Susanne Baumstark / 04.02.2020 / 11:00 / Foto: unbekannt / 18 / Seite ausdrucken

Fluchtursache Iran: Was tun?

Die Bundesregierung gibt bekanntlich zig Milliarden Euro für die Bekämpfung von Fluchtursachen aus. Was das bringt, erschließt sich aus einer aktuellen Meldung: „Das Wiener ‚Internationale Zentrum für migrationspolitische Entwicklung‘ erwartet für die nächsten zwölf Monate einen gewaltigen Anstieg der Migration nach Europa. Es drohe eine Wiederholung der Zustände von 2015 und 2016.“ Wenn also schon Unsummen an Geldern nicht effektiv zum Verbleib der Leute in ihrer Heimat beitragen: Was ist angesagt, wo die Fluchtursache rein ideologisch begründet ist?

Soweit es sich um den Iran handelt, gibt es nach langen erfolglosen diplomatischen Mühen vorerst eine Antwort, wie Hourvash Pourkian von der Initiative „International Women in Power“ (IWP) am Rande einer Pressekonferenz zum Thema „Totalitäre Strukturen im Iran“ vorschlug: Eine Anzeige gegen das Mullah-Regime beim Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Neben all den Menschenrechtsverletzungen seien allein bei regierungskritischen Protesten im November 1.500 Personen kurzerhand erschossen worden. Als Institution könne die EU mit einer Anzeige tätig werden.

Die hatte übrigens den brutal agierenden Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden, Qasem Soleimani, auf ihrer Terrorliste vermerkt. Seine Ermordung durch einen gezielten US-Drohnenangriff darf aus menschenrechtlicher Sicht dennoch nicht unwidersprochen bleiben. Ein italienischer Professor für Neuroethik etwa hat das gegenüber einer katholischen Zeitung so getan: „Wenn Amerika ein Rechtsstaat ist, müsste dazu ein Prozess stattfinden. Seit 2002 gibt es einen internationalen Strafgerichtshof, dessen Statut allerdings weder die USA noch Iran beigetreten sind. Wenn aber eine Regierung ohne Prozess oder Bestätigung durch andere staatliche Einrichtungen einfach beschließen kann, wer zu töten ist, dann wird es schwierig, etwas Prinzipielles dagegen einzuwenden, wenn auch ein Staat wie Iran zu solchen Mitteln greifen sollte.“

„Verbreitung islamistischen Gedankengutes“

Da der Iran das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs bisher nur unterzeichnet, aber nicht ratifiziert hat, müsste man an völkerrechtlicher Stelle in Bezug auf eine Anzeige gegen das Mullah-Regime also erst einmal die Zuständigkeit prüfen. Wogegen klar vorgegangen werden kann: Wenn mitten in Hamburg Anhänger des Mullah-Regimes dem getöteten Soleimani als Held und Märtyrer Gedenkzeremonien widmen. Die IWP hat auf Initiative von Hourvash Pourkian Proteste vor der Imam-Ali-Moschee (Träger: das vom Verfassungsschutz beobachtete Islamische Zentrum Hamburg IZH) durchgeführt.

Die Exil-Iranerin reichte zudem eine Strafanzeige gegen das IZH bei der Hamburgischen Generalstaatsanwaltschaft ein. Formulierter Tatbestand: „Bildung einer terroristischen Vereinigung sowie der Unterstützung von Terroristen“ sowie „Verbreitung islamistischen Gedankengutes“. Der rot-grüne Senat setzt allen Warnungen von diversen Seiten zum Trotz weiterhin auf Dialog mit dem IZH, während Pourkian die Moschee am liebsten geschlossen und zu einer Begegnungsstätte umfunktioniert sähe.

Noch zum Selbstverständnis der Iraner: Die Einführung der Scharia als Staatsdoktrin habe man mehrheitlich nie gewollt. Das Land war auch vor der Regierungszeit des 1979 vertriebenen Schahs – bis auf Zeitabschnitte in der Frühgeschichte – nicht streng islamisch, sondern von moderner Mentalität geprägt. Pourkian greift bis in die Antike zurück: Kyros der Große (ca. 590–530 v.Chr.) gelte weithin als ursprünglicher Begründer der Menschenrechte. Nachgesagt wird dem Herrscher beispielsweise eine bemerkenswerte Güte und Toleranz und dass er die Juden 538 v.Chr. aus dem babylonischen Exil befreit habe, die dann nach Jerusalem zurückkehren und ihren Tempel wieder aufbauen konnten. 1879 buddelten britische Archäologen den „Kyros-Zylinder“ aus, der gemeinhin als erste Niederschrift von Menschenrechten gilt. Laut „Länder-Informations-Portal“ verstehen sich die Iraner als „Teil eines der ältesten Kulturvölker der Erde“.

Rückgratlosigkeit der Bundesregierung

Geradezu jämmerlich, was unter der Theokratie seit 1979 aus der „mehrtausendjährigen Zivilisationsgeschichte“, die nun aus Schulbüchern getilgt sei, geworden ist. Eine ehemalige Anwältin für Familienrecht, die 2015 nach Deutschland floh und aus Angst vor Verfolgung anonym bleiben will, berichtet: Das Richterwesen im Iran bestehe inzwischen aus einem korrupten Netzwerk. Frauen dürfen in der Regel nicht als Richterinnen arbeiten. Von studierten Anwältinnen werde sexuelle Gefügigkeit erwartet – was übrigens nicht scharia-konform sei. Wer nicht gefügig ist, werde in der Arbeit massiv blockiert.

Vertrauliche Gespräche im Kreis der juristischen Kolleginnen waren der Familienrechtsanwältin nicht vergönnt: viele hätten die sexuellen Übergriffe aus Kapitulation heraus verharmlost. In der Familie konnte sie ebenfalls nicht darüber sprechen. Schließlich wandte sie sich an eine christliche Gemeinde. Dort fand sie zwar Gehör, bekam aber daraufhin politische Probleme. Die Juristin war zunehmend traumatisiert. Sie fing an, ihre Arbeit zu hassen. Sie floh. Ihre Familie ist im Iran geblieben.

Pourkian beklagt fehlende Solidarität der hiesigen Politik mit den iranischen Oppositionellen: Es verwundere, dass Iraner wegen terroristisch agierender Radikalislamisten nach Deutschland flohen und nun hier genau dieses wieder vorfinden. Die folgenschwere Rückgratlosigkeit der Bundesregierung ist vor allem dort erkennbar, wo die großzügige Verteilung hart erarbeiteter Steuergelder nicht greift. Denn den Iranern fehlt es nicht an Geld, sondern an Freiheit. Dass sich gerade jene, die ständig „Demokratie“ und „Zivilcourage“ wie einen Popanz vor sich hertragen, hier keine eindeutige Haltung einnehmen und mutig vertreten, verdeutlicht, wie es ihnen tatsächlich darum bestellt ist. Das soll die Problematik einer Lösungsfindung nicht verkennen. Jedenfalls ist es nach jahrzehntelanger Erfahrung mit dem Einsatz der Diplomatie ein Fakt, dass dies keinen Millimeter weit zur Freiheit der iranischen Bevölkerung beigetragen hat. 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

Foto: Unbekannt via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Johannes Schuster / 04.02.2020

Ich halte für die Chronisten fest: Der Bundespräsident gratuliert einem Land, daß im Jahre 1988 eines der größten Massaker an Gefangenen seit dem Ende des zweiten Weltkrieges beging. Der Vorzug der Besatzung Deutschlands lag ohne Zweifel darin, daß die Außenpolitik des besiegten Reichs einen alliierten Stempel brauchte und kontrolliert wurde bevor sie geschehen durfte. Weiter so Deutschland, nach dem Brexit ist vor der großen Isolation in der Weltgemeinschaft und der Rest ist die Wiederholung alter Muster.

Marcel Seiler / 04.02.2020

Die Unterstützung der fundamental-islamischen Regierung im Iran durch deutsche Regierung und links-grüne Presse macht zynisch: Die hier zitierten Iranerinnen haben einfach nicht begriffen, dass sie für die links-grünen Gutmenschen durch ihre Kritik am ach-so-unterdrückten Islam zu Unterdrückern geworden sind, die kein Mitleid zu erwarten haben. Oder vielleicht haben die Links-Grünen Angst, vom schiitischen Fundamentalismus in die Luft gesprengt zu werden? Und um dies zu verhindern, werfen sie der iranischen Regierung lieber die rebellischen Frauen zum Fraße vor? Wer keine Streitkräfte, aber weit offene Grenzen hat, kann sich eben keine eigenen Überzeugungen leisten.

beat schaller / 04.02.2020

Da gibts nichts weiter zu sagen!  Hut ab. b.schaller

Steffen Rascher / 04.02.2020

Was wird nur unser Steinmeierchen und unser Außenministerchen dazu sagen? Herzlichen Glückwunsch? Weiter so? Und wenn sie dann schon mal da sind, ruft Merkel herzlich willkommen und „yes we can“, zu Merkel- deutsch „Wir schaffen das“ weil ihr noch nie eine eigene Idee gekommen ist. Komische Leute haben wir da sitzen.

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 04.02.2020

Boris Johnsons Rede: Ich wäre bei dem Wort „debate“ geblieben und hätte nicht das Wort „Kontroverse“ genommen … man sagt ja auch nicht „Parlamentskontroversen“… wo bei man bei einer langwierigen Debatte durchaus von einer Kontroverse sprechen kann. Eine Debatte setzt natürlich ein hohes sprachliches, kulturelles, philosophisches und Intellektuelles Wissen voraus, was letztlich auch Basis einer wahrhaften Demokratie ist. Auch hier wieder klar und deutlich der Unterschied zu Muddiland 4.0. in welchem man eine solche Streitkultur vergeblich suchen wird.

Frank Volkmar / 04.02.2020

“Wenn also schon Unsummen an Geldern nicht effektiv zum Verbleib der Leute in ihrer Heimat beitragen: Was ist angesagt, wo die Fluchtursache rein ideologisch begründet ist?” Es ist doch schon lange bekannt, das nicht die flüchten, die kein Geld haben, sondern die, die Geld bzw. damit auch einen Job haben ! Ich bin davon überzeugt, das die Bundesregierung dies schon sehr lange weiß, denn sie hat ja Botschaften in diesen Ländern und beschäftigt Experten die auch vor Ort analysieren und auch Empfehlungen aussprechen. Das interessante daran ist wie dieser Sachverhalt in den Medien “beschwiegen” wird ! Da ist es nur folgerichtig, das hier eine Ideologie am Werk ist .

Karl Eduard / 04.02.2020

Ich bin sicher, Frau Baumstark ist dieses UNO-Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheit souveräner Länder bekannt? Ich glaube, Deutschland ist immer noch UNO-Mitglied. Ansonsten möchte ich mal Stalin bringen, als ihm im Zweiten Weltkrieg jemand von “der Papst steht an unserer Seite” erzählen wollte. Da hat er lakonisch gefragt, über wieviele Divisionen denn der Papst verfügt. Daß es mit Deutschland ähnlich ist, dürfte selbst dem letzten Träumer klar sein. Die Stimme Deutschlands hat in der Welt nur noch denen gegenüber Gewicht, die Geld vom deutschen Steuerzahler/Staat erhoffen. Mit wieviel Milliarden Euro möchte Frau Baumstark denn die Regierung in Teheran beglücken? Ich meine, mit der Türkei hat das Verschenken von Geld ja auch keine Erfolge gebracht. (Flüchtlingsdeal)  Und welcher Staat sollte denn in Deutschland intervenieren, damit Recht und Gesetz, Demokratie und Meinungsfreiheit wieder gewährleistet werden, die die Größte Kanzlerin aller Zeiten faktisch außer Kraft gesetzt hat.  Beim Zustand der deutschen Streitkräfte reicht auch eine kleine Armee.

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 04.02.2020

Boris Johnson spricht zu Anfangs seiner Rede von „certainty“, daß der Übersetzer mit „Sicherheit“ übersetzt hat. Das ist meiner Meinung nach nicht richtig! Es geht dabei eher um „Gewißheit“ und nicht um Sicherheit! Der Unterschied kann hier nicht groß genug sein. Gewißheit kann zu Sicherheit führen, muß es aber nicht! Wo aber keine Gewißheit ist kann von vorne herein keine Sicherheit bestehen. Das ist halt der Unterschied zwischen angelsächsischer und deutscher Geisteshaltung (Logik)!

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