Hans-Martin Esser / 01.05.2016 / 11:25 / Foto: Thomas Bresson / 18 / Seite ausdrucken

5 politische Gegner, bei denen sich die AFD bedanken kann

Die AfD kann sich zurzeit bei 5 politischen Gegnern bedanken: Erstens bei den Autonomen, die ihren Parteitag mit aggressiven Parolen „Flüchtlinge bleiben, Nazis vertreiben – wir kriegen Euch alle“ begleiten. Diese Aussagen demonstrieren bei den Autonomen ein so merkwürdiges Demokratieverständnis, dass die AfD gar als normale Partei dagegen durchgeht, sie wird in Radikalität übertroffen von den Demonstrierenden, das macht die Partei in den Augen einiger Wähler harmloser, sie kann sich dann als Opfer gerieren. Wenn man der Partei das Wasser wirklich abgraben wollte, könnte man sich kaum dümmer anstellen.

Zweitens: auch versierte, intelligente Talkshow-Gäste wie Gregor Gysi und Ursula von der Leyen tappen regelmäßig in die Falle, wenn ihnen Beatrix von Storch und Frauke Petry gegenübersitzen. Werden die beiden AfD-Frauen mit aggressiven Sätzen angegriffen, die deren Reflexion und Intelligenz infrage stellen, haben die Unentschlossen unter den Wählern - und davon gibt es heute mehr denn je - Mitleid mit den Frauen. Nicht umsonst hat die AfD 2 Frauen in die erste Reihe gestellt. Wer Frauen angreift – und sei es in Talkshows – tut sich keinen Gefallen. Man kann dies Merkel-Effekt nennen. Steinbrück, einem inzwischen vergessenen SPD-Mann, tat es im Wahlkampf 2013 auch nicht gut, die Kanzlerin anzugehen.

Die AFD besetzt die Rollen recht überzeugend

Meuthen wirkt gemäßigt, ihn greift man auch nicht so an, das Reflexionsniveau eines Professors infrage zu stellen, wäre auch eher albern. Übrigens beteuert er, sich der AfD aus Solidarität mit Bernd Lucke angeschlossen zu haben, da er von Wolfgang Schäuble 2013 unsachlich und von oben herab angegangen wurde. Meuthen liefert damit ein Rollenmodell eines AfD-Sympathisanten, der den demokratischen Diskurs vermisst. Gauland wirkt wie ein gebildeter, gediegener älterer Herr, der sich Sorgen macht, oder er spielt zumindest die Rolle recht überzeugend. Das ist alles Strategie der AfD. Sie macht sich mit dem Personal unangreifbar.

In der personellen Zusammensetzung ist die Partei sehr geschickt. Angriffe, die oft hysterisch vorgetragen werden, laufen ins Leere oder bewirken das Gegenteil. Auch Verbissenheit bringt nichts: wenn Ralf Stegner und anderen Politikern die Galle überläuft, ist das nicht Ausdruck von Souveränität, sondern von Panik. Prozentuell liegen SPD und AfD ja beinahe gleichauf. Ein Politiker wie Elmar Brok von der CDU, den viele Zuschauer nicht einmal namentlich kennen, sitzt bei Sandra Maischberger und sagt, Volksentscheide seien nicht gut, man sehe ja in den Niederlanden und England, was dabei herauskomme. Mehr Wahlkampfhilfe für AfD geht nicht. Es war der größtmögliche Fauxpas, offenbart er doch jedes Klischee vom uninteressierten Politiker in Brüssel. Bei Politikern wie Brok weiß man, wie Sätze entstehen können im Sinne von „Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa.“

Die Wut nimmt schon fast zwangsneurotische Züge an

Drittens: auch Medienvertreter stellen sich im Fall AfD ungeschickt an. Wenn ich mein GMX-Postfach öffne, sind stets die neuesten Meldungen zu lesen. Nicht nur der Internet-Anbieter, auch fast alle Printmedien meinen, die Wähler „aufklären“ zu müssen über die Partei, um sie zu entlarven. Entlarven ist ein undemokratisches Wort, offenbart es doch die Anmaßung, mehr zu wissen als Wähler. Journalisten sind keine klügeren Menschen und meinen sie dies, haben sie schon verloren. Es nimmt bei GMX fast schon zwangsneurotische Züge an, diese Wut, der AfD anti-demokratischer Gesinnung nachzuweisen. Auch das treibt die Unentschlossenen in die Arme der Partei, anstatt sie wegzulotsen, kommt mit der Verbotenheit auch ein gewisser Outlaw-Effekt dazu. Allein die Wortwahl ist bisweilen höchst bevormundend, die Häme, mit der weiten Teilen der Wähler Dummheit unterstellt wird. Unbedarft und dumm kann man es nur nennen, so zu formulieren. Titelbilder in Zeitschriften mit überspitzten AfD-Klischees machen die Wählerbeschimpfung nicht besser.

Viertens: auch die Kabarettisten tragen ihren Teil dazu bei, dass die AfD so weit oben steht, man könnte sagen, Priol und Kollegen schaffen sich selbst die Themen, sorgen für eine Nachfrage nach Kabarett, indem sie – vielleicht bewusst - diese Partei durch übertriebene Schmähung stärken. Sie wenden sich an ein eher alterndes, oft verbeamtetes grün wählendes Mittelschichts-Bildungsbürgertum, das seine Klischees genauso gut pflegt wie die AfD ihre eigenen und in der demokratischen Gesinnung keinen Deut besser ist, verachtet man die Anderen ja genauso. Auch hier werden AfD-Wähler als dumm, arm und hartherzig abgemeiert. Sollten Urban Priol und Kollegen im Publikum ein paar Kabarett-Nonkonformisten haben, treiben sie diese mit ihren Sprüchen auch eher in die Arme der Partei.

Die Unentschlossenen neigen dem zu, auf den eingedroschen wird

Fünftens: Oliver Welke, der jenseits von Kabarett, Nachrichten und Politik irgendwo dazwischen steht. Angebote von ihm wie „Wenn die AfD bei einer der kommenden Landtagswahlen (13.März) in einem der Parlamente unter 10 Prozent bleibt, moderiere ich die nächste Sendung nackt“ verfangen nicht, der Mann ist einfach nicht hübsch genug. Oder ein billiger Böhmermann-Abklatsch, der FPÖ-Wähler in Österreich angreifen soll – indirekt damit die AfD-Leute - wirkt unkomisch und untalentiert. Ein aufgewärmter Skandal ist einfach nur peinlich. Das hätte er schon von Didi Hallervorden wissen können. AfD-Wähler, die bei derlei Berichterstattung von Tendenz-Presse sprechen, fühlen sich erstens bestätigt und zweitens werden wieder solche, die unentschlossen sind, der Partei, auf die man so eindrischt, Sympathien zeigen.

Es gilt einfach Folgendes: wollte man der Partei Prozente abnehmen, müsste man mit ihr diskutieren wie mit allen anderen Parteien auch, ihr Unrecht geben, wo sie Unrecht hat und andererseits auch mal in sich gehen und fragen, welche wunden Punkte sie anspricht. In der Art und Weise, wie die medialen und polischen Eliten zurzeit agieren, wundert man sich, wie man mit so viel taktischer und strategischer Inkompetenz überhaupt so weit nach oben kommen konnte. Man könnte beinahe den Verdacht haben, dass die Beteiligten geradezu ein Interesse an der Stärkung der AfD haben, sonst kann man sich so viel ungeschickte Dummheit im Umgang mit der Partei kaum erklären.

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Leserpost

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Engelbert Gartner / 01.05.2016

Es wurde noch ein sechster Punkt vergessen. Bei fast allen Dingen, die von der AfD angesprochen werden, besteht Handlungsbedarf. Dieser Handlungsbedarf wurde von den etablierten Parteien durch Gutmenschentum hervorgerufen .

Kurt Schrader / 01.05.2016

Die AfD ist die einzige Möglichkeit, seinen Protest zu artikulieren! Gegen “Eurorettung”, “Energiewende”, Flüchtlings"krise und den Kuschelkurs mit dem Islam! Und was die AfD im einzelnen meint, ist dabei gar nicht so wichtig! Der unerträgliche politkorrekte Einheitsbrei der etablierten Parteien ist mit nichts anderem zu stoppen als mit einer Stimme für die AfD!

Joachim Kuhlmann / 01.05.2016

In der Bewertung der AfD kann man, wie der Artikel zeigt, ganz unterschiedlicher Auffassung sein, dabei jedoch in der Analyse gegenwärtiger Fehlentwicklungen vollkommen einer Meinung sein. Also unabhängig von der Frage, ob es geboten erscheint, der AfD Wählerstimmen und Prozente “abzunehmen”, wird immer deutlicher, dass wir momentan von Parteien und Politikern regiert werden, die keine Problemlösungskompetenz, keine Sachkompetenz und nicht einmal Kommunikationskompetenz aufweisen. Warum also sollte man der AfD, einer laut Verfassungsschutz nicht verfassungsfeindlichen Partei, keine Chance geben, es besser zu machen? Währendessen können sich, wie es der Parlamentarismus vorsieht, die verbrauchten Kräfte und Parteien in der Opposition erneuern. Am Ende wäre damit allen gedient!

Andreas Rochow / 01.05.2016

Sehr treffende Analyse. Ich hätte mir gewünscht, unter Punkt 6 noch die evangelische Kirche von Deutschland zu finden. Bei dem am 01.05.2016 vom Deutschlandfunk als Gottesdienst ausgestrahlten “Radiokirche” handelte es sich um eine propagandistische Veranstaltung, in der die Pfarrerin interviewt in sakralem Ton wurde, eingerahmt von exotischen Gesängen. In dem Interview kam geschätzte zehn mal das Wort “Zentrale Aufnahmestelle” vor. Die Bedford-Strohm-Kirche hat, was unkritische Staatsnähe angeht, wieder einmal sämtliche Bedenken verloren. Sie ahmt damit das Erfolgrezept der “etablierten” Parteien nach - mit den bekannten Folgen.

Martin Lederer / 01.05.2016

Sie sind vermutlich kein Fan der AfD. Meine Aussage: Ohne die FPÖ wären die Grenzen immer noch offen. Ich sah mir gerade den internationalen Frühschoppen an. Dabei wurde von allen (vermutlich Links-liberalen?) als “Lösung” eine europäische Republik präsentiert. Die haben den Schuss immer noch nicht gehört. Deshalb ist es nötig, dass Herr Hofer in Österreich gewinnt. Deshalb ist es nötig, dass die AfD zur zweitstärksten Partei in Deutschland wird. Das “Problem” der “rechten” Parteien ist immer noch viel zu klein für die. Erst wenn dieses “Problem” groß genug ist, sind sie gezwungen, gewisse Positionen ernsthaft in Frage zu stellen. Vorher nicht.

Marcel Seiler / 01.05.2016

Autor Esser tut so, als ob die AfD nur durch die ihr in der *Auseinandersetzung* inkompetent agierenden Gegner groß geworden wäre. Ja, diese Inkompetenz in der AfD-Bekämpfung mag helfen, aber richtig groß geworden ist die AfD durch die Inkompetenz der Etablierten in vielen Bereichen *in der Sache*: (a) Euro - damit fing ja alles an, (b) ignorierte Kriminalität in den östlichen Bundesländern und nicht nur dort, (c) Energiepolitik, (d) Europapolitik und zuletzt (e) Einwanderungs- und Islampolitik. Gleichzeitig hat sich ihr Politikstil zu einer immer größeren Verlagerung der Macht auf die Exekutive entwickelt, bei dem der Bundestag zum Abnickerverein geworden ist und immer mehr Entscheidungen in der von der Exekutive dominierten, wählerfernen Brüsseler Bürokratie getroffen werden—das völlig ohne Zutun der AfD. Diese Abschaffung der “Demokratie in der Praxis” wurde gesellschaftlich durch ein Ausbreiten der politischen Korrktheit begleitet, auch das weit vor der AfD, und mit angeblicher Alternativlosigkeit begründet (ebenfalls vor der AfD; denn daher hat sie ja ihren Namen). Genügend Wähler sind von diesen Entwicklungen *in der Sache* beunruhigt; auch wenn vermutlich sich nicht jeder von allen genannten Punkten betroffen fühlt, so spüren doch genügend, dass etwas nicht richtig läuft. Und, meine feste Überzeugung, auch viele Beobachter, die die AfD nicht unterstützen, sind ihr heimlich (manche auch offen) dankbar, weil dank ihrer endlich Sachen diskutiert werden müssen, die die etablierte Politik lieber in der Verdunklung lassen würde. Nein, dass die etablierte Politik gegenüber der AfD inkompetent agiert, ist nicht ein bedauerlicher Zufall: es ist ein weiteres Symptom der Inkompetenz, die die etablierte Politik (inklusive der sie unterstützenden Medien) in vielen Bereichen zeigt.

Manfred R. Zonker / 01.05.2016

Ich möchte noch ergänzen: Jetzt hat auch der mir bisher sympathische Kabarettist Alfons vor zwei Tagen mit seiner Geschichte über ein syrisches Flüchtlingskind ein Plädoyer für die Aufnahme aller Flüchtlinge gehalten, und dabei auf sehr emotionale Weise an das Mitgefühl der Gutmenschen appelliert.  Er hat sich damit genau in die Denkweise der mediale Mainstream-Presse eingefügt und bei mir sein Ansehen verloren. Denn so unkritisch, ohne Berücksichtigung der Folgen einer u kontrollierten Zuwanderung, sehen das viele Zuschauer nicht (mehr).

Rainer Grell / 01.05.2016

Hervorragend, Herr Esser. Das Schlimme an solchen treffenden Analysen wie der Ihren ist nur, dass sie vermutlich überwiegend von Leuten gelesen werden, die ohnehin derselben Meinung sind. Die anderen sind fakten- und beratungsresistent. Sie sind einfach bei den Guten und haben es nicht nötig, mit “Pack” zu diskutieren. Außerdem haben viele in unserer Talkshow-“Kultur” und unter der Knute der political correctness ohnehin verlernt, Argumente anstelle von Schlagworten einzubringen. “Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht” - vom Tag gar nicht zu reden.

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