Roger Letsch / 05.06.2018 / 14:00 / Foto: Dmytro Ivashchenko / 26 / Seite ausdrucken

Flucht ins nächste Level des politischen Elfenbeinturms

Heute würde ich mir am liebsten einen dieser Chemtrail-Aluhutträger greifen und eine sofortige Erklärung dafür verlangen, warum das Zeug ausgerechnet bei mir nicht zu wirken scheint. Chemie kann so grausam sein! Und die Zukunft erst! Besonders dann, wenn Worte über sie aus dem Munde von Angela Merkel kommen, ich zufällig zuhöre und die Dosis des versprühten Vertrauiums offenbar nicht wirkt.

Der Deutschlandfunk berichtet über die Jahreskonferenz des „Rates für nachhaltige Entwicklung“. Das ist in etwa das, was früher mal der „Girlsday“ war – nur eben in teuer und für jene großen Kinder, deren Gestaltungswille sie mangels anwendbarer Qualifikation in die Politik getrieben hat. Dieses Urteil mag harsch, ungerecht und geradezu bösartig klingen, aber wenn die Veranstalter mit irgendeiner anderen Botschaft als dieser zu den Steuerzahlern vordringen wollten, welche diese Party nun schon das 18. Jahr in Folge finanzieren, sollten sie peinlich genau darauf bedacht sein, wen sie als Referenten und Gastredner einladen. Und sie sollten sich dringend vorher die Manuskripte schicken lassen. Auf keinen Fall jedoch darf es je wieder geschehen, dass die Rede von Kanzlerin Merkel an die Öffentlichkeit dringt. Denn nur selten habe ich größeren Unsinn gehört als bei der Merkel-Rede am 4.6.2018 auf eben diesem Nachhaltigkeitskongress.

Merkels Idee eines „europäischen BAMF“ etwa halte ich angesichts des elefantösen Skandals im deutschen politischen Saustall der Verantwortungslosigkeiten schlicht für den dreisten Versuch, sich der Verantwortung durch Flucht ins nächste Level des politischen Elfenbeinturms zu entziehen. Doch dann kam die Sprache darauf, was die Europäer noch alles Tolles gemeinsam tun sollten, und es verschlug mir den Atem. Was die Kanzlerin zum Beispiel unter „Flexibler Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten“ versteht, kann man, an ihre Phrasen gewöhnt, leicht erkennen. Es bedeutet, dass insbesondere Deutschland die Nähte seiner Taschen mit Gummizug ausstatten soll, um kleineren wie größeren Besuchen der europäischen Hand standhalten zu können.

Auch das Gerede vom „Marshallplan für Afrika“ wird seit Jahrzehnten immer und immer wiedergekäut, währenddessen in der Summe schon mehrere Marshallpläne wirkungslos in Wüste und Dschungel versickert sind. Ebenfalls unvermeidlich bei derlei Gelegenheiten ist das Trommeln für den „Europäischen Währungsfond“, selbstverständlich auch nur im Sinne der internationalen Solidarität (sie lebe hoch, hoch, hoch!). Notleidende Länder könnten so besser unterstützt werden, spricht es aus der Kanzlerin, wobei es in der EU ausgerechnet und dummerweise ausschließlich Euro-Länder sind, welche die Not pressiert. Ein „EWF“ würde bedeuten, das brennende Dach des Euro auf die Nachbardächer von Krone, Forint und Zloty ausdehnen zu wollen, um sich an der gemeinsamen, mangelhaft gedeckten Feuerversicherung zu erfreuen. Ich behaupte keck, wenn der EWF unter der Ägide des „Euro 1.0“ tatsächlich noch zustande kommt, ist eher Erpressung als Einsicht im Spiel. So blöd kann man nämlich eigentlich nicht sein.

Gänzlich vom Entsetzen hinweggerafft wird man jedoch, wenn man von Plänen vernimmt, Euro-Ländern, die beim technologischen Fortschritt wie etwa der „künstlichen Intelligenz“ „hinten dran“ seien, sollte mit einem Investitionshaushalt geholfen werden, der im „unteren zweistelligen Milliardenbereich“ (der verkürzende Begriff „Peanuts“ lag in der trockenen Luft) ausgestattet würde. Hier soll die Gießkanne in besonders sozialistischer Manier geschwungen werden. Förderung von guten Projekten, Clusterbildung, Wettbewerb? Hält man in Brüssel und Berlin alles nur für liberalen Budenzauber! Gerecht ist nur, was gleichmäßig verteilt wird.

Warum keine Orangen aus Finnland?

Chancengleichheit herrsche nur dann, wenn jeder dieselben Mittel bekommt, ganz gleich, was er kann und wo er es versucht. Statt so etwas „Elitäres“ wie ein europäisches „Silicon Valley“ entstehen zu lassen, wo es eben entstehen mag und die Synergieeffekte von freiem Kapital, guten Bedingungen für Firmengründungen und geballter wissenschaftlicher Expertise durch nahe Universitäten zu nutzen und gezielt zu fördern, lässt man es lieber dort schneien, wo der Schnee nie liegenbleiben wird, und begründet den Wahnsinn mit dem Gerechtigkeitsprinzip. Außen steht Chancengleichheit geschrieben, innen lauert jedoch nichts anderes als die beabsichtigte Gleichheit der Ergebnisse.

Mit derselben schildbürgerlichen Verstiegenheit könnte man auch dafür sorgen, dass der Anbau von Orangen nicht nur in Spanien oder Frankreich, sondern auch in Finnland und auf Grönland möglich wird, weil man dort leider mit Zitrusfrüchten etwas „hinten dran“ ist. Eine Gerechtigkeitslücke, die man mit viel Geld, Gewächshäusern und enormem Energieeinsatz dringend schließen sollte. Das schafft Arbeitsplätze und für die minderwertigen Früchte würde man anschließend mittels einer verteilungsgerechten Abnahmequote die störrischen Obsthändler beglücken (Das Förder-Programm sollte „Jetzt sind sie halt da“ heißen) und dem Endkunden für maximales Entzücken noch eine Orangen-Abwrackprämie hinterherwerfen. Nur gut, dass der Steuerzahler das nicht finanzieren muss, weil die Gelder ja von der EU kommen – auch dort hat man offenbar „gut gewirtschaftet!“ Was haben wir für ein Glück, dass es Brüssel gibt und Berlin ein Vorort davon ist!

Doch Schluss mit diesem „Girlsday“, genug geblödelt! Noch eine solche Kanzlerinnenidee aus der Mottenkiste sozialistischer Fünfjahrespläne kann ich heute nicht ertragen! Es gibt jedoch in dieser Bundesregierung offenbar wirklich niemanden mehr, der sich noch dunkel daran erinnert, wie Marktwirtschaft funktioniert, und der es schaffen könnte, Frau Merkel von den Mikrofonen fernzuhalten. Also zumindest von denen draußen im Lande, wo sie Schaden anrichten kann, sollte sie ferngehalten werden. In einem Untersuchungsausschuss – und dort auch gern in langer, freier Rede – wäre ihr meine Aufmerksamkeit und die der Wirtschaft sicher gewiss. Aber Merkel und „Zukunft“ oder „Entwicklung“? Zu diesen Themen sollte man sie wirklich nie wieder reden lassen.

Dieser Beitrag erscheint auch auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Dmytro Ivashchenko CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Dirk Jungnickel / 05.06.2018

Köstlich und nachvollziehbar. Aber fehlt hier nicht ein “nicht” ? “Also zumindest von denen draußen im Lande, wo sie Schaden anrichten kann, sollte sie…..... ferngehalten werden. “

Dietrich Herrmann / 05.06.2018

Der letzte Absatz!!!  Ganz herrlich, Herr Letsch!!!  Den müsste man als Aushang im Foyer des Bundestages bringen. Das wäre ein richtiger Spaß.

Karin Adler / 05.06.2018

Uneingeschränkter Applaus!

Heiko Stadler / 05.06.2018

Danke Herr Letsch zu ihren deutlichen Worten zu der “visionären” Bundeskasperin, denen ich mich voll und ganz anschließe. Als IT-Unternehmer kann ich versichern, ohne natürliche Intelligenz der verantwortlichen Politiker klappt auch die Förderung der künstlichen Intelligenz nicht.

Wolfgang Richter / 05.06.2018

Offenbar wird auch andernorts in der EU gehört, was die Berliner Thronbesetzerin und ihr Mack-Krönchen aus Paris so an Neuerungen für Euro-Raum und EU insgesamt verkünden. Reaktion der (Wahl-) Bürger sind nach dem Brexit der erklärte Widerstand in den Visegrad-Staaten samt Österreich, zuletzt die konträre Regierungsbildung in Italien und das “Rechts” (u. EU-Kritik)  stärkende Wahlergebnis in Slowenien. Offenbar sind die beiden sich als Berufsumgestalter der EU inszenierenden in Berlin und Paris nicht in der Lage oder willens, diese Zeichen an der Wand zu sehen. Ob die Spaß-und-Spiele-Zeit der Fußball-WM als willkommene Ablenkung ausreichen wird, den Absturz der beiden samt ihrer Ideen zu verhindern, wird sich zeigen. Vielleicht rettet sich Merkel aus dem Bamf-Desaster mit dem Opfern des von ihr eingesetzten Bauern Altmeier als Flüchtlingskoordinator vor sie abschaqffenden Neuwahlen. Und für selbigen Peter wird dann sicher in Brüssel ein Versorgungsposten zu finden sein.

Leo Hohensee / 05.06.2018

Apropos “Europäischer Währungsfonds” ich höre heute im Radio landauf - landab wie gut sie (die Kanzlerin) doch dem Ansinnen Macrons widerstanden hat !? Natürlich habe sie in Aussicht gestellt, dass bei “entsprechenden rechtlichen Einschränkungen” alles möglich ist! Ich erinnere nur an die No-Bail-Out-Klausel (die GESETZES-GRUNDLAGE FÜR ALLES ). Wir Steuerzahler sollen mal wieder für dumm verkauft werden, ..... die Medien heben - natürlich - diese besonderen “Sicherheiten” hervor, und sie tun es im Halb-Stunden-Takt. Also wenn da noch einer kritisch bleibt - dann ist der Nazi !!

M. Haumann / 05.06.2018

Frau Merkels hektische Aktivität, derzeit IRGEND ETWAS zu sagen und zu tun, wirkt ziemlich getrieben. Derweil macht Resteuropa auch unter Führung des klugen Herrn Kurz in der Migrationsfrage Nägel mit Köpfen: Italien “beendet das Geschäft mit der Einwanderung” und Dänemarks Regierungschef Rasmussen hat “mit Österreich und anderen europäischen Ländern” eine Unterbringung abgelehnter Asylbewerber “an einem nicht sonderlich attraktiven Ort” in fortgeschrittener Planung. Die scheinen still und effektiv eine europäische Lösung zu erarbeiten, an der leider nur Frau Merkel nicht teilnehmen kann, weil diese Pirouette selbst für sie zu heftig wäre. In der existentiellen Vereinsamung reisst sie jetzt halt noch einmal das deutsche Portemonnaie auf, hat ihr doch bisher immer die Macht gesichert. Macron kann sie damit vielleicht kaufen. Relevante andere vermutlich eher nicht.

Jutta Schäfer / 05.06.2018

Diese Frau ist einfach nur noch peinlich.

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