesterfeiern halbwegs sinnvoll zu koordinieren. Und dann das große Rad weit unten auf dem Balkan drehen? Du lieber Himmel.

Immer wieder die alte Leier vom „Durchbruch“, von den „großartigen Verhandlungserfolgen Angela Merkels“. Überschwappende Begeisterung, der der Katzenjammer auf den Fuß folgt. Und das alles bloß, um Zeit zu gewinnen - zwei, drei Wochen oder nur noch Tage.

Was müssen die regierenden Politiker von den Bürgern halten, die sie mit solchen Ammenmärchen glauben einlullen zu können, mit Erfolgsmeldungen, die das Papier nicht wert sind, auf denen sie verkündet werden? Oder sind sie selbst schon so verwirrt, dass sie sich etwas vormachen, ohne es noch zu merken, dass sie ernsthaft an Pläne glauben, die keiner kritischen Prüfung standhalten?

Auszuschließen ist das eine, die Verachtung der Gutgläubigen, sowenig wie das andere, der fortschreitende Realitätsverlust unserer politischen Klasse. Sicher gibt es noch viele „Menschen draußen im Lande“, die lieber jeden Schwindel glauben, als dass sie sich von der Wirklichkeit um den Schlaf bringen lassen. Ebenso richtig ist aber, dass die Politiker glauben, die Probleme, der sie nicht Herr werden, aus der Welt schaffen zu können, indem sie ihren Illusionen faktische Bedeutung zusprechen. Für die Machbarkeit ihrer tollkühn geschmiedeten Pläne spricht dann allein die „feste Überzeugung“, auf die sich die Bundeskanzlerin so gern beruft. Benebelt von Gefühl der eigenen Bedeutung, verkauft sie uns die imaginierten als tatsächlich errungene Erfolge.

Fast alle Meldungen über den Flüchtlingsumtausch mit der Türkei als „europäische“ Lösung der Flüchtlingskrise“ entstammten einer einzigen Quelle: dem Bundeskanzleramt. Immer hieß es „wie die Kanzlerin sagt“, „nach Angaben von Angela Merkel“ und so weiter und so fort. Unter den Tisch fiel, dass andere das ganz anders sahen, zum Beispiel die Österreicher. Fragen nach der praktischen Umsetzung des Planes, einschließlich der „Verteilung“ der Flüchtlinge innerhalb Europas, wurden weder gestellt noch beantwortet, nicht in Merkel-Deutschland. Da zählte allein der Glaube an das gewünschte Resultat, auch wenn sich durch das gefeierte Abkommen noch keine „Flüchtling“ von der Reise über das Meer hat abhalten lassen. Tausende sind seither, nachdem die Abmachung vor weniger als drei Tagen in Kraft getreten ist, wieder in Griechenland angelandet.

Solche Petitessen der Wirklichkeit vermögen jedoch wenig, wo man Zuflucht in den Illusionen sucht. Dass deren Halbwertzeit immer kürzer wird, mag denen entgehen, die im politischen Betrieb der Berliner Republik bereits ein fortgeschrittenes Stadium der Unzurechnungsfähigkeit erreicht haben. Über das unvermeidliche Chaos des am 4. April beginnenden Flüchtlingsumtauschs werden sie abermals mit „fester Überzeugung“ hinweg sehen, ganz sicher. 

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Test 45: 40390

Wolfgang Richter / 24.03.2016

Die politische Führung verkauft Visionen, und große Teile der Hörenden sind nur zu willig, den Beteuerungen zu glauben, weil weiteres Nachdenken den gesunden Schlaf und Traum von der "Uns-geht-es-doch-noch-gut-Republik" zum platzen bringen würde. Es lebt wsich halt einfacher nach dem Lebensmotto des Michel, das Herr Ederer mal zu einem Buchtitel erhoben hat, "Die Sehnsucht nach der verlogenenWelt". Und wer jetzt nach "Brüssel" den Beteuerungen und Riten der Politik in Bezug auf die zumindest in Deutschland gesicherte Innere Sicherheit und die Aktivitäten zur besseren Zusammenarbeit in Europa Glauben schenkt, der mag in Betracht ziehen, wie viele Zuwanderer vor allem 2015 unkontrolliert und ungezählt nach und durch Europa ziehen konnten infolge der gezeigten Toleranzorgien. Von Tausenden weiß man weder um wen es sich handelt, noch etwas zur Herkunft oder aktuell zum Verbleib. Und während aus Frankreich durchsickert, daß man aus dem Troß mindestens 90 IS-Kämpfer kennen würde, schweigen die Misere und andere dazu. Und die Fähigkeiten hiesiger Behörden zur Ermittlungskoordinierung haben sich eindrucksvoll in Bezug auf die Straftaten gezeigt, die man der sog. "NSU" zur Last legt. Auch die Tatsache, daß zuletzt erneut 3 Spät-RAF-Angehörige, die zwischenzeitlich fast im Rentneralter sind, schwer bewaffnet durch die Republik ziehen können, um ihrem Finanzbedarf aus einem ui öffnenden Geldtransporter zu sichern, spricht für die Effektivität und Möglichkeiten der hiesigen diversen und schön föderal nebeneinander aufgestellten Ermittlungsbehörden, da es diesen Personen seit gut 20 Jahren gelingt, Straftaten zu begehen und erfolgreich abzutauchen. Aber zumindest bezüglich dieses Personenkreises muß sich der normale Bürger keine Sorgen um seine Gesundheit machen, sofern er keinen Geldtransporter oder ggf,. auch mal eine Bank zu seinem Umfeld oder Arbeitsplatz macht.

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